Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher
beiden Freundinnen gingen in ihre Zimmer hinauf. Nach einer ausgiebigen Dusche trafen sie sich auf dem Balkon. Von hier aus hatten sie einen herrlichen Blick auf die Berge und nach Westen, wo langsam die Sonne am Horizont versank.
»Ich freu’ mich schon auf morgen«, sagte Jenny.
»Hm«, nickte Lucie, »ich auch.«
»Und gespannt bin ich auf den jungen Mann, von dem Pfarrer Trenker erzählt hat’, setzte Jenny hinzu.
Lucie schaute sie an.
»Ich denke, das Kapitel Männer ist abgeschlossen«, sagte sie. »Oder vielleicht doch nicht?«
Die blonde Lehrerin schmunzelte.
»Man soll niemals nie sagen…«
»Mal ehrlich, Michael Winter hat dir doch ganz gut gefallen, oder?«
Jenny schürzte die Lippen.
»Sagen wir mal, er ist nett«, meinte sie.
Dabei hatte sie ihren Kopf allerdings abgewendet, denn daß dieser junge Mann, der ihr Lebensretter geworden war, ihr nicht mehr aus dem Kopf ging, wollte Jenny eigentlich nicht wahrhaben. Doch es war wie verhext, seit er sich verabschiedet hatte und zu seinen Freunden zurückgekehrt war, dachte sie ununterbrochen an ihn.
»Vielleicht siehst du ihn ja wieder«, riß Lucie sie aus ihren Gedanken.
»Wie kommst du denn darauf?«
»Na ja, wenn die Gruppe auch hier im Ort wohnt.«
Jenny zuckte die Schultern und hoffte, daß es möglichst gleichgültig aussah.
»Von mir aus. Dann kann ich mich ja noch mal bei ihm bedanken«, sagte sie.
Und ihr klopfendes Herz strafte ihre scheinbare Gleichgültigkeit Lügen…
Lucie schaute auf die Uhr.
»Laß uns mal sehen, wie weit Ria mit dem Essen ist«, schlug sie vor. »Und dann sollten wir wirklich sehen, daß wir früh ins Bett kommen. Die Nacht dürfte kurz genug werden, und morgen wird es ein langer Tag.«
Die Pensionswirtin hatte den Tisch auf der Terrasse gedeckt. Ihr Kühlschrank war doch reichlicher gefüllt gewesen, als sie vermutet hatte. Jetzt brachte sie eine große Schüssel heraus, aus der es verlockend duftete. Lucie hob schnuppernd die Nase.
»Lecker!« rief sie.
Auch Jenny machte ein verzücktes Gesicht, als sie den Inhalt der Schüssel sah.
»Geschnetzeltes!«
»Und dazu gibt’s Kartoffelrösti«, sagte Ria, die noch eine Platte in den Händen hielt.
Drauf lagen flache, goldgelbe Kuchen aus geraffelten Kartoffeln, die Ria Stubler in einer großen schwarzen Eisenpfanne groß gebraten hatte.
Die Wirtin hatte auch noch einen frischen Salat angerichtet, und nun saßen sie zu dritt im milden Schein der Abendsonne und ließen es sich schmecken.
Das zarte Schweinefilet war von Ria in dünne Streifen geschnitten und angebraten worden. Mit Salz und Pfeffer wurde gewürzt und schließlich mit Sahne aufgegossen. Ein paar getrocknete Pilze gaben ein zusätzliches Aroma, und die Rösti schmeckten einfach köstlich dazu.
»Prost«, sagte Ria und hob ihr Glas. »Darauf, daß noch mal alles gutgegangen ist, und daß ihr morgen einen schönen Tag habt.«
Auch wenn frühes Schlafengehen angesagt war, so hatte sich die Sonne längst verabschiedet, als die Freundinnen endlich in ihren Betten lagen.
Jenny schloß die Augen und sah Michaels Gesicht vor sich, und Lucie schrak zusammen, als sie merkte, daß sie seit geraumer Zeit an einen Mann dachte, den sie eigentlich im Urlaub hatte vergessen wollen. Aber so sehr sie sich auch bemühte, Axel Kremer begleitete sie in ihren Schlummer hinüber…
*
Auch im Pfarrhaus ging man an diesem Abend früher als sonst schlafen. Axel hatte den Nachmittag damit verbracht, ein paar Ansichtskarten zu kaufen, die er unbedingt schreiben und abschicken mußte. Ansonsten saß er im Pfarrgarten und las in einem Buch, das schon lange darauf wartete, endlich zur Hand genommen zu werden. Im Urlaub fand er endlich Zeit und Muße dazu.
Nach dem Abendessen saßen Pfarrer Trenker und sein junger Gast noch einen Moment zusammen, bevor sie sich eine gute Nacht wünschten.
Während Axel recht schnell einschlief – allerdings nicht, ohne vorher an Lucie gedacht zu haben – und von der hübschen Lehrerin träumte, lag Sebastian noch eine Weile wach und dachte über den vergangenen Tag nach…
Der Besuch bei Ottfried Meerbauer hatte erfreulicherweise gezeigt, daß es dem Bischof wirklich wieder viel besser ging. Indes mußte er sich schon ein paar Vorwürfe anhören.
»Ich weiß«, winkte der Vorgesetzte des Bergpfarrers ab, »und du hast ja völlig recht, natürlich hätt’ ich mich nicht auf den Tee vom Brandhuber verlassen dürfen.«
Schuldbewußt blickte er Sebastian an.
»Aber ob du’s nun glaubst oder nicht – das Zeug hat wirklich geholfen…«
Der gute Hirte von St. Johann schüttelte den Kopf.
»Hat es net«, widersprach er. »Sonst hättest net an dem Sonntag diesen Rückfall gehabt. Nur gut, daß Pater Antonius so umsichtig gehandelt, und dich gleich ins Krankenhaus gebracht hat.«
Sebastian sah den Bischof forschend an.
»Aber nun sag’, die Operation hast’ überstanden und du schaust auch längst net mehr so elend aus, wie bei meinem letzten Besuch hier, aber wie geht’s dir denn nun wirklich?«
Sie saßen in den Privaträumen des Oberhirten, eine Nonne hatte Tee und Gebäck serviert, und Ottfried Meerbauer saß behaglich in seinem Sessel und strahlte Zufriedenheit aus.
»Wie du schon sagst«, antwortete er, »die Operation ist gut verlaufen, und wenn ich mich noch ein wenig schone, dann besteht keine Gefahr, sagt der Doktor.«
»Aber Diät mußt’ halten.«
Das Gesicht des Bischofs betrübte sich ein wenig.
»Na ja, Ente in Orangensauce ist jedenfalls vorläufig von der Speisenkarte gestrichen.«
Das Bedauern war aus seinen Worten deutlich herauszuhören…
»Ach, es gibt so herrliche Gerichte, die zu einer Diät passen«, schmunzelte Sebastian. »Schwester Agathe wird sich da schon was einfallen lassen.«
Die beiden Männer unterhielten sich noch eine Weile, dann verabschiedete sich der Bergpfarrer wieder. Er wollte den ersten Besuch bei Ottfried Meerbauer, nach dessen Genesung, nicht zu lange ausdehnen.
Die Unterhaltung mit Axel Kremer verlief indes nicht weniger interessant. Sebastian hatte nach dem Abendessen das Gespräch auf die morgige Tour gebracht und dabei die Freundinnen erwähnt, die mitkommen wollten. Als der junge Lehrer den Namen Lucie Berg hörte, schluckte er. An diese Möglichkeit des Zusammentreffens hatte er überhaupt nicht gedacht.
Nachdenklich saß er auf seinem Stuhl und starrte in die Luft.
»Ich hoff’ doch, daß du nix dagegen hast«, sagte Sebastian, der den Ausdruck im Gesicht seines Gastes falsch deutete.
»Nein, nein«, beeilte sich Axel, zu versichern. »Ganz im Gegenteil. Es ist nur so, daß ich eine der beiden kenne…«
Der Bergpfarrer fiel aus allen Wolken, als er dann hörte, daß Axel und Lucie an derselben Schule arbeiteten.
»Ich hab’ überhaupt net daran gedacht, daß ihr aus dem selben Ort kommen könntet«, schüttelte er den Kopf. »Und schon gar net, daß ihr zusammenarbeitet.«
Er sah Axel forschend an.
»Und es ist wirklich ein Zufall, daß ihr beide zur selben Zeit hier Urlaub macht?«
»Ja«, nickte Axel Kremer.