Schloss Gripsholm. Kurt Tucholsky

Schloss Gripsholm - Kurt  Tucholsky


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Ro­man­ti­sches. Und soll ich mir die Ge­schich­te viel­leicht aus­den­ken? Fan­ta­sie ha­ben doch nur die Ge­schäfts­leu­te, wenn sie nicht zah­len kön­nen. Dann fällt ih­nen viel ein. Un­serei­nem …

      Schrei­be ich den Leu­ten nicht ih­ren Wunsch­traum (»Die Grä­fin raff­te ihre Sil­ber-Robe, wür­dig­te den Gra­fen kei­nes Blickes und fiel die Schloss­trep­pe hin­un­ter«), dann bleibt nur noch das Propp­lem über die Ehe als Zim­mer-Gym­nas­tik, die »mensch­li­che Ein­stel­lung« und all das Zeug, das wir nicht mö­gen. Wo­her neh­men und nicht bei Vil­lon steh­len?

      Da wir gra­de von Ly­rik spre­chen:

      Wie kommt es, dass Sie in § 9 un­se­res Ver­lags­ver­tra­ges 15 % ho­no­rar­freie Exem­pla­re be­rech­nen. So­viel Re­zen­si­ons­exem­pla­re schi­cken Sie doch nie­mals in die Welt hin­aus! So ja­gen Sie den sau­ren Schweiß Ih­rer Au­to­ren durch die Gur­gel – kein Wun­der, dass Sie auf Samt sau­fen, wäh­rend un­serei­ner auf har­ten Bän­ken dün­nes Bier schluckt. Aber so ist al­les.

      Dass Sie mir gut sind, wuss­te ich. Dass Sie mir für 46 RM gut sind, er­freut mein Herz. Bit­te wie ge­wöhn­lich an die alte Adres­se. Üb­ri­gens fah­re ich nächs­te Wo­che in Ur­laub.

      Mit vie­len schö­nen Grü­ßen

       Ihr

       Tuchols­ky

      *

      Ernst Ro­wohlt Ver­lag

       Ber­lin W 50

       Pas­sau­er Stra­ße 8/9

      12. Juni

      Lie­ber Herr Tuchols­ky,

      vie­len Dank für Ihren Brief vom 10. d. M.

      Die 15 % ho­no­rar­freie Exem­pla­re sind – also das kön­nen Sie mir wirk­lich glau­ben – mei­ne ein­zi­ge Ver­dienst­mög­lich­keit. Lie­ber Herr Tuchols­ky, wenn Sie un­se­re Bilanz sä­hen, dann wüss­ten Sie, dass es ein ar­mer Ver­le­ger gar nicht leicht hat. Ohne die 15 % könn­te ich über­haupt nicht exis­tie­ren und wür­de glatt ver­hun­gern. Das wer­den Sie doch nicht wol­len.

      Die Som­mer­ge­schich­te soll­ten Sie sich durch den Kopf ge­hen las­sen.

      Die Leu­te wol­len ne­ben der Po­li­tik und dem Ak­tu­el­len et­was ha­ben, was sie ih­rer Freun­din schen­ken kön­nen. Sie glau­ben gar nicht, wie das fehlt. Ich den­ke an eine klei­ne Ge­schich­te, nicht zu um­fang­reich, etwa 15–16 Bo­gen, zart im Ge­fühl, kar­to­niert, leicht iro­nisch und mit ei­nem bun­ten Um­schlag. Der In­halt kann so frei sein, wie Sie wol­len.

      Ich wür­de Ih­nen viel­leicht in­so­fern ent­ge­gen­kom­men, dass ich die ho­no­rar­frei­en Exem­pla­re auf 14 % her­un­ter­set­ze.

      Wie ge­fällt Ih­nen un­ser neu­er Ver­lags­ka­ta­log? Ich wün­sche Ih­nen einen ver­gnüg­ten Ur­laub und bin mit vie­len Grü­ßen

      Ihr

       (Rie­sen­schnör­kel) Ernst Ro­wohlt

      *

      15. Juni

      Lie­ber Meis­ter Ro­wohlt,

      auf dem neu­en Ver­lags­ka­ta­log hat Sie Gul­brans­son ganz rich­tig ge­zeich­net: still sin­nend an des Ba­ches Rand sit­zen Sie da und an­geln die fet­ten Fi­sche. Der Kö­der mit 14 % ho­no­rar­frei­er Exem­pla­re ist nicht fett ge­nug – 12 sind auch ganz schön. Den­ken Sie mal ein biss­chen dar­über nach und ge­ben Sie Ihrem har­ten Ver­le­ger­her­zen einen Stoß. Bei 14 % fällt mir be­stimmt nichts ein – ich dich­te erst ab 12 %.

      Ich schrei­be die­sen Brief schon mit ei­nem Fuß in der Bahn. In ei­ner Stun­de fah­re ich ab – nach Schwe­den. Ich will in die­sem Ur­laub über­haupt nicht ar­bei­ten, son­dern ich möch­te in die Bäu­me gu­cken und mich mal rich­tig aus­ruhn.

      Wenn ich zu­rück­kom­me, wol­len wir den Fall noch ein­mal be­brü­ten. Nun aber schwen­ke ich mei­nen Hut, grü­ße Sie recht herz­lich und wün­sche Ih­nen einen gu­ten Som­mer! Und ver­ges­sen Sie nicht: 12 %!

      Mit vie­len schö­nen Grü­ßen

       Ihr ge­treu­er

       Tuchols­ky

      Un­ter­schrie­ben – zu­ge­klebt – fran­kiert – es war ge­nau acht Uhr zehn Mi­nu­ten. Um neun Uhr zwan­zig ging der Zug von Ber­lin nach Ko­pen­ha­gen. Und nun woll­ten wir ja­wohl die Prin­zes­sin ab­ho­len.

      Sie hat­te eine Alt­stim­me und hieß Ly­dia.

      Karl­chen und Ja­kopp aber nann­ten jede Frau, mit der ei­ner von uns drei­en zu tun hat­te, »die Prin­zes­sin«, um den be­tref­fen­den Prinz­ge­mahl zu eh­ren – und dies war nun also die Prin­zes­sin; aber kei­ne an­de­re durf­te je mehr so ge­nannt wer­den.

      Sie war kei­ne Prin­zes­sin.

      Sie war et­was, was alle Schat­tie­run­gen um­fasst, die nur mög­lich sind: sie war Se­kre­tä­rin. Sie war Se­kre­tä­rin bei ei­nem un­för­mig di­cken Pa­tron; ich hat­te ihn ein­mal ge­sehn und fand ihn scheuß­lich, und zwi­schen ihm und Ly­dia … nein! Das kommt bei­nah nur in Ro­ma­nen vor. Zwi­schen ihm und Ly­dia be­stand je­nes merk­wür­di­ge Ver­hält­nis von Zu­nei­gung, ner­vö­ser Dul­dung und Ver­trau­en auf der einen Sei­te und Zu­nei­gung, Ab­nei­gung und dul­den­der Ner­vo­si­tät auf der an­de­ren: sie war sei­ne Se­kre­tä­rin. Der Mann führ­te den Ti­tel ei­nes Ge­ne­ral­kon­suls und han­del­te an­sons­ten mit Sei­fen. Im­mer la­gen da Pa­ke­te im Büro her­um, und so hat­te der Di­cke we­nigs­tens eine Aus­re­de, wenn sei­ne Hän­de fet­tig wa­ren.

      Der Ge­ne­ral­kon­sul hat­te ihr in ei­ner An­wand­lung fürst­li­cher Frei­ge­big­keit fünf Wo­chen Ur­laub ge­währt; er fuhr nach Ab­ba­zia. Ges­tern Abend war er ab­ge­fah­ren – wer­de ihm der Schlaf­wa­gen leicht! Im Büro sa­ßen sein Schwa­ger und für Ly­dia eine Stell­ver­tre­te­rin. Was gin­gen mich denn sei­ne Sei­fen an – Ly­dia ging mich an.

      Da stand sie schon mit den Kof­fern vor ih­rem Haus – »Hal­lo!«

      »Du bi­scha all do?« sag­te die Prin­zes­sin – zur gren­zen­lo­sen Ver­wun­de­rung des Ta­xichauf­feurs, der die­ses für Ost­chi­ne­sisch hielt. Es war aber Mis­singsch.

      Mis­singsch ist das, was her­aus­kommt, wenn ein Platt­deut­scher Hoch­deutsch spre­chen will. Er krab­belt auf der glatt ge­boh­ner­ten Trep­pe der deut­schen Gram­ma­tik em­por und rutscht alle Nase lang wie­der in sein ge­lieb­tes Platt zu­rück. Ly­dia stamm­te aus Ro­stock, und sie be­herrsch­te die­ses Idi­om in der Vollen­dung. Es ist kein bäu­ri­sches Platt – es ist viel fei­ner. Das Hoch­deutsch dar­in nimmt sich aus wie Hohn und Ka­ri­ka­tur; es ist, wie wenn ein Bau­er in Frack und Zy­lin­der aufs Feld gin­ge und so acker­te. Der Zy­lin­der ischa en fi­nen stat­schen Haut, över wen dor nich mit grot worn is, denn rutscht hei üm­mer wer­rer aff, dat deit he … Und dann ist da im Platt der gan­ze Hu­mor die­ser Nord­deut­schen; ihr gut­mü­ti­ger Spott, wenn es ei­ner gar zu toll treibt, ihr fest zu­pa­cken­der Spaß, wenn sie falschen Glanz wit­tern, und sie wit­tern ihn, un­fehl­bar … die­se Spra­che konn­te Ly­dia bei Ge­le­gen­heit spre­chen. Hier war eine Ge­le­gen­heit.

      »Kann mir gah­nich gie­nug wun­nern, das­se den Zeit nich ver­schla­fen hass!« sag­te sie und ging mit fes­ten, ru­hi­gen Be­we­gun­gen dar­an, mir und dem Chauf­feur zu hel­fen. Wir pack­ten


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