Reisen im Kongogebiet. Richard Buttner

Reisen im Kongogebiet - Richard  Buttner


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Reiseberichte sind immer auch Dokumente der Zeit, in der sie entstanden. Autoren bedienen sich der Ausdrucksweise und der Sprache ihrer eigenen Epoche und vertreten deren Wertesystem. Reiseberichte sind damit also immer wichtige historische Quellen, zugleich aber reine Lesetexte, die zur Zeit ihrer Entstehung wie auch heute noch ihr Publikum fanden und finden. So hat Richard Büttner sein Reisetagebuch schon bald nach seiner Rückkehr überarbeitet und in ein literarisches Gewand gebracht, das 1890 unter dem Titel »Reisen im Kongolande« erschien. Dabei beweist die hohe Anzahl an ähnlichen Publikationen, dass es damals ein großes Interesse an solchen Werken gab, die über fremde Menschen, Länder und Gebräuche berichteten – Texte, die es wert sind, auch heute noch gelesen zu werden.

      Lars Hoffmann, Mainz

       Weiterführende Literatur:

      W. BAUMGART, Europäisches Konzert und Nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830–1878. 2., ergänzte und durchgesehene Aufl. Paderborn 2007.

      Th. Ehrsam, K. Horlacher, M. Puhan (Hrg.), Der weiße Fleck. Die Entdeckung des Kongo 1875–1903. Mit einem Essay von Hans Christoph Buch. Zürich 2006.

      F. TH. GATTER (Hrg.), Protokolle und Generalakte der Berliner Afrika-Konferenz 1884–1985. Bremen 1984.

      B. HEINTZE, Deutsche Afrikareisende in Angola. Ethnographische Aneignungen zwischen Sklavenhandel, Kolonialismus und Wissenschaft. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 2007, S. 178–189.

      A. HOCHSCHILD, Schatten über dem Kongo. Die Geschichte eines der großen, fast vergessenen Menschheitsverbrechen. 3. Aufl. Stuttgart 2000.

      J. SCHILDKNECHT, Bismarck, Südwestafrika und die Kongokonferenz. Münster/W. 2000.

      Titel der Originalausgabe

      REISEN IM KONGOLANDE

      AUSGEFÜHRT IM AUFTRAGE DER AFRIKANISCHEN

      GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND

      Von

      Dr. Richard Büttner

      Mit einer Karte von Dr. Richard Kiepert

      Leipzig

      J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung

      1890

      VORWORT

      Seit dem Eintritt des Deutschen Reiches in eine aktive Kolonialpolitik hat man es für praktisch gehalten, die staatlich unterstützte Afrikaforschung auf die unter dem Reichsschutz stehenden Gebiete zu beschränken, und die Reichsregierung hat die Förderung der Forschung selbst in die Hand genommen. Infolgedessen hat die »Afrikanische Gesellschaft in Deutschland«, die Auftraggeberin meiner in diesem Buche beschriebenen Reisen im Kongolande, bereits vor einiger Zeit ihre Auflösung beschlossen, die landesherrliche Genehmigung dazu ist im Januar dieses Jahres erfolgt, die »Mitteilungen der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland «haben mit dem dritten Hefte des fünften Bandes im Mai ihren Abschluß gefunden und die Liquidation des Gesellschaftsvermögens ist soeben beendet worden.

      Die selbständige Forschungsarbeit des Reiches ist noch zu neuerlichen Datums, als daß man schon berechtigt wäre, sie im Vergleich zu derjenigen der aufgelösten Gesellschaft zu setzen, indeßen darf wohl der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß die staatlichen Gründungen in unseren westafrikanischen Schutzgebieten, denen man den Namen von wissenschaftlichen Stationen gegeben hat, die wissenschaftliche Forschung im Hinblick auf das rein Praktische nicht zu sehr in den Hintergrund treten lassen möchten.

      Man erwarte aber nicht in der folgenden Beschreibung strenge Wissenschaft zu finden. Zu meinem eigenen größten Leidwesen waren die Verhältnisse während meiner Reise nicht dazu angetan, daß ich mich der wissenschaftlichen Forschung so widmen konnte, wie ich es wohl gewünscht hätte. Der Mangel an Instrumenten und die eigene Führung einer großen wandernden Expedition – beide veranlaßt durch den Umstand, daß Herr Premierleutnant Kund, statt nach San Salvador zu kommen und die Führerschaft der Gesamtexpedition zu übernehmen, es vorzog, nach dem Stanleypool zu marschieren und so unsere Trennung ständig zu machen – waren die hauptsächlichsten Ursachen einer mäßigen wissenschaftlichen Ausbeute. Im Vergleich zu anderen sogenannten Forschungsreisen in Afrika – mehr oder weniger berühmten Kilometerabschreitungen – ist freilich diese Ausbeute noch namhaft zu nennen.

      Ich habe aber diesem Buche einen durchaus allgemeinen Charakter wahren wollen und deshalb habe ich die Bearbeitung des wissenschaftlichen Materials – soweit es zur damaligen Zeit vorlag – bereits im Frühjahr dieses Jahres im letzten (fünften) Band die »Mitteilungen der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland«, Berlin 1886–1889, p. 168–271 veröffentlicht.

      Doch einen andern Anspruch erhebt dieses Buch: es will eine wahre Schilderung der berührten Verhältnisse geben. Wenn nun freilich die individuelle Brille bei der Auffassung der Umstände nicht immer fortgelassen werden kann, so liegt doch in der Selbständigkeit, mit der sich die Reisenden und Forscher der aufgelösten Gesellschaft in einem uns durch keine aktiven kolonialen Beziehungen verbundenen Gebiete bewegen konnten, eine gewissen Gewähr für eine unparteiische Berichterstattung und freie Meinungsäußerung, die wir in der Art von den dort angestellten Beamten und Offizieren nicht erwarten können. Dieser Umstand muß sicherlich bei der abweichenden Darstellung derselben Verhältnisse seitens verschiedener Berichterstatter in Betracht gezogen werden. Außerdem scheint mir, daß sich derjenige größere Verdienste um eine Unternehmung erwirbt, der auch ihre Mängel und die Widerstrebungen, welchen sie ausgesetzt ist, bekannt gibt, als derjenige, der nur ihre Vorzüge und das Entgegenkommen, welches sie manchmal findet, meldet. Der Erfolg kann doch durch seine kundgewordene Schwierigkeit nur an Bedeutung gewinnen.

      Andere Bemerkungen dem Buch mit auf den Weg zu geben, erachte ich als unnötig, wohl aber ist es mir eine angenehme Pflicht, noch einmal meinen Dank allen denen auszusprechen, die mir auf meiner Reise oder bei der Bearbeitung des heimgebrachten Materials ihre Unterstützung gewährt haben.

      Potsdam, im November 1889

       Dr. Richard Büttner

      1. KAPITEL:

      VON DER ELBE BIS ZUM KONGO

      Am 1. August 1884 verließ ich die »deutsche Expedition zur Erforschung des südlichen Kongobeckens« an Bord des »Professor Woermann« Hamburg. Die Expedition setzte sich zusammen aus den Herren Premierleutnant Schulze als Leiter, Premierleutnant Kund, Sekundärleutnant Tappenbeck, Dr. med. M. Wolff als Arzt und meiner Wenigkeit als naturwissenschaftlichem Mitgliede. Wir hatten die Ehre gehabt, von der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland zu Berlin, deren Vorsitz zur damaligen Zeit Admiral von Schleinitz führte, gewählt zu werden, um mitzuarbeiten am Werk der Erforschung des tropischen Afrika, welches Werk diese Gesellschaft durch ihre Reisenden und Expeditionen in so ausgezeichnetem Maße gefördert und seinem Endziele näher gebracht hat.

      Der Tag der Abreise machte der unruhig bewegten Zeit der Vorbereitungen – die leider in meinem Fall nur zwei oder drei Monate betrug – ein Ende und führte die Mitglieder der Expedition, die bis dahin einander kaum bekannt waren, auf einige Wochen zusammen.

      Außer uns befanden sich noch an Bord ein Missionar der Baseler Gesellschaft, der mit der Gattin auf seinen Posten nach Quitta zurückkehrte und unter deren Schutz eine junge Dame reiste, die – mit einem Missionsangestellten verlobt – dessen Leben im fernen Land zu teilen willens war. Die übrigen Herren waren Kaufleute, zum weitaus größeren Teil dem Hause Woermann angehörig, die als Neulinge dem anderen Erdteile zustrebten, oder solche, die bereits einige Jahre dort zugebracht hatten und nun nach einer Zeit der Erholung in Europa zu ihren Stellungen zurückkehrten. Zu diesen letzteren gehörte auch Herr Schmidt, Hauptagent des Woermannschen Monrovialgeschäfts und deutscher Konsul für die Negerrepublik Liberia, der die Zeit des Urlaubes sowohl zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in der deutschen Heimat als auch zur Instandsetzung und Ausrüstung seines Hauses in Monrovia angewendet hatte, denn er beabsichtigte sofort nach der Ankunft auf seinem Posten die jugendliche Braut, eine Tochter Liberias, heimzuführen. Unter solchen Umständen war es nur


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