Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
trat, winkte ihm der General, sich ruhig zu verhalten und auf die Gräfin deutend, welche auf einem Bund Stroh, den Kopf auf einen umgestülpten Feldkessel eingeschlafen war, sprach er:
»Sehen Sie an, können Sie sich ein schöneres Weib denken?«
So groß auch Potemkin’s Freude über den Sieg bei Kinburn war, so empfand er doch etwas wie Neid gegen Suwarow. Er beglückwünschte ihn in den schmeichelhaftesten Ausdrücken, aber er zog mehrere Regimenter seines Corps, darunter auch jenes der Gräfin Soltikoff, an sich, um Suwarow jene weitere Unternehmung unmöglich zu machen. Der Sieger von Kinburn war auf diese Weise den ganzen Sommer über verurteilt, die türkische Landarmee zu beobachten, während Potemkin im Juli 1788 die Belagerung der am schwarzen Meere gelegenen Festung Otschakoff begann. Die Belagerung machte indes nur wenig Fortschritte, die Beschießung belästigte die Türken bei weitem nicht so, als die Russen von der beispiellosen Hitze litten, und als endlich im Lager die Pest ausbrach, schien der so glücklich begonnene Feldzug eine unerwartet ungünstige Wendung nehmen zu wollen.
Der Winter setzte zwar der furchtbaren Seuche, welche die Reihen der Russen dezimiert hatte, Grenzen, aber dafür stellte sich jetzt, als eine natürliche Folge der ungenügenden Vorkehrungen Potemkin’s, der Hunger ein.
Da, als die Not am größten war, sendete Potemkin den General Hahn ab, um das Kommando des Corps zu übernehmen, das am Bug stand, und berief Suwarow zu sich.
Der General staunte, als er den Zustand der Truppen und der Belagerungsarbeiten sah und andererseits den prächtigen Holzpalast, den sich Potemkin im Lager erbaut hatte, und welcher, gleich jenem zu Cherson, durch die schönen Frauen in Prachtpelzen, die denselben belebten, mehr einem Serail als einem Hauptquartier glich.
Während die Soldaten froren und hungerten, gab es hier Feste, Schlittagen, Bälle und Konzerte, welche jenen in St. Petersburg nichts nachgaben. In einem Saale war ein kleines Theater aufgestellt, auf dem die reizende Polin Potozka, die Gräfin Münnich und eine echte Pariserin, Frau von Monsigny, auch eine der Favoritinnen Potemkin’s, im Verein mit einigen französischen Offizieren, französische Komödien aufführten.
Suwarow nahm das ihm angebotene Quartier in diesem Feentempel nicht an, sondern ließ sich ein Zelt mitten unter seinen Soldaten aufschlagen und bettete sich, gleich ihnen, auf Stroh.
So fand ihn am nächsten Morgen die Gräfin. Er lag in seiner Uniform, mit seinem alten Schafpelz zugedeckt, auf seinem spartanischen Lager und studierte einen Plan. Als er die schöne Frau erblickte, welche unerwartet, in ihrem kostbaren Zobelpelz, majestätisch wie eine Herrscherin, vor ihm stand, sprang er auf und streckte ihr herzlich beide Hände entgegen. »So früh auf?« rief er staunend.
»Gewiß!« entgegnete lächelnd die Gräfin. »Ich gehöre nicht zu den Odalisken Potemkin’s, die noch am prasselnden Kamin und in ihren Schlafpelzen der Frost schüttelt. Ich bade täglich, wie unsere Soldaten, im Schnee und das erhält frisch und gesund.«
»Und schön!« fügte Suwarow hinzu.
Die Gräfin schien von seiner Galanterie keine Notiz nehmen zu wollen.
»Nun, was sagen Sie zu unserer Situation?« fuhr sie, mit seiner Ironie um die blühenden Lippen, fort?
»So kommen wir nicht vorwärts,« murmelte Suwarow, »an eine Bresche ist nicht zu denken. Es bleibt nichts übrig, als einen allgemeinen Sturm zu wagen.«
»Sie wissen, General, daß Potemkin sich dazu nicht entschließen wird.«
»Er wird sich entschließen müssen.«
»Aber Sie erfrieren uns ja, Suwarow,« rief plötzlich die schöne Frau, »Sie haben kein Bett, ja nicht einmal einen Pelz!«
»Doch!« Der General zeigte lächelnd auf seinen alten Bauern-Schafpelz. »Dies und meine Uniform, das ist meine ganze Garderobe, und auf diesem Stroh schlafe ich ebenso sanft wie Sie in Ihren Eiderdaunen. – Aber, um uns noch einmal mit dem Krieg zu beschäftigen, dieser Potemkin versteht so viel von einer Belagerung wie Sie, Madame!«
Die Gräfin drohte Suwarow mit dem Finger.
»Nun, ich würde immerhin lieber unter Ihrem Kommando stehen, Gräfin, als unter dem seinen;« beeilte er sich hinzuzusetzen.
»Nun kommen Sie aber mit mir, General,« rief die schöne Amazone, »wir wollen unsere Batterien besuchen und dann zusammen frühstücken.«
Suwarow verließ mit der Gräfin sein Zelt und machte Miene, respektvoll einen Schritt entfernt neben ihr zu gehen.
»Nicht so, Ihren Arm!« befahl sie mit einem Blick, der unbedingten Gehorsam verlangte.
»Was werden die Soldaten sagen, wenn ich mit einer Dame –«, erwiderte Suwarow.
»Sie gehen mit keiner Dame, keiner Favoritin,« schnitt ihm die Gräfin das Wort ab, »sondern mit einem Kameraden, der Pulver gerochen hat!« Damit nahm sie, ohne weiter zu fragen, seinen Arm, und sie schritten durch die Zeltstadt, ein seltsames Paar, der schwächliche Mann in der armseligen Uniform und die große, schöne Frau im fürstlichen Pelz, die seidene Schleppe weit im Schnee nachschleifend.
*
Die türkischen Generäle in der Festung, welche durch Spione und Überläufer über die Lage der Russen wohl unterrichtet waren und täglich Feenmärchen von den schönen Sultaninnen und Amazonen hörten, mit denen sich Potemkin umgeben hatte, entschlossen sich endlich zu einem nächtlichen Ausfall, in der Absicht, die Belagerungsarbeiten zu zerstören, oder doch mindestens sich in der allgemeinen Verwirrung der russischen Houris zu bemächtigen. Vorher sendeten sie einen Parlamentär ab, um den Russen den Glauben beizubringen, die Festung sei unhaltbar und nahe daran, sich zu ergeben.
Mit dieser Mission wurde der Sagardschi-Pascha, der Kommandant der 64. Dschemaat (Regiment) der Janitscharen, der sogenannten Spürhundswächter (Sagardschi) betraut.
Der Zufall wollte, daß an dem Tage, wo er sich unter dem Schutze der weißen Fahne, den russischen Linien näherte, das Regiment Simbirsk die Vorposten bezogen hatte.
Die Gräfin Soltikoff empfing den Parlamentär in ihrem prachtvollen Zelte, das viel mehr einem eleganten Damenboudoir, als der Wohnung eines Obersten glich, und da es noch früh am Morgen war, im reizendsten Frauengewande. Der Türke staunte das schöne Weib, das in einem reich mit schwarzem Zobel besetzten Negligee von weißem Atlas unverschleiert und halb liegend auf einem Divan saß, und dessen wie Gold schimmerndes Haar, nur von einem weißen Bande gehalten, über ihre üppigen Schultern herabfloß, sprachlos an, dann neigte er sich, die Arme auf die Brust gekreuzt, demütig vor ihr. Er hielt sie nämlich, ihrer Toilette nach, welche an den Amtspelz des Großveziers mahnte, für eine Art weiblichen Großvezier der Russen, um so mehr, als auf seine Frage, wo der Kommandant sei, die Gräfin sich als denselben bezeichnet hatte.
Auch der Sagardschi-Pascha war ein Mann von seltener blendender Schönheit, welche durch seinen prächtigen schwarzen Bart und seinen reichen Anzug, das weite rotseidene Beinkleid, die Weste von Goldstoff, den grünsamtenen Zobelpelz und den Turban mit dem Reiherbusch auf brillantenem Stiel, nicht wenig erhöht wurde.
Einen Augenblick standen sich das schöne Weib und der schöne Mann, beide gewohnt und beide wert, Sklaven zu ihren Füßen zu sehen, schweigend gegenüber, dann brachte der Türke seinen Auftrag vor. Er bot die Uebergabe der Festung an, verlangte aber für die Besatzung freien Abzug, mit Waffen und klingendem Spiel.
Die Gräfin erwiderte, man werde am folgenden Tage dem Kommandanten Antwort geben.
»Ich hoffe, Ihr nehmt die Übergabe nicht an,« sagte der Pascha dann, dessen dunkle Augen ohne Unterbrechung mit verzehrender Glut auf der schönen blonden Nordländerin ruhten.
»Und weshalb?«
»Weil Du das schönste Weib bist, das ich je gesehen habe,« sprach der Pascha, »und ich, wenn der Kampf fortgesetzt wird, meinen Kopf dafür wage, daß Du, ehe der Mond voll wird, meinen Serail schmückst, weiße Rose im Garten des Paradieses!«
Die Gräfin lachte. »Und wenn das umgekehrte geschieht, wenn Du in meine Hände fällst, Muselmann, was glaubst