Mein erster Aufenthalt in Marokko und Reise südlich vom Atlas durch die Oasen Draa und Tafilet. Gerhard Rohlfs
und vom Südosten her auf seinem linken Ufer den Bet. Der Ssebú, welcher sich bei Mamora17 ins Meer ergiesst, würde leicht bis zu dem Punkte, wo sich der Uargha mit ihm vereint, schiffbar gemacht werden können. Die Länge seines Laufes ist ebenso bedeutend, als die der Muluya.
[Fußnote 17: Auf den meisten Karten so verzeichnet, Ort, der von den Marokkanern Mehdia genannt wird.]
Der von den vorderen Terrassen des grossen Atlas kommende, aber unbedeutende Fluss Bu Rhaba18, in nordwestlicher Richtung fliessend, ist nur erwähnenswerth, weil an seiner Mündung die bedeutenden Städte Rbat und Sla liegen.
[Fußnote 18: Der auf den Karten verzeichnete Name Buragrag dürfte falsch sein; die Marokkaner nennen ihn Bu Rhaba, Vater des Waldes, d.h. waldreich. Bu-Rgag oder Rgig würde heissen der "Vater der Enge", Bu-Rhaba "Vater des Gehölzes".]
Der Fluss Um-el-Rbea (Mutter der Kräuter, oder der Kräuterreiche) entspringt mit einem mächtigen Geäste aus dem grossen Atlas, fliesst seiner Hauptrichtung nach nach Nordwest, um bei Asamor, einer bedeutenden Stadt, den Ocean zu erreichen. Renou nennt ihn den bedeutendsten Fluss vom Norden Afrika's (natürlich der Nil immer ausgenommen) und stellt ihn auf gleiche Stufe mit der Garonne und Seine. Auch dieser Strom ist leicht schiffbar zu machen.
Merkwürdigerweise hat der grosse Tensift, der ebenfalls mit vielen Nebenflüssen aus dem Atlas entspringt, an seiner Mündung, die zwischen Asfi und Mogador liegt, keine Besiedelung. Gerade weil er vorher der von jeher bedeutenden Stadt Marokko Wasser zuführt, sollte man denken, an seiner Mündung auch eine Stadt zu finden. Obgleich von bedeutender Breite, kann der Fluss bei Ebbezeit an der Mündung durchwatet werden.
Mit Ausnahme der Muluya entspringen alle diese Ströme am Nordwestabhange des Atlas; übersteigt man sodann die Ausläufer dieses Gebirges und das Gerippe, welches im Cap Gher endet, so erreicht man die Mündung des Sus, ungefähr 30° 20' N. B. Der Sus hat fast vollkommen östliche Herkunft und entspringt in dem Winkel, den der grosse Atlas und der von ihm nach Westsüdwest entsandte Zweig bilden.
Weiter nach dem Süden zu kommt sodann, auf den meisten Karten verzeichnet, der Ued Nun. Der Name Ued Nun bedeutet aber weiter nichts als eine Landschaft oder Provinz, wie wir aus den neuesten Forschungen von Gatel ersehen können. Der dort existirende Strom heisst Ued Asaka, und es ist dies der Fluss, dessen Nun-Mündung auf den Petermann'schen Karten als Aksabi verzeichnet steht, was dasselbe ist.
Wir haben sodann eines echten Wüstenstromes Mündung, die des Draa19 zu verzeichnen. Mit kleinem Geäste aus dem grossen Atlas entspringend, ungefähr unter dem 13° O. L. von Ferro geht dieser Strom direct und ohne nennenswerthe Nebenflüsse zu erhalten bis zum 29° N. L. nach Süden, schlägt dann aber westliche Richtung ein, um unter 28° 10' in den Ocean zu fallen. Dieser lange Lauf, ein Sechstel mindestens länger, als der des Rheins von der Quelle bis zur Mündung, hat beständig Wasser, auch im Hochsommer bis zu dem Punkte, wo der Strom von der Südrichtung eine westliche Richtung einschlägt. Die Wassermenge, die der Draa fortschwemmt, ist in den oberen Theilen des nordsüdlichen Stückes dennoch nicht bedeutender, als etwa diejenige der Spree bei Berlin; sie wird dann am südlichen Ende des von Nord nach Süd fliessenden Theiles, nachdem der Strom sogar mehrere Male verschwindet und viel Wasser durch Irrigiren verbraucht ist, so gering, dass man diesen grossen Strom, wie er sich zur Herbstzeit, kurz vor dem Eintritt der Regenperiode auf dem Atlas präsentirt, hinsichtlich der Wasserarmuth kaum einen Bach nennen kann.
[Fußnote 19: Wir erwähnen der Ssegiat el Hamra, weil sie auf den meisten Karten als Fluss verzeichnet ist, als in die Mündung des Draa einfliessend. Der Name Ssegiat hat aber immer etwas Künstliches in sich und Gatel auf seiner Karte verzeichnet sie nicht.]
Dass überhaupt noch so viel Wasser bis zum Umbug Jahr aus Jahr ein herabkömmt, nachdem der heisse Wind der Sahara im Frühjahr und im Sommer mit Macht daran gezehrt hat, nachdem Tausende von Feldern und Gärten, die sich längs der Ufer hinziehen, Tag und Nacht vom Wasser des Draa berieselt werden, das eben spricht für die Möglichkeit der Schneelage des Atlas, aus welchem der Fluss gespeist wird.
Ob aber ein stets Süsswasser haltender See, der Debaya, auf seinem weiteren Laufe nach dem Westen zu vom Draa durchflossen wird, möchte sehr zu bezweifeln sein. Allerdings sendet gleich nach der Regenzeit auf dem Atlas der Draa seine Wasser fort bis zum Ocean, aber in der trockenen Jahreszeit trocknet der ganze untere Theil des Flusses aus. Nicht weit von dem Orte, wo der See sein sollte, sagten mir die Bewohner, ein solcher existire nicht. Ein Sebcha, d.h. ein salziger Sumpf, wie ihn Petermann auf seinen neuesten Karten verzeichnet hat, könnte indess wohl vorhanden sein. Renou spricht sogar dem Debaya eine dreimalige Grösse des Genfer Sees zu.
Als ebenfalls vom Südostabhange des Atlas kommend und nach der Sahara abfliessend, haben wir dann den Sis zu nennen; ein echter Wüstenfluss ohne alle Nebenflüsse, und nur in seinen ersten zwei Dritteln oberirdisch verlaufend, tränkt er unterirdisch noch die ganze grosse Oase Tafilet, um südlich davon den Salzsumpf Daya el Dama zu bilden, der nach starken Regenergüssen zu einem See sich gestaltet. Von Nordwesten her hat der Daya el Daura noch Zuflüsse durch den Ued-Chriss.
Einen ebenso langen, wenn nicht noch längeren Lauf hat der Fluss, der die Oase von Tuat speist, aus verschiedenen Zweigen, von denen einige unter dem 33° N. B. entspringen, zusammengesetzt. Ich verfolgte den Fluss fast bis zum 26° N. B., ohne dass ich bei Taurhirt schon sein südlichstes Ende erreicht hätte. Dieser Fluss, den man l'ued Tuat nennen könnte, setzt sich aus dem Ued Gher, Ued Knetsa und einigen minder bedeutenden zusammen, erhält nach der Vereinigung den Namen Ued Ssaura, und sobald er das eigentliche Tuat betritt, den Namen Ued Mssaud. Von Osten soll er südlich von Tuat durch den Fluss Acaraba verstärkt werden. Da er schon bei seinem Entspringen aus dem Gher und Knetsa gar nicht oberirdisch Wasser hält, so ist es nicht wahrscheinlich, dass er dem Draa oder dem Ocean zugeht, wie Duveyrier meint, ebensowenig aber glaube ich, dass die von mir früher mitgetheilte Nachricht der Eingeborenen, der Mssaud ergösse sich nach sehr starken Anschwellungen bis zum Niger, auf Wahrheit beruht.
Da wir den oben angeführten Debaya vorläufig trotz Renou nicht als See anzuerkennen brauchen, ja nicht einmal mit Bestimmtheit behaupten können, ob ein Salzsumpf dort ist, so haben wir eigentlich gar keine nennenswerthen Seen in Marokko zu verzeichnen, denn der von Leo erwähnte See unterhalb der "grünen Berge", den er mit dem See von Bolsena in der Nähe von Rom vergleicht, ist nirgends zu finden, es möchte denn der kleine auf der Beaumier'schen Karte verzeichnete Salzsee sein, Zyma genannt, der ungefähr so gross wie der See von Bolsena zu sein scheint. Der einzige von mir entdeckte kleine Süsswassersee, Daya Sidi Ali Mohammed genannt, ungefähr 3 Stunden lang und 1/2 Stunde breit, liegt auf der Höhe des grossen Atlas zwischen Fes und Tafilet.
Erwähnenswerth ausser dem Daya el Daura, südlich von Tafilet ist nur noch der grosse Salzsumpf von Gurara im Norden von Tuat, ungefähr zehn deutsche Meilen lang und an seiner dicksten Stelle fünf deutsche Meilen breit, endlich der Sigri Sebcha (Salzsumpf), ungefähr zehn Meilen südwestlich von Schott el Rharbi gelegen, dessen südwestliche Hälfte nach dem Frieden von 1844 zu Marokko, die östliche dagegen zu Algerien gerechnet wird.
Ohne Widerrede befürchten zu müssen, kann man behaupten, dass Marokko von allen Staaten Nordafrika's das gesundeste Klima besitzt. Der Grund davon ist zum Theil in der bedeutenden Erhebung des Landes zu suchen, in den erfrischenden Winden vom Mittelmeere und vom Ocean, in der Abwesenheit sumpfiger Niederungen20, wie man sie in Algerien so häufig beim Anfange der Besiedelung durch die Franzosen antraf; dann in den reichen Waldungen der Stufen des Atlas, welche die Hitze mildern und zugleich den Flüssen in Verbindung mit dem Schnee der Gipfel im Sommer das Wasser constant erhalten; endlich in der Abwesenheit jener Schotts oder flachen Seen und Sümpfe, wie sie Algerien und Tunis von Westen nach Osten durchziehen.
[Fußnote 20: Die wenigen Sümpfe bei L'Araisch kommen zum grossen Ganzen nicht in Betracht.]
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