Butler Parker 113 – Kriminalroman. Günter Dönges
der Nacht wurden in diesem Gerät elektronisch verstärkt und schufen ein erstaunlich gutes und klares Bild, obwohl die Augen allein kaum etwas am Haus entdecken konnten.
»Der äußere Eindruck müßte meine Zweifel eigentlich zunichte machen«, sagte Parker, der die Fenster der Villa absuchte und sich dann auf den großen Park konzentrierte.
»Befürchten Sie einen Zwischenfall?« erkundigte sich Kathy, die einen erstaunlich gelassenen Eindruck machte. »Leider vermag ich meine Befürchtungen nicht zu konkretisieren«, erwiderte Parker in seiner gewohnt einfachen Weise. »Mein Gefühl sagt mir, daß wir dieses Unternehmen aufgeben sollten, mein Verstand hingegen, daß es gilt, Informationen zu sammeln.«
»Ich werde es versuchen«, entschied Kathy, als der Butler sein Nachtsichtgerät weglegte. »Ich nehme ja schließlich den kleinen Sender mit, Mr. Parker.«
»Ein zweifelhafter Rettungsanker«, unkte der Butler.
»Besser als nichts.« Kathy wollte nicht länger warten. Sie schaltete den winzig kleinen Sender ein, mit dem Parker sie ausgerüstet hatte. Dann nickte sie ihm noch mal zu und überquerte die Straße. Innerhalb weniger Sekunden war sie bereits in der Dunkelheit verschwunden.
Kathy Porter trug eng anliegende Jeanshosen und einen schwarzen Pulli. In ihrem BH befand sich der Minisender, ein äußerst leistungsfähiges Gerät, das aus der Bastelstube des Butlers stammte. Es sollte alles übertragen, was Kathy zu melden hatte. Im Moment aber waren nur ihre Herztöne zu hören. Sie kamen aus dem Autoradio, das Parker eingeschaltet hatte. Dieses Radio diente ihm als Empfänger und sorgte für einen ausgezeichneten Ton. Kathys Herztöne kamen sauber und rein. An ihnen war abzulesen, daß sie nicht die Spur erregt oder ängstlich war.
Zwischendurch war immer wieder ihre leise Stimme zu vernehmen. Sie gab ihre jeweiligen Positionen durch und informierte den Butler darüber, wo sie sich gerade aufhielt. Parker hatte das Nachtsichtgerät wieder eingeschaltet und beobachtete seine begabte Schülerin.
Kathy Porter befand sich bereits auf dem Gelände seitlich neben der großen Backsteinvilla und gab jetzt durch, daß sie zur Rückseite überwechseln würde. Die junge Dame sagte gerade noch, daß alles in bester Ordnung sei, als plötzlich ein hastiges Atmen zu hören war, als habe sie eine überraschende Entdeckung gemacht. Bruchteile von Sekunden später war das schnelle Pochen ihres Herzens besser zu hören als ihr Atem. Dann knackte es im Empfänger, es folgte ein erstickter Aufschrei und dann nichts mehr.
Kathy Porter schien eine unfreiwillige Sendepause eingelegt zu haben, was dem Butler aber gar nicht paßte. Sein Schützling mußte von einer Entdeckung jäh überrascht worden sein.
*
Als sie wieder zu sich kam, schmerzte ihr Genick.
Kathy Porter wußte nicht, was passiert war. Sie rieb sich unwillkürlich die schmerzende Stelle im Nacken und brauchte einige Zeit, bis sie wieder klar denken konnte. Sie erinnerte sich jetzt dunkel. Irgendein jäher Schlag hatte sie getroffen, ein Schlag, mit dem sie wirklich nicht rechnen konnte.
Sie richtete sich auf und versuchte sich zu orientieren, doch um sie herum war nichts als Dunkelheit. Erst mit einiger Verspätung wurde ihr klar, daß es ungewöhnlich warm und heiß war. Die feucht-heiße Luft erinnerte sie an die Atmosphäre in einem Zoo-Exotarium. Ja, das war es! Diese feucht-schwüle Luft hatte in dem großen Kuppelbau geherrscht, in dem Krokodile hausten.
Unwillkürlich hielt Kathy Porter den Atem an, lauschte in die schreckliche Dunkelheit und sehnte sich förmlich nach einem Geräusch.
Doch da war nichts. Oder doch? Plötzlich glaubte sie ein scharrendes Schleifen zu hören. Rasch zog sie die Beine an und merkte erst jetzt, daß sie auf nacktem, feuchtem Zement saß. Dann hörte sie von irgendwoher ein stetiges Wasser tropfen. Es kam wahrscheinlich aus großer Höhe und explodierte förmlich, wenn es den Boden erreichte.
Kathy zog die Beine noch enger an den Körper und merkte auch, daß man ihr die Jeans und den Pulli ausgezogen hatte. Sie trug nur noch ihren knappen Slip und den BH. Ihr Rücken lehnte gegen eine rauhe Zementwand, die mit einem feuchten, schleimigen Film überzogen war.
Panik erfaßte sie plötzlich.
Es war ihr vollkommen gleichgültig, wer sie niedergeschlagen und ausgezogen hatte. Sie wollte nur wissen, wo sie sich befand. Das scharrende Schleifen war nämlich inzwischen lauter geworden. Kathy konnte nicht feststellen, woher es kam und was es verursachte. Doch dieses Geräusch erinnerte sie unwillkürlich an ein Exotarium und gleichzeitig an Krokodile. Sie redete sich plötzlich ein, man könnte sie in solch ein Exotarium geworfen haben. Pirschten sich da nicht einige dieser Panzerechsen an sie heran?
Nur mit äußerster Mühe unterdrückte sie einen Schrei. Sie biß sich auf die Lippen und zwang sich zur Ruhe. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen und verrückt spielen, sonst war es um sie geschehen. Vielleicht hatten es diejenigen, die sie überrascht hatten, nur darauf abgesehen, sie in eine Panik zu lotsen? Vielleicht war das hier nur geschickt inszeniertes Theater? Vielleicht wollte man sie nur psychisch terrorisieren?
Natürlich dachte Kathy Porter gerade in diesen Augenblicken der Angst an einen gewissen Butler Parker. War er bereits unterwegs, um sie aus dieser schrecklichen Lage der Ungewißheit zu befreien? Er mußte inzwischen doch wissen, was mit ihr passiert war? Einem Josuah Parker konnten solche Dinge unmöglich entgangen sein. Bisher hatte sie sich immer noch auf ihn verlassen können.
Die Dunkelheit war schrecklich. Wenn es doch nur ein Fünkchen Licht gegeben hätte! Das schleifende Scharren war schwächer geworden. Oder hatte sie sich nur geirrt? Nein, es wurde sogar lauter und noch peinigender. Irgendwo in der Dunkelheit war das Plantschen von Wasser zu hören. Fauliger Geruch von Wasser wehte heran und nahm ihr fast den Atem. Ein Zweifel war ausgeschlossen. Man hatte sie während ihrer Ohnmacht in ein Exotarium geschafft und wollte sie den Krokodilen zum Fraß vorwerfen.
Kathy kniete hoch, richtete sich auf und preßte ihren nackten Rücken fest gegen die rauhe, feuchte und glitschige Betonwand. Mit beiden ausgebreiteten Armen und Händen tastete sie die Mauer ab und riskierte einen ersten Schritt nach links zur Seite, dann einen zweiten und schließlich einen dritten.
Doch das war bereits zuviel.
Sie rutschte mit dem nackten Fuß ab, konnte sich nicht mehr halten, suchend warf sie die Arme nach vorn und schrie entsetzt auf und... stürzte. Haltsuchend warf sie die Arme nach vorn und landete eine Sekunde später im aufspritzenden Wasser, das über ihrem Kopf zusammenschlug.
Prustend und nach Luft schnappend kam sie wieder an die Oberfläche, suchte mit den Füßen Grund, mußte schwimmen, wenn sie nicht erneut untergehen wollte und wagte es nicht, einen energischen Schwimmstoß zu unternehmen.
Absolute Dunkelheit zerrte an ihren Nerven, als ein fremdartiges Plantschen ganz in ihrer Nähe erfolgte. Bruchteile von Sekunden später spürte sie etwas Scharfkantiges an ihrem rechten Fuß.
Kathy Porter schrie wie besessen...
*
Butler Parker hütete sich, im Galopp hinüber in den großen Garten zu rennen, nachdem er über den Sender den erstickten Aufschrei gehört hatte. Spontane Handlungen waren noch nie sein Fall gewesen. Bevor er etwas tat, pflegte er gründlich zu überlegen.
Er .kam deshalb zu dem Schluß, daß man ihn mit größter Wahrscheinlichkeit bereits sehnsüchtig drüben erwartete. Ihm war klar, daß man ihn genau wie Kathy beobachtet hatte. Die Falle war gestellt, er brauchte nur noch in sie hineinzutappen.
Nun, er fand eine andere und wohl auch bessere Lösung.
Parker hatte bereits seine Gabelschleuder in der Hand, ein ungemein leistungsstarkes Gerät, mit dem sich große Entfernungen geräuschlos überbrücken ließen. Aus dem Handschuhfach seines Wagens hatte er eine flache Blechschachtel geholt und geöffnet. Sie enthielt eine Spezialmunition, die natürlich auch aus seiner privaten Bastelstube stammte. Parker entschied sich für ein Geschoß, das etwa taubeneigroß war. Er legte es in die breite Lederschlaufe, strammte die beiden Gummistränge und katapultierte dieses seltsame Geschoß dann hinüber zum ›Kloster der inneren Sammlung‹.
Das