Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Aufsätze. Thomas Wolfe

Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Aufsätze - Thomas  Wolfe


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dorthin gehn«, sagte sie.

      »Wohin?«

      »Ei, zur Marinestation! Wir haben uns doch verabredet!«

      »Verflucht die ganze Marinestation«, murrte er. »Ich möcht' lieber schlafen.«

      »Ich auch«, gestand sie und gähnte üppig. Sie reckte die vollen Arme. »Ich bin so müd, daß ich mich überall ausstrecken und schlafen könnte.« Sie sah vielsagend auf das Bett.

      Auf der Stelle war er ganz wach, sinnlich gespannt.

      Er stützte sich auf den Ellenbogen, das Blut schoß ihm heiß zu Kopf, sein Puls ging schwer.

      »Wir sind ganz allein hier oben«, sagte Louise lächelnd. »Wir haben das ganze Stockwerk für uns.«

      »Warum legen Sie sich nicht nieder und schlafen, wenn Sie noch müde sind?« fragte er. »Ich werde Sie rechtzeitig wecken«, fügte er ritterlich-zärtlich hinzu.

      »Ich hab so ein kleines Zimmerchen. Heiß und muffig. Deswegen bin ich aufgestanden«, sagte Louise. »Was für ein großes Zimmer Sie hier haben!«

      »Ja«, sagte er, »und so ein feines, großes Bett.«

      Sie schwiegen eine Weile.

      »Wirklich, Louise, warum legen Sie sich nicht einfach hier hin und schlafen?« sagte er leis. Seine Stimme war nicht sehr fest. »Ich werde aufstehn!« Er richtete sich hastig auf. »Und ich werde Sie dann wecken.«

      »Ach nein«, meinte sie. »Das wäre wohl nicht ganz recht.«

      Sie schwiegen wieder. Sie sah bewundernd seine jungen, mageren Arme an.

      »Ich wette, daß Sie stark sind!« bemerkte sie.

      Männlich warf er sich in die Brust und beugte seine langen flechsigen Arme.

      »Oh!« sagte sie. »Wie alt sind Sie eigentlich, Eugen?«

      Er war gerade fünfzehn.

      »Im sechzehnten«, sagte er. »Und Sie, Louise?«

      »Achtzehn«, sagte sie. »Ich möchte wetten, daß Sie ein rechter Herzensbrecher sind, Eugen. Wieviel Schätze haben Sie?«

      »Ach, – ich weiß nicht –, nicht viele«, sagte er. Das war nur allzu wahr.

      Er wollte zu ihr reden, wollte Verführerisches, Erregendes, Schlimmes zu ihr sagen. Er wollte ganz beiläufig und sachlich im ernstesten, trockensten Ton der Welt die erotischen Anspielungen machen.

      »Gelt?« sagte sie, »Sie mögen sicher nur hochgewachsne Schlanke? Ein so großer Bursch wie Sie macht sich doch wohl nichts aus so einer Kleinen wie mir etwa, nicht wahr? Aber die Gegensätze sollen sich ja anziehen … Man weiß eben nie, nicht wahr?«

      »Aus den langen Latten mache ich mir gar nichts«, sagte Eugen. »Nichts wie Haut und Knochen. Mir gefallen Mädchen in Ihrer Größe. Wenn sie gut gebaut sind, natürlich.«

      »Bin ich gut gebaut, Eugen?« fragte Louise und reckte die Arme hoch.

      »Ja, schön sind Sie gebaut, fein sind Sie gebaut, Louise«, sagte Eugen ernst. »Ganz so, wie ich es mag.«

      »Aber ich hab kein hübsches Gesicht, ich bin häßlich«, behauptete sie herausfordernd.

      »Das ist nicht wahr. Sie sind nicht häßlich. Sie haben ein sehr hübsches Gesicht«, erklärte Eugen bestimmt. »Aber das Gesicht macht für mich gar nicht so viel aus«, fügte er dann spitzfindig hinzu.

      »Was entscheidet eigentlich bei Ihnen, Eugen?« fragte Louise.

      »Schöne Beine«, sagte er. »Eine Frau muß unbedingt schöne Beine haben. Die schönsten Beine, die ich je sah, hatte eine Mulattin.«

      »Schöner als meine?« fragte Louise leichtfertig lachend.

      Sie schlug die Beine übereinander und zeigte ihre seidenbestrumpften Fesseln.

      »Ich weiß nicht, Louise«, sagte er mit kritischem Blick. »Ich sehe nicht genug.«

      »Sehen Sie so genug?« Sie zog ihren engen Rock über die Wade.

      »Nein«, erklärte Eugen.

      »So?« Sie zog den Rock übers Knie und zeigte ihm den vollen Oberschenkelansatz. Sie trug seidne Strumpfbänder mit roten Rosetten. Sie streckte die kleinen Füße aus, die Zehen keusch einwärts gedreht.

      »Fein!« sagte Eugen und starrte mit großem Interesse die Strumpfbänder an. »Hübsche Strumpfbänder haben Sie da. So hübsche hab ich noch nie gesehn.« Er schluckste laut. »Tun die Dinger nicht weh, Louise?«

      »Wie?« sagte sie, als stünde sie vor einem Rätsel. »Wieso denn?«

      »Schneiden sie nicht ins Fleisch?« erklärte er. »Meine schneiden nämlich, wenn ich sie zu eng straffe.«

      Er zog ein Hosenbein hoch und zeigte den jungen dünnbehaarten Unterschenkel mit dem Sockenhalter.

      »Seh'n Sie?«

      Louise sah. Sie prüfte das Gummiband des Sockenhalters mit ihrer weichen Hand.

      »Meine tun nie weh«, sagte sie und ließ ihr Strumpfband schnappen. »Seh'n Sie?«

      »So«, sagte er und zupfte das Strumpfband mit zitterndem Finger. »Ja, es stimmt«, sagte er. Seine Stimme war ganz unsicher.

      Ihr junger Leib rundete sich ihm schwer entgegen, ihr warmes, junges Gesicht blickte blind in seines. Er war ganz trunken im Kopf; linkisch küßte er sie auf die offnen Lippen. Sie sank in die Kissen. Er küßte sie auf die Augen, auf den Mund; er bedeckte ihr Gesicht, ihren Hals mit Küssen, mit trocknen, plumpen Küssen. Er versuchte, ihre Bluse am Hals aufzunesteln, aber seine Hand zitterte zu sehr. Mit schlaftrunkner Gebärde löste sie die Hefthaken. Er hob sein fieberrotes Gesicht ihr zu.

      »Louise, süß bist Du, Louise, süß …«, flüsterte er leidenschaftlich. Er wußte kaum, was er sagte.

      Sie fuhr ihm mit den Händen in die Locken, zog seinen Kopf an ihre Brüste, stöhnte leis, als er sie küßte, riß ihn an den Haaren. Er umfaßte sie mit den Armen, preßte sie an sich. Sie verschlangen einander mit jungen, feuchten Küssen, unersättlich, unglücklich, gierig in dem Wunsch, in dieser Umarmung zusammenzuwachsen. Er war wirr und von Sinnen vor Leidenschaft, unfähig, seiner Glut Herr zu werden. Er hörte die ungeschrieenen Schreie der Lust, spürte die wilde, würgende Ekstase des Unerlöstseins. Er sprach heiser zu ihr, gierig, benommen: er hörte selbst nicht, was er sprach:

      »Willst Du mich haben? Louise! Willst Du mich haben?«

      Sie preßte sein Gesicht an ihres, murmelte schlaftrunken: »Tu mir nicht weh Eugen, tu mir nicht weh. Du weißt, wenn was passierte …«

      Er klammerte sich an den Strohhalm.

      »Ich will Dich ja nicht verführen, nein, nein, Louise, nicht der erste sein. Ich hab noch nie ein Mädchen entjungfert«, schwatzte er. Er war sich verworren bewußt, daß er sich da zu einem ritterlichen Grundsatz bekannte. »Du mußt mir das offen sagen, weißt Du, Du mußt. Ich mag ein schlechter Kerl sein, aber das! Das brächte ich nicht fertig. Hörst Du?« Seine Stimme war schrill, heiser; sein Gesicht zuckte; er konnte kaum weiter sprechen.

      »Louise! Bin ich der erste oder nicht? Sag doch! Du mußt es sagen. Warst Du schon einmal mit einem Mann zusammen?«

      Sie blickte ihn trag an. Sie lächelte.

      »Nein«, sagte sie.

      »Ich mag schlecht sein, aber das kann ich nicht.«

      Er verlor die Sprache, stammelte, schnappte nach Luft, sein Gesicht zuckte, er suchte nach Worten.

      Sie richtete sich plötzlich auf, schloß ihn tröstend in ihre warmen Arme, streichelte ihn. Sie zog seinen Kopf an ihre Brust.

      »Ich weiß es ja, Lieber, ich habs ja gewußt, daß Du mir nichts antun würdest. Ach wie aufgeregt Du bist. Komm, komm, sei doch ruhig. Du zitterst ja wie Espenlaub. Du bist so nervös, ein Nervenbündel bist Du, jaja …«

      Er weinte lautlos an ihrer Schulter.

      Er wurde ruhiger. Sie lächelte, küßte


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