Dr. Norden Jubiläumsbox 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
»Wenn du nicht sofort aufhörst, ist es gleich vorbei mit der Genialität«, keuchte sie.
Augenblicklich ließ Teresa von ihrer Mutter ab und lachte ihr offen ins Gesicht. Eine Weile standen die beiden Frauen voreinander und sahen sich an. Nach und nach verschwand das Lachen von beiden Gesichtern.
»Das wäre wirklich ganz schrecklich, wenn dir was zustoßen würde«, gestand Teresa endlich. Ihre Miene zeugte davon, wie ernst es ihr damit war. »Ich habe dich schon immer für deine Kreativität bewundert und möchte mehr von dir lernen. Deshalb habe ich beschlossen, meine Stelle zu kündigen und zurückzukommen.«
Das war fast die schönste Nachricht, die sich Charlotte vorstellen konnte.
»Davon träume ich schon, seit du aus dem Reisebüro ausgestiegen bist«, stammelte sie und suchte verzweifelt in ihren Taschen nach einem Taschentuch. Dankbar griff sie nach der Packung, die Teresa ihr reichte. »Du willst wirklich zurückkommen?«
»Ja, das will ich. Ich habe alles schon genau geplant und...« Teresa hielt inne, als Charlotte mahnend die Hand hob und sie mit dieser Geste zum Schweigen brachte.
»Du darfst zurückkommen. Aber nur unter einer Bedingung«, erklärte sie überraschend streng.
Fast sofort wurde Teresa wieder misstrauisch. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Beziehung wieder gefestigt genug war, um neue Stürme unbeschadet überstehen zu können.
»Ach ja?«, hakte sie deshalb mit schmalen Augen nach. »Und die wäre?«
Nur mit Mühe konnte sich Charlotte ein belustigtes Lachen verkneifen.
»Du wirst Chefin!«
Weder Charlotte noch Teresa hatten diese Worte ausgesprochen. Einen Moment lang starrten sich die beiden Frauen verdutzt an. Dann wandten sie sich gleichzeitig dem Mann zu, wegen dem sie sich hier getroffen hatten.
Bernhard lag noch immer mit geschlossenen Augen im Bett. Doch etwas in seinem Gesichtsausdruck hatte sich verändert.
»Bernhard?«, fragte Charlotte, und vor Aufregung schlug ihr Herz schneller in ihrer Brust.
»Papa?«, fragte auch Teresa, als ein feines Lächeln um die Lippen des Patienten zuckte.
»Charly … Tessa!« Seine Stimme war rau und schleppend. Aber das spielte in diesem Augenblick keine Rolle. »Meine Frauen.«
»Jawohl, deine beiden Frauen«, seufzte Charlotte, überwältigt vor Glück und Liebe. »Da staunst du, was?«
Teresa beugte sich über die Schulter ihrer Mutter und strahlte ihren Vater an, der in das helle Licht des Tages blinzelte.
»Es gibt tolle Neuigkeiten, Papa«, verkündete sie strahlend. »Du wirst stolz auf uns sein.«
*
Die Wochen vergingen, und es wurde Zeit für Leons Aufbruch nach Australien. Weder Anneka noch der Tennisspieler selbst hatte es gewagt, das Thema Thailand anzuschneiden, um die Harmonie der wenigen gemeinsamen Stunden nicht zu stören. So verging die Zeit wie im Flug, und schließlich stand der Abschied kurz bevor.
»Ich will nicht, dass du morgen mit zum Flughafen kommst!«, erklärte Leon seiner Freundin am Telefon. »Sonst bleibe ich am Ende noch hier. Darf ich dich heute Abend zum Essen einladen?«
Annekas Kehle war wie zugeschnürt, sodass sie nicht mehr sprechen konnte. Flüsternd brachte sie nur ein »ja, ja« heraus, als er vorschlug, sich gegen acht wieder in ihrem Bistro zu treffen.
Nach dem Telefonat duschte sie und machte sich so perfekt wie möglich zurecht. Allmählich war es draußen wärmer geworden, und der Frühling schickte erste Vorboten. So beschloss Anneka, eine der hübschen dünnen Blusen anzuziehen, die sie mit Tatjanas Hilfe für Thailand gekauft hatte.
»Mit einer Jacke drüber werd ich schon nicht erfrieren«, stellte sie fest, als sie sich zufrieden vor dem Spiegel hin und her drehte. Dann ging sie wieder ins Bad, um sich dezent zu schminken und die nassen Haare zu föhnen.
»Wow, meine Verehrung, Majestät!«, rief Felix theatralisch, als sie die Treppe hinunter kam. Dabei machte er eine übertriebene Verbeugung. »Aber findest du es nicht ein bisschen übertrieben, dass du deine Gesundheit für einen Mann riskierst?« Sein besorgter Blick ruhte auf der dünnen Bluse, die Annekas schlanke Figur wie eine zweite Haut umschmeichelte.
Überrascht und gerührt angesichts der brüderlichen Fürsorge wurde Anneka rot.
»Das ist ja lieb, dass du dir Sorgen um mich machst. Aber keine Angst, ich zieh noch was drüber.«
»Dann ist es ja gut. Du musst nämlich gut auf dich aufpassen, weil du mir mit Elena helfen musst«, erwiderte Felix augenzwinkernd und flüchtete frech lachend, als Anneka schnaubte und die Hand in seine Richtung hob.
»Und ich dachte schon, du hättest dich geändert«, rief sie ihm kopfschüttelnd nach.
»Warum denn? Du liebst mich doch so, wie ich bin«, gab er zurück, und Anneka musste lachen.
»Dein Selbstbewusstsein hätte ich gern«, erklärte sie. »Und weil ich dich so liebe, darfst du mich gerne zum Bistro fahren«, gab sie ihrem Bruder zu verstehen, dass sie durchaus lernfähig war.
Grinsend erklärte sich Felix einverstanden, und eine Viertelstunde später verabschiedete sie sich mit einem Wangenkuss von ihm. Leon erwartete sie schon im Bistro. Als seine Freundin auf ihn zukam, wurde er blass. Er rutschte vom Barhocker und ging ihr entgegen.
»Großer Gott, du siehst fantastisch aus!« Er umarmte sie und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Sämtliche Kerle werden dir nachlaufen in Thailand. Diesen Gedanken halte ich nicht aus, Anneka. Ich bin rasend eifersüchtig. Wenn du nur mit mir kommen würdest …«
Es schien, als würde er sich jedes Wort einzeln von den Lippen reißen, und augenblicklich schmolz Anneka dahin wie Schnee in der Sonne.
Es wurde ein wunderschöner, melancholischer Abend. Das junge Paar saß in einer schummrigen, nur mit Kerzen beleuchteten Ecke des Bistros und fütterte sich gegenseitig mit Pizza-Häppchen.
»Du wirst mir wahnsinnig fehlen«, erklärte Leon irgendwann wehmütig. Während er Anneka sinnend betrachtete, drehte er sein Glas in den Händen. »Es tut mir leid, dass ich dich neulich mit meinem Vorschlag so überfahren habe«, gestand er schließlich mit rauer Stimme. »Und ich kann verstehen, dass du dich so entschieden hast. Im umgekehrten Fall hätte ich es wahrscheinlich genauso gemacht.«
Um ein Haar wäre Anneka in Tränen ausgebrochen, so sehr berührte sie sein Geständnis, seine Einsicht. Gleichzeitig war sie so erleichtert und glücklich wie selten zuvor.
»Oh, Leon, das ist das schönste Abschiedsgeschenk, das du mir machen kannst«, schniefte sie und hatte Angst, dass ihre Wimperntusche verlaufen könnte. Verlegen lachend betupfte sie die Augen vorsichtig mit der Ecke des Papiertaschentuchs, das Leon ihr zuvorkommend reichte. Als sie wieder klar sehen konnte, bemerkte sie das schelmische Grinsen auf seinem Gesicht.
»Ich hab aber noch ein Abschiedsgeschenk für dich«, verkündete er und weidete sich an ihrer Überraschung.
Wenn möglich, begann Annekas Herz in diesem Moment noch schneller zu schlagen, und sie sah ihn aus großen, erwartungsvollen Augen an.
»Und welches?«
Leon antwortete nicht sofort. Er schob die leer gegessenen Teller zur Seite und griff über den Tisch hinweg nach Annekas Händen. Eine Weile sah er ihr tief in die Augen, bis Anneka meinte, es keine Sekunde länger aushalten zu können.
»Ich werde dich in Thailand besuchen!«, ließ er endlich die Katze aus dem Sack.
Ein leiser Freudenschrei entkam Annekas Lippen, und sie sprang vom Barhocker, um Leon stürmisch zu umarmen.
»Wann hast du dir denn das ausgedacht?«, fragte sie dicht an seinem Ohr.
»Och, eigentlich war mir das schon klar, als du den Vorschlag gemacht hast«, gestand er lächelnd und