Selbstbetrachtungen. Marc Aurel

Selbstbetrachtungen - Marc  Aurel


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      Wie die Ärzte für plötzliche Operationen ihre Werkzeuge und Eisen stets zur Hand haben, so sollst auch du deine Überzeugungen in beständiger Bereitschaft halten, um göttliche und menschliche Dinge richtig anzusehen und, eingedenk des gegenseitigen Zusammenhangs beider, alles und auch das Geringste danach auszurichten. Denn du wirst ebensowenig etwas Menschliches ohne Beziehung auf das Göttliche, als umgekehrt, glücklich zustande bringen.

      Treib dich nicht länger unstet umher! Denn du kommst ja doch nicht mehr dazu, deine eigenen Denkwürdigkeiten oder die alten Geschichten der Römer und Griechen oder die Auszüge aus anderen Schriftstellern zu lesen, welche du für dein Alter zurückgelegt hast. Strebe also zum Ziel, gib leere Hoffnungen auf und komm, solange du es noch kannst, dir selber zu Hilfe, wenn du dich selbst einigermaßen lieb hast.

      Sie wissen nicht, wie vieldeutig Worte sind, z. B. wie mancher sagt: »ich will doch sehen, was es gibt«, und nicht daran denkt, dass letzteres nicht mit den leiblichen Augen geschieht, sondern einer anderen Sehkraft bedarf.

      Leib, Seele, Vernunft – dem Leib gehören die Empfindungen an, der Seele die Triebe, der Vernunft die Grundsätze. Das Vermögen, durch Eindrücke von außen Vorstellungen zu empfangen, besitzen auch unsere Haustiere; durch Triebe mechanisch hin- und hergezerrt zu werden, ist den wilden Tieren und auch jenen Halbmenschen, wie einem Phalaris und Nero, den Gottesleugnern, Vaterlandsverrätern und den Übeltätern hinter verschlossenen Türen gemein. Wenn nun nach dem Gesagten dies und anderes derart allen gemeinschaftlich ist, so bleibt als eigentümlich für den Guten nur das übrig, dass er zu allem, was ihm als Pflicht erscheint, die Vernunft zu seiner Führerin habe, alles, was ihm durch die Verkettung der Geschicke begegnet, mit Liebe umfasse, den im Innern seiner Brust thronenden Genius nicht beflecke, noch durch ein Gewirr von Einbildungen beunruhige, sondern ihm seine Heiterkeit bewahre mit Anstand, wie einem Gotte ihm folge, und ebensowenig etwas rede, was der Wahrheit, als etwas tue, was der Gerechtigkeit widerstreitet. Sollte aber auch alle Welt in sein einfaches, sittsames und wohlgemutes Leben Zweifel setzen, so wird er darüber weder jemand zürnen noch auch von dem Pfade abweichen, welcher zu einem Lebensziel führt, bei dem man rein, ruhig, bereit und mit williger Ergebung in sein Schicksal ankommen muss.

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