Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Aufsätze. Thomas Wolfe

Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Aufsätze - Thomas  Wolfe


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zumut sein, wenn Du erfährst, wann und wie sie heimkommt? Da ist sie mit irgendeinem finsteren Scheich bis eins oder zwei im Auto gewesen! Erst gibst Du Dein ganzes Geld für sie aus, und dann buhlt sie bis spät in der Nacht mit irgendeinem x-beliebigen Mannsbild herum. Ja! Geh Du nur und. bette Deinen Kopf an ihre B-b-b-brüste! Sie ist nicht besser als – – aber was weißt Du von Linsen und Bohnen, Du elender Hanswurst? Ja, das ist wahr!! Willst Du vielleicht etwas? Komm nur mit in den Hintergarten, Du Dicktuer! Da werd ich's Dir schon weisen … da! … So! und so!! …und so!! …« Wild stieß er mit den Fäusten zu. Er boxte den Phantom-Lukas zu Boden und sich selber in die Erschöpfung.

      Als Lukas aufs Polytechnikum zog, besaß er ein paar hundert Dollar, die er sich als Agent der Saturday Evening Post erspart hatte. Er nahm sehr wenig Geld von Gant an. Er lebte als Werkstudent, arbeitete als Kellner, warb unter den Studenten für ein Boardinghouse und war Agent der Schneiderfirma, die die »Kippy Kampus Klothes« herstellte. Gant prahlte mit dieser Tüchtigkeit. Die Männer im Städtchen verschoben den Priem im Mund, spuckten und sagten:

      »Der Junge wird's zu was bringen!«

      Lukas arbeitete so hart und schwer, wie nur ein Selfmademan für seine Ausbildung arbeiten kann. Er brachte jedes Opfer. Nur studieren – studieren tat er nicht.

      Auf der Hohen Schule war er ungeheuer, ungemein, außerordentlich beliebt. Seine Mitstudenten beteten ihn geradezu an. Zweimal nach Fußballwettspielen, in denen die Mannschaft des Polytechnikums die Mannschaft der Universität von Georgia schlug, bestieg er einen Leichenwagen und hielt eine ulkige Grabrede auf die geschlagene Universität.

      Aber trotz all dieser Bemühungen saß er zu Ende des dritten Studienjahres immer noch im Anfangskurs, und es bestand alle Aussicht, daß er ewig »Sophomore« bleiben würde.

      Er schrieb Gant einen netten Brief, in dem er das Polytechnikum der Ungerechtigkeit und Geldgier bezichtigte. Dann reiste er nach Pittsburg und fand dort Arbeit bei der Westinghouse Electric Company. Dreimal in der Woche besuchte er einen Abendkursus im Carnegie Institute of Technology. Er schloß Freundschaften.

      Der Krieg war ausgebrochen. Nach einem Aufenthalt von fünfzehn Monaten verließ er Pittsburg und zog nach Dayton, wo er in einer Kesselfabrik, die sich auf die Herstellung von Kriegsmaterial umgestellt hatte, Arbeit fand.

      Von Zeit zu Zeit, im Sommer auf ein paar Wochen, zu Weihnachten auf ein paar Tage kehrte er als Urlauber in den Schoß seiner Familie zurück. Stets brachte er Gant einen Handkoffer voll Bier und Whisky mit. Ja, dieser Lukas war gut gegen seinen Vater.

      XIX

      Eines Nachmittags im Frühsommer lehnte Gant am Geländer der Veranda vor seiner Werkstatt und unterhielt sich mit Jannadeau. Er wurde bald fünfundsechzig; sein großer Körper war zusammengeschrumpft; er ging ein wenig vornübergebeugt. Er sprach nun oft vom Greisenalter; in seinen Tiraden flennte er über seine steife, rechte Hand. In Selbstmitleid aufgeweicht, bezeichnete er sich als den »armen alten Krüppel, der für sie alle sorgen muß«.

      Die Lässigkeit des Alters bekroch ihn. Morgens stand er eine Stunde später auf. Er kam zwar pünktlich in seine Werkstatt, aber dort lag er dann stundenlang auf dem braunen, abgenutzten Ledersofa seines Büros oder schwatzte mit Jannadeau oder mit dem alten Schweinigel Lidell oder mit Cardiac oder mit Fagg Sluder, der sein Vermögen zinsträchtig in zwei großen Geschäftshäusern am Stadtplatz angelegt hatte und die wirtschaftliche Hauptstütze des städtischen Baseballklubs war.

      Negerarbeiter trampten heim, die Gesichter unheimlich weiß von Zementstaub. Die Kutscher und Fuhrleute verzogen sich allmählich. Ein schlampiger Polizist trödelte, sich in den Zähnen stochernd, die Rathaustreppe herunter. Aus hohen vergitterten Fenstern auf der Marktseite des Platzes drang von Zeit zu Zeit das Geheul einer besoffnen Negerin. Das Leben summte langsam wie eine Schmeißfliege.

      Im Westen war Abendrot. Eine kühle, erfrischende Brise kam von den Bergen. Des Abends Hoffnung und Ekstase lagen in der Luft. Langsam pulsierend stieg der dicke Strahl des Springbrunnens, fiel in sich selbst zurück; das Wasser schwappte träge im Becken. Ein Wagen ratterte hell übers Pflaster. Neben dem Feuerwehrschuppen zog der Kleinkrämer Bradley das zeltne Schirmdach vor seinem Schaufenster in die Höhe; das Gewinde knirschte.

      An der anderen Ecke des Stadtplatzes trippelten die jungen Jungfrauen aus dem Ostviertel plappernd und gahlernd nach Hause. Sie erschienen um vier Uhr auf dem Bummel, wandelten die Avenue ein paarmal auf und ab, kauften irgendeine Kleinigkeit, um den Ausgang zu rechtfertigen, und gingen schließlich in die große Drogerie. Das war ihr Klub, ihre Brasserie, das Forum der Geschlechter. Mit selbstsicheren Mienen lösten sich Jünglinge aus ihren Gruppen und schlenkerten mal rüber zu den Tischchen vor der Sodafontäne auf einen kleinen Schwatz mit »ihrer« Lady. Südhimmelblaue Augen blickten keck in lachend graue; hübsche Grübchen wurden tiefer; der süßeste kleine Popo »in dear old Dixie« glitt glatt über poliertes Holz.

      Gant pflegte nun glückselige Stunden im Klatsch mit geilen Lustgreisen zu verbringen. Zotiges, krächzendes Gemecker explodierte wie Kracher auf dem Platz. Am Abend brachte er die neuesten Nachrichten aus der Gosse heim, leckte schlaugrinsend den Daumen und fragte Helene um Bescheid:

      »Na, ich sag's ja, sie ist nicht anders wie 'ne regelrechte kleine Schneppe, was?«

      »Hahaha«, lachte sie, »gelt, das möchtest Du gern wissen?«

      Sein Alter trug ihm Früchte; der Ehrensold für treuen Dienst am Leben wurde ihm entrichtet. Wenn Helene nun abends Freundinnen ins Haus brachte, ließ sie ihn neckisch lachend die Mädchen umarmen. »Na, los, Papa, segne das süße Herzchen! … Du komm her und gib dem Alten 'nen Schmatz!« Er pflanzte stachelige Schnurrbartküsse auf weiße Kehlen, weiche Wangen, volle Lippen; zärtlich betastete er feste, junge Arme; er streichelte die Mädchen mit der guten linken Hand, wiegte sie ein bißchen hin und her. Sie giggelten vor Vergnügen, weil sein Schnurrbart »so ki-ki-kitzelte«.

      »O-oh Mister Gant! Hahahaha!«

      »Dein Vater ist so ein netter Mann«, sagten sie. »Er hat so 'ne liebenswürdige Art.«

      Helene, die diese Umarmungen mit Argusaugen überwachte, lachte heiser-erregt: »Jajaja, Alterchen, das macht Spaß, nicht wahr? Schad, daß es mit Techtelmechteln für Dich aus ist!«

      Gant unterhielt sich mit Jannadeau. Aber seine unsteten Augen wanderten über die Ostecke des Stadtplatzes. Die stattlichen Matronen von Altamont, vom Markt kommend, gingen vorm Haus vorüber. Manche lächelten ihm zu, wenn sie ihn erblickten, und er verbeugte sich tief. So'ne liebenswürdige Art.

      »Der König von England«, bemerkte er, »ist lediglich eine Dekorationsfigur. Er hat nicht annähernd die Macht, die der Präsident der Vereinigten Staaten hat.«

      »Seine Machtbefugnisse sind streng begrenzt«, grunzte Jannadeau, »aber nur durch Herkommen, nicht durch Statut. Tatsächlich gehört er immer noch zu den Monarchen, die sehr viel zu sagen haben.«

      Mit schwarzen Pfoten tüftelte er in einem Uhrwerk herum.

      Die unsteten Augen hefteten sich aufmerksam auf eine elegante, vornehme Erscheinung. »Queen« Elizabeth, die Bekannte, die Besitzerin des Freudenhauses in Eagle Crescent, ging draußen vorbei. Sie lächelte verbindlich. Ihre klaren Augen verweilten ein wenig auf den glatten Marmorplatten, den Lämmern, den Cherubim. Gant verbeugte sich tief.

      »Guten Abend, Madam«, sagte er.

      Sie ging weiter. Einen Augenblick später kam sie entschlossen zurück und stieg die breite Freitreppe zur Veranda hinauf. Gants Puls ging schneller, als er sie kommen sah. Zwölf Jahre.

      »Wie geht's, Madam?« erkundigte er sich galant. »Wahrhaftig, Elizabeth, gerade hab ich zu Jannadeau gesagt, daß keine Frau im Städtchen sich besser anzieht als Sie.«

      »Nett von Ihnen, Mister Gant«, sagte sie in ihrer kühlen, ruhigen Stimme.

      Sie grüßte Jannadeau mit einer liebenswürdigen Kopfneigung. Er schlenkerte sein mächtiges Haupt mit der zerklüfteten Stirn gegen sie und murmelte einen verbindlichen Gruß.

      »Wirklich, Elizabeth«, sagte Gant, »Sie haben sich in den letzten fünfzehn Jahren kein bißchen verändert. Keinen Tag sind Sie älter geworden.«

      Erfreut


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