Seewölfe - Piraten der Weltmeere 23. Roy Palmer
von johlenden Männern. Schwielige Hände griffen nach den verführerisch wippenden Hüften, eine Pranke landete klatschend auf einem Hinterteil, und das Mädchen kreischte auf.
Casias selbst brachte den irdenen Krug mit dem Rotwein an Savedras Tisch. Er schenkte ihn in saubere Humpen aus, füllte auch einen fünften und prostete ihnen zu. „Laßt uns die kleine Auseinandersetzung vergessen. Darf ich mich zu euch setzen?“
Savedra schaute den Glatzkopf an. Der nippte an seinem Wein, gab einen schmatzenden, genießerischen Laut von sich und nickte bedächtig.
Savedra grinste. „Eloy meint, der Tropfen sei wirklich gut. Er irrt sich nie.“ Er wartete, bis sich der beleibte Mann gesetzt hatte und fuhr dann fort: „Jetzt mal ’raus mit der Sprache, Miguel! Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir so hoch in deiner Gunst stehen, nur, weil wir auf der ‚San Pedrico‘ fahren.“ Er beugte sich vor und senkte wieder die Stimme. Sie klang plötzlich kalt und gefährlich. „Und noch etwas. Dein Name kommt mir bekannt vor.“
„Wir kennen uns, Savedra. Indirekt.“
„Indirekt?“
„Durch Julio Herrera“ sagte der Wirt.
Der Steuermann richtete sich ein Stück auf, ließ sich dann zurücksinken und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, den Blick unverwandt auf Casias gerichtet. Seine Augen besaßen einen solch frostigen Ausdruck, daß man meinen konnte, er hätte den Wirt am liebsten auf der Stelle erdolcht. Casias schwitzte, doch er hielt dem Blick stand.
Schließlich entspannten sich Savedras Züge. „Also gut. Du scheinst mir ein ausgekochtes altes Schlitzohr zu sein, Miguel, aber wir können offen reden. Marcos, Esteban und Eloy sind meine – nun, meine Geschäftspartner.“
„Verstehe.“ Casias lächelte süßlich.
„Wo steckt Herrera?“
„Ich habe keine Ahnung.“
„Julio Herrera hat die Geschäfte vermittelt, die wir von Bord unseres Schiffes aus betrieben haben, und du warst sein Abnehmer. Ich habe nie herausgekriegt, wo du wohnst, Amigo, aber dein Name wurde mir von Herrera mehrmals genannt.“
Casias leckte sich wieder die Lippen und schaute sich hastig nach allen Seiten um, ob auch niemand lauschte. Erfuhr ein Außenstehender auch nur ansatzweise von dem dunklen Handel, den er betrieb, dann war er verraten und verkauft, denn man würde ihm die Guardia auf den Hals hetzen.
„Herrera ist untergetaucht“, sagte er. „Hat Schwierigkeiten gekriegt. Ich versuche seit Tagen, irgendwie Kontakt mit dir aufzunehmen, Savedra, aber es ist mir nicht gelungen. Welch ein glücklicher Zufall also, daß ihr hier bei mir gelandet seid. Eine Fügung des Himmels!“
„Er übertreibt wieder“, bemerkte Esteban Pereda spöttisch.
Savedra trank und setzte seinen Humpen auf dem Tisch ab. „Du bist der gerissenste Hehler in ganz Callao und Umgebung, Miguel. Hätte wirklich nicht gedacht, daß du dich als der Wirt dieser Spelunke entpuppst. Nun, da wir uns kennen, rück endlich mit der Sprache heraus. Was willst du? Mir ein Geschäft vorschlagen?“
„Ja. Ohne Herrera.“
„Das versteht sich. Aber es gibt da eine Widrigkeit.“
Casias schenkte Wein nach. „Ich weiß. Die ‚San Pedrico‘ läuft in den nächsten Tagen mit einer Silberladung nach Panama aus.“
„Du bist gut informiert“, stellte Savedra fest. „Wir warten noch auf eine bestimmte Ladung aus Callao, dann gehen wir ankerauf, und unsere einträglichen Wege trennen sich.“
Miguel Casias rutschte auf die Bank neben dem Steuermann und warf wieder einen huschenden Blick in den Schankraum, bevor er sprach. „Hör mir gut zu. Ich weiß, um was es sich bei der Ladung handelt, die ihr noch aufnehmen sollt. Ich habe einen Mittelsmann am Hof des Vizekönigs in Lima, und der hat mich informiert, daß in dieser Nacht ein Transport vom Hof des Vizekönigs nach Callao zu eurer Galeone auf den Weg geschickt wird. Deshalb habe ich ja so verzweifelt versucht, Verbindung mit dir aufzunehmen, aber alle Botschaften, die ich dir schicken wollte, konnten wegen der Bordwachen nicht zugestellt werden. Der Schatz im Frachtraum der ‚San Pedrico‘ wird schärfstens behütet. Und Herrera, der als einziger Mittel und Wege kannte, dich zu erreichen ...“ „Schön, das wissen wir jetzt“, unterbrach Savedra ungeduldig. „Zur Sache. Um was handelt es sich bei dem Transport aus Lima?“
Casias sagte es fast ehrfürchtig: „Um den Privatschatz des Vizekönigs, ein Vermögen von unschätzbarem Wert. Inkaschmuck! Das Zeug reicht aus, sich für alle Zeiten gesundzustoßen, sag ich dir.“
„Teufel auch“, versetzte Chocano.
„Das ist ein Fang für uns“, fügte Pereda hinzu.
Und der Glatzkopf Eloy Campoamor sagte: „Heute nacht? Wann?“
Antonio Savedra musterte den Wirt aus flinken, geröteten Augen. Casias sah, daß die Gier der vier Seeleute geweckt war. Absichtlich ließ er sie ein wenig zappeln, bevor er mit seinem Plan herausrückte.
„Man muß den Transport überfallen. Jetzt, da ich euch als Verbündete an meiner Seite weiß, kann ich es riskieren. An wen sonst hätte ich mich wohl wenden können?“
„Mach es nicht so spannend“, sagte Savedra.
„Der Transport besteht aus zwei Schatztruhen, die ein Maultiergespann bringen wird. Man könnte sie auf eine Pinasse verladen und mit der Pinasse zu den Chincha-Inseln segeln. Die befinden sich südlich von Callao, wie euch sicher bekannt ist.“
„Warum ausgerechnet zu den Chincha-Inseln?“ fragte der Steuermann mißtrauisch.
Casias grinste. „Sie gelten als verhext. Niemand außer uns wird es jemals wagen, seinen Fuß auf eine der Inseln zu setzen. Außerdem wird kein Mensch vermuten, daß jemand einen geraubten Schatz statt nach Norden nach Süden schafft. Im Norden liegt Panama, und über Panama gelangt man nach Spanien. Doch Süden, das ist, mit Verlaub gesagt, der Arsch der Welt, da hat man nichts von seinem Reichtum.“
„Richtig“, sagte Esteban Pereda. „Da bin ich ganz deiner Meinung, Amigo Miguel. Auf den Chinchas können wir uns höchstens von der Sonne schmoren lassen und ein paar nackten Indianermädchen nachjagen, aber – angenommen, wir schnappen uns den Schatz – richtig auskosten können wir das neue, sorglose Leben nicht.“
„Das hast du treffend ausgedrückt“, sagte Savedra.
„Moment.“ Casias hob beschwichtigend die Hände. „Es ist euch doch wohl klar, daß wir eine Menge Gras über die Geschichte wachsen lassen müssen, nicht wahr? Auf den Chincha-Inseln sind wir in Sicherheit. Hat sich die allgemeine Aufregung erst gelegt, holen wir den Schatz ab und transportieren ihn auf heimlichen Wegen nach Norden. Ich kenne das Land wie meine Taschen und weiß über jeden Schleichpfad Bescheid.“
Der Steuermann überlegte eine Weile, dann erklärte er: „Ich muß sagen, das klingt eigentlich ganz logisch.“
„Ihr seid also dabei?“ Casias Augen glänzten erwartungsvoll.
Savedra fixierte ihn. „Ja. Aber Vorsicht, mein Freund. Laß dir nicht einfallen, uns übers Ohr zu hauen. Kriege ich heraus, daß du ein doppeltes Spiel mit uns treiben willst, lasse ich dir den Kopf abschneiden, klar?“
„Klar. Ich bin ein ehrlicher Handelsmann, du wirst es sehen.“
Eloy Campoamor räusperte sich. „Augenblick mal. Ich will wissen, wieso diese idiotischen Chincha-Inseln als verhext gelten. Ich meine, bevor wir uns auf das Vorhaben einlassen, müssen wir erfahren, ob was Wahres an dem Gerede der Leute dran ist ...“
Casias vollführte eine wegwerfende Gebärde. „Unsinn, Caballero. Es handelt sich um eine alte Inka-Legende, nichts weiter. Du kannst beruhigt sein, die Inseln werden nur von Seevögeln bewohnt.“
„Also doch keine Indianerweiber“, sagte Esteban Pereda und warf den ausgelassenen Huren im Schankkraum einen sehnsüchtigen Blick zu.
Casias