Ameisenbüchlein. Christian Gotthilf Salzmann

Ameisenbüchlein - Christian Gotthilf Salzmann


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Vorsatz ausführen zu können. Das Skorpionbüchlein, oder Anweisung zu einer unvernünftigen Regierung der Völker, sowie das Spinnenbüchlein, oder Anweisung zu unvernünftiger Führung der Ehe, wird also nicht zur Wirklichkeit kommen. Das Ameisenbüchlein oder die Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher erscheint aber hier.

      Wozu der sonderbare Titel? wird man fragen. Erstlich dazu, daß dadurch Leser herbeigelockt werden. Der Inhalt dieses Buches scheint mir so wichtig, daß ich wünsche, es möchte von allen, die erziehen oder erziehen lassen, gelesen und beherzigt werden. Gleichwohl ist zu besorgen, daß es unter der Flut von Schriften, mit welchen Deutschland in jeder Messe überschwemmt wird, nicht möchte bemerkt werden, wenn es nicht eine Auszeichnung bekommt, die in die Augen fällt, und es unter den tausenden, von welchen es umgeben ist, bemerkbar macht. Was ist hierzu aber wohl schicklicher als der Titel? Ein anderer würde dazu vielleicht einen griechischen oder französischen Namen, oder den Namen einer Gottheit oder eines Weisen des Altertums gewählt haben; mir aber gefiel der Titel: Ameisenbüchlein.

      Zweitens wählte ich gerade diesen Titel, weil das Krebsbüchlein so gut ist aufgenommen worden, daß es noch nach 24 Jahren gelesen und hier und da empfohlen wird, und ich daher hoffen durfte, daß die Ähnlichkeit des Namens diesem Buche einen ähnlichen Beifall im Publikum verschaffen würde.

      Endlich liegt auch wirklich ein Grund zu der Wahl dieses Titels im Ameisenhaufen selbst. Die Eltern der Ameisen, nachdem sie ihr Geschlecht fortgepflanzt haben, schwingen sich in die Luft, und sind, nach menschlicher Art und Weise, um ihre Brut unbekümmert, deren Pflege und Erziehung sie jenen Ameisen überlassen, die durch die Natur zu einem niederen Wirkungskreise bestimmt sind. Diese nun besorgen ihr Geschäft auch recht gut; sie bringen die junge Brut täglich an die Sonne, laufen herbei und suchen sie zu retten bei jeder Gefahr, von welcher sie bedroht wird[3] — und der Erfolg bürgt für die Güte der Erziehung, da jeder Ameisenhaufen der Wohnsitz der Gesundheit, Reinlichkeit, Thätigkeit und Folgsamkeit ist, die in vielen menschlichen Gesellschaften vermißt werden, zu welchen man aber die jungen Ameisen gleich nach ihrem Entstehen gewöhnt. So wie also Salomo den Faulen zum Ameisenhaufen verweist, könnte man auch in anderer Rücksicht den Erzieher auf denselben aufmerksam machen.

      So viel vom Titel! Was den Inhalt betrifft, so scheint er mir von großer Wichtigkeit zu sein. Wir haben einen Überfluß von Büchern, die Anweisung zur Erziehung der Kinder enthalten, aber an Anweisungen zur Erziehung der Erzieher scheint mir noch Mangel zu sein. Was helfen aber jene, wenn diese nicht da sind? Wozu nützen alle Theorien, wenn die Leute fehlen, die sie ausführen können? Die Revision des Schul- und Erziehungswesens[4] stellt gute Theorien auf, wo sind sie aber ausgeführt worden? Statt darauf zu denken, das Wahre und Gute, was wir von der Erziehung bereits wissen, in Ausführung zu bringen, fährt man fort, neue Theorien aufzustellen, denen, so gut wie jenen, die Ausführung fehlen wird. Wir gleichen theoretischen Baumeistern, die die Ideale zu den vollkommensten Gebäuden mit der Reißfeder entwerfen können, die aber immer nur Risse bleiben, mit denen man etwa die Wände bekleiden kann, da ihren Verfertigern die Geschicklichkeit fehlt, das Entworfene zur Wirklichkeit zu bringen.

      Ach, gebt uns gute Erzieher! gebt uns Leute, die die Neigung, Geschicklichkeit und Fertigkeit haben, Kinder vernünftig zu behandeln, sich die Liebe und das Zutrauen derselben zu erwerben, die Kräfte zu wecken, ihre Neigungen zu lenken, und durch ihre Lehre und ihr Beispiel die jungen Menschen zu dem zu machen, was sie, ihren Anlagen und ihrer Bestimmung nach, sein können und sein sollen, und die Erziehung wird gelingen, ohne daß wir neue Theorien nötig haben. So geht aus der Dorfschule manches verständigen, rechtschaffenen und treuen Schulmeisters, der nie etwas von reiner Pflicht hörte[5], noch neue Theorien über den Unterricht im Lesen studierte, nach und nach eine Gemeinde hervor, die durch ihre Rechtschaffenheit, helle Einsichten, Ordnung, Thätigkeit und Lesefertigkeit sich im ganzen Umkreise zu ihrem Vorteile auszeichnet, und alle hinter sich zurückläßt, die nach den neuesten Theorien von Männern erzogen wurden, die nicht zu erziehen verstanden.

      Was ist z. E. vernünftiger, als die Forderungen der Erzieher, die Kinder mehr durch Vorstellungen, als durch Belohnungen und Strafen zu lenken? Allein zu dem Lenken der Kinder durch Vorstellungen gehört eine ganz eigene Geschicklichkeit. Derjenige, dem sie fehlt, kann den Kindern sehr viel Vernünftiges und Gutes sagen, das sich recht gut lesen läßt, und wird damit doch nichts ausrichten, unterdessen daß ein anderer, der die Erziehung versteht, mit weit weniger Worten zu seinem Zwecke kommt.

      Es ist unter den Erziehern allgemein angenommen worden, daß zur Erziehung auch eine gewisse Abhärtung des Körpers gehöre; wenn der Erzieher aber selbst weichlich ist, wie will er andere abhärten? u. s. w.

      Was die Art meines Vortrags betrifft, so wird man manches daran auszusetzen finden, das aber doch wegen meiner Eigenheit verdient entschuldigt zu werden. Bisweilen werde ich etwas stark und entscheidend sprechen, und fordern, daß dies und jenes so und nicht anders sein müsse. Dies ist eine Folge von der Lebhaftigkeit meiner Überzeugung. Ich bin kein Jüngling mehr, der sich mit Idealen beschäftigt, von denen er noch zweifelhaft ist, ob sie außer seinem Gehirne gedeihen werden; ich habe einige und zwanzig Jahre selbst erzogen, die Eigenheiten der Kinder in mancherlei Verhältnissen kennen gelernt, manchen Versuch mit ihnen gemacht, der mir mißlang, und andere, von denen ich die gesegnetsten Wirkungen verspürte. Was ich also weiß, das weiß ich aus vieljähriger Erfahrung; ist es mir daher zu verdenken, wenn ich davon mit eben der Zuversicht spreche, mit welcher ein alter Arzt die Heilart einer gewissen Krankheit, deren Güte ihm eine vieljährige Erfahrung bestätigte, zu empfehlen pflegt?

      Auch werde ich wenig oder gar nicht dessen Erwähnung thun, was andere Erzieher geleistet haben. Dies rührt keineswegs von der Geringschätzung anderer her, sondern ist bloß eine Folge meiner Eigenheit. Ich habe wenig gelesen, desto mehr gedacht, beobachtet und gehandelt. Will man dies als Unvollkommenheit ansehen, so mag man es; so viel ist aber doch gewiß, daß es einem Manne, der die Arbeiten anderer nicht hinlänglich kennt, nicht geziemt, darüber zu urteilen.

      Besonders auffallend wird man es finden, daß ich der Pestalozzischen Lehrart, die die Augen von Europa auf sich gezogen hat, nicht oft Erwähnung thue.

      Es geschieht dies aus eben diesem Grunde. So viel ich in einem flüchtigen Blicke von der Lehrart dieses verdienten Mannes gefaßt habe, scheint es mir, als wenn wir in der Hauptsache mit einander übereinstimmten, und nur im Ausdrucke voneinander verschieden wären. Manches aber, das mir bei ihm neu war, habe ich angenommen und benutze es mit Dank.

      Dahin gehören seine Linearzeichnungen, die Übungen des Gedächtnisses, die Rechnungsmethode und das laute Aussprechen von mehreren Schülern zugleich.

      Möge dies kleine Buch den Zweck, zu welchem es aufgesetzt wurde, ganz erreichen! Mögen viele deutsche Jünglinge dadurch für das wichtige, wohlthätige Geschäft der Erziehung gewonnen, mögen sie dadurch auf den einzig wahren Weg, den die Natur uns vorzeichnet, geleitet, möge dadurch das Vorurteil zerstört werden, als wenn die Erziehung eine lästige Arbeit und das Gelingen derselben äußerst zweifelhaft sei, damit unsere Nation den Ruhm, den sie sich durch ihre Erziehungskunst im Auslande erwarb, noch ferner behaupte und begründe.

      Schnepfenthal, im Oktober 1805.

      C.G. Salzmann.

       Inhaltsverzeichnis

      Denen, die sich entschließen, das Christentum anzunehmen, wird gewöhnlich bei Einweihung zu demselben eine Formel vorgelegt, zu deren Annahme sie sich bekennen müssen, die man Symbolum nennt. Damit ist nun freilich großer Mißbrauch getrieben worden, und manches Symbolum scheint mehr in der Absicht gegeben zu sein, um Haß gegen Andersdenkende, als Anhänglichkeit an die Partei, mit welcher man sich vereinigen will, einzuflößen. An sich ist diese Gewohnheit aber doch gut und nötig. Jede Gesellschaft muß doch einen gewissen Zweck haben, zu welchem sie sich vereinigt, und gewisse Grundsätze, durch deren Befolgung sie den vorgesetzten Zweck erreichen will; diese können in eine kurze Formel verfaßt, und die Annahme derselben von denen verlangt werden, die mit der Gesellschaft sich verbinden wollen.


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