Charles Fourier: Sein Leben und seine Theorien. Bebel August

Charles Fourier: Sein Leben und seine Theorien - Bebel August


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zum Kaiser und alle Welt beschäftigte sich mit der Frage, ob endlich dauernd Frieden einkehren, oder welcher Staat das nächste Angriffsobjekt bilden werde. Fourier setzte auseinander, daß zunächst noch kein Friede kommen dürfe, daß unter den vier Staaten, die als selbstständige Reiche in Frage kämen. Frankreich, Rußland, Oesterreich, Preußen, letzteres, als das schwächste, zuerst an die Reihe kommen und verschwinden werde. Mit einer einzigen Schlacht sei es niedergeworfen — was bekanntlich thatsächlich geschah — und dann werde es das Schicksal Polens finden und unter die anderen drei getheilt werden. Jetzt sei das Triumvirat und ein längerer Friede möglich; einige man sich nicht, so komme Oesterreich an die Reihe, zuletzt entbrenne der Kampf zwischen Rußland und Frankreich um die Herrschaft der Welt. England ließ er außer Betracht, weil es als insularer Staat und einzige Alles beherrschende Seemacht zunächst unangreifbar war. Aber wer in Europa Sieger bleibe, werde Indien nehmen, die Häfen Asiens und Europas schließen und so England zu Grunde richten. Gegen England, in dem er die Stütze des Handelssystems und den Repräsentanten aller Niederträchtigkeiten des Handelsgutes sah, empfand er einen besonderen Haß, der häufig aus seinen Schriften hervorbricht. Der erwähnte Artikel erregte die Aufmerksamkeit Napoleon's und führte zu Untersuchungen über den Verfasser; dem Verleger wurde bedeutet, künftig ähnliche Artikel nicht wieder aufzunehmen.

      Im Jahre 1808 veröffentlichte Fourier sein erstes und grundlegendes Werk unter dem Titel: „La Theorie des quatre Mouvements et des destinées generales“ („Die Lehre von den vier Bewegungen und den allgemeinen Bestimmungen“). In diesem Werke sind seine Ideen bereits vollkommen enthalten, obgleich es noch vielfach der Klarheit und namentlich der logischen Entwicklung entbehrt; dafür ist es aber mit dem ganzen Feuer der ersten Begeisterung eines Mannes geschrieben, der an seine Mission und die Unfehlbarkeit seiner Theorien glaubt. Fourier ließ das genannte Werk allerdings zunächst nur als Prospekt seiner Entdeckung erscheinen, dem später noch acht lange Abhandlungen über die Gesammtheit seiner Theorien folgen sollten. Diese erschienen nun zwar nicht, aber was erschien, enthielt im Grunde doch nur umfänglichere Erläuterungen und größere Detailschilderungen seines Systems, untermischt mit philosophisch-polemischen Abhandlungen gegen seine Gegner, worin er sich gegen die auf ihn und gegen seine Theorien gerichteten Angriffe wandte, dabei immer dem Grundsatze folgend: die beste Taktik zur Abwehr ist der Angriff. Auch liebte er es, in seinen Werken immer wieder seine positiven Hauptgedanken, wie seine Hauptanklagen gegen die bestehenden Zustände zu wiederholen, nachdrücklich hervorhebend, daß dies nöthig sei, einestheils, um seine Ideen, die dem Leser neu und fremd seien, besser und sicherer in dessen Köpfe haften zu lassen, anderntheils, um die in den Köpfen tief eingewurzelten Vorurtheile um so gründlicher zu beseitigen. Eine unzweifelhaft sehr richtige Taktik, die auch die Gegner alles Neuen bisher stets angewandt haben, wodurch sie es fertig brachten, selbst die absurdesten Vorurtheile lange Zeit aufrecht zu erhalten.

      Die große Masse in allen Kreisen denkt nur gewohnheitsmäßig, die einmal übernommenen Ideen bewegen sich in gewissermaßen ausgefahrenen Hirngeleisen, und es bedarf erst starker und wiederholter, durch greifbare Thatsachen und fühlbare Uebel unterstützter Argumente, um sie aus der gewohnten Denkbahn zu reißen. Und ist das Interesse nicht mit den neuen Ideen verknüpft, so ist alle Arbeit vergebens, vereinzelte Idealisten ausgenommen, die schließlich doch auch nur aus Interesse geleitet werden, weil sie weiter blicken und das Neue als das Zukünftige, als unabänderliche Nothwendigkeit und Verbesserung für Alle ansehen und darum für erstrebenswerth halten.

      Der Gedankengang, den Fourier in seinem ersten Werk entwickelt, ist kurz folgender: die Welt besteht aus drei ewigen, unerschaffenen und unzerstörbaren Prinzipien:

       Gott, oder dem Geist, aktives und bewegendes Prinzip;

       der Materie, passives und bewegtes Prinzip;

       der Gerechtigkeit oder den mathematischen Gesetzen, regulirendes Prinzip.

      Analog dem Weltall besteht auch der Mensch aus drei Prinzipien:

       den Trieben, passions, aktives und bewegendes Prinzip;

       dem Körper, passives und bewegtes Prinzip;

       der Intelligenz, neutrales und regulirendes Prinizp.

      Gott, welcher der Leiter und Lenker des Weltalls ist, kann nur die Einheit und Harmonie desselben wollen, weil sonst er mit sich selbst in Widerspruch stünde. Daher existirt eine ununterbrochene Kette von Beziehungen zwischen Allem, was vorhanden ist. Zwischen den drei Reichen der Natur — Thieren, Pflanzen, Mineralien — und dem Menschen, zwischen dem Menschen und Gott, wie zwischen dem Menschen und dem Erdball, und dem ganzen Planeten- und Weltsystem.2 Indem Gott den Menschen schuf, ihn mit Trieben und Leidenschaften ausstattete, wollte er, daß der Mensch damit glücklich sei. Es ist also nicht anzunehmen, daß diese Triebe schädliche sind, daß der eine oder der andere unterdrückt werde oder unbefriedigt bleibe. Die Befriedigung seiner Triebe schafft vielmehr die Harmonie des Menschen mit sich selbst und mit Gott. Wenn wir trotzdem häufig sehen, daß diese Triebe des Menschen sich oft nur in schädlicher Richtung oder gar nicht äußern und nicht befriedigt werden können, so beweist dies nichts gegen die Triebe und die Ordnung Gottes, sondern spricht gegen die soziale Organisation der Gesellschaft, welche diese Triebe sich falsch zu bethätigen zwingt oder sie gar unterdrückt.

      Es sind nun vier Bewegungen, oder wie er später aufstellte, fünf, welche die ganze Welt in Thätigkeit setzen und sie den Bestimmungen entgegenführen.

      1 Die normale Bewegung; Gesetze der Anziehung für die imponderablen (unwägbaren) Elemente, Elektrizität, Magnetismus, Gerüche.

      2 Die thierische oder instinktuelle Bewegung; Gesetze der Anziehung für die Triebe und Instinkte aller erschaffenen Wesen, wann und wo immer sie waren, sind und sein werden.

      3 Die organische Bewegung. Gesetze der Anziehung für die Eigenschaften der Körper: Form, Farbe, Geschmack, Geruch etc.

      4 Die materielle Bewegung — bereits durch die Mathematiker (Newton) entdeckt — Gesetze der Anziehung und Gravitation der Weltkörper (Planeten Fixsterne). Die Kometen sind nach Fourier irreguläre Weltraumbummler.

      5 Die soziale Bewegung — der eigentliche Angelpunkt (Pivot) des Ganzen — die Gesetze, welche die Ordnung und Aufeinanderfolge der verschiedenen sozialen Gestaltungen auf allen Weltkörpern regeln.

      Der Mittelpunkt dieser sozialen Gesetze ist der Mensch, der im Grunde damit zum Mittelpunkt des Ganzen wird um den sich Alles dreht.

      Was hat die Welt überhaupt für einen Zweck, wenn sie nicht für den Menschen geschaffen ist? Das ist der Hauptgedanke, der seiner Weltauffassung zu Grunde liegt.

      Die Bestimmung des Menschen ist das Glück, das in der Entwicklung aller seiner Anlagen, der Befriedigung aller seiner Triebe liegt. Der Mensch soll genießen und abermals genießen Alles, wonach sein Herz ihn drängt, das ist das Fourier'sche Evangelium und nach ihm die Bestimmung des Menschen durch Gott. Man sieht, dieser Fourier'sche Gott ist ein sehr materialistischer Gott, der sich in starkem Gegensatz zu dem Gott des Christenthums befindet, der die Enthaltsamkeit, die Demuth, die Kreuzigung des Fleisches predigt.

      Seiner Bestimmung gemäß strebt also der Mensch nach dem Glück, und Reichthum und Gesundheit bilden sein Glück. Er will Reichthum, um sich Genuß verschaffen zu können, und er will Gesundheit, um sie genießen zu können. Den Reichthum genießen nur Wenige, und meist Jene, die ihn am wenigsten verdienen; die Gesundheit mangelt fast Allen. Den Einen in Folge von Noth, Elend, Trübsal, Entbehrungen, den Anderen in Folge von Ueberüppigkeit, Schwelgerei, Uebermaß der Genüsse. Das Eine wie das Andere ist Folge unserer sozialen Einrichtungen, die keinem Theil der Gesellschaft, weder dem Reichen noch dem Armen, die vernünftige und gesunde Entwicklung aller seiner Kräfte und Fähigkeiten, die Abwechslung und befriedigende Anwendung seiner Triebe gestatten. Zwar will die Gesellschaft, und namentlich die Zivilisation, das allgemeine Glück, aber was sie erstrebt, schlägt stets in das Gegentheil um. Wir behaupten, die Wahrheit zu wollen, und überall herrscht Lüge, Heuchelei, Unterdrückung; wir wollen die Moral und es herrscht Diebstahl, Betrug, Verführung, Ehebruch, Prostitution, kurz allgemeine Sittenlosigkeit; wir erstreben das allgemeine Glück und sieben Achtel bis acht Neuntel der Menschen sind unglücklich, weil


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