Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?. Thomas Röper

Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt? - Thomas Röper


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      Wenn man sich eine Meinung über jemanden bilden möchte, muss man wissen, was der Mensch sagt und denkt. Ob man ihn dann mag oder nicht mag, ist jedem selbst überlassen. Aber man sollte zumindest wissen, wofür er steht, um die Entscheidung darüber zu treffen, ob man sich der Meinung anschließen kann oder nicht.

      Ich kenne Russland seit 1991 und habe seit 1998 fast ununterbrochen in Russland gelebt. Entsprechend spreche ich inzwischen auch gut Russisch. Und mir ist aufgefallen, dass in Deutschland zwar viel über Putin geschrieben wird, aber er selbst kommt fast nie zu Wort. Und wer kein Russisch versteht, hat kaum eine Möglichkeit, sich darüber zu informieren, was Putin eigentlich selbst über wichtige aktuelle Themen sagt.

      Hinzu kommt – dafür werden wir in diesem Buch einige Beispiele finden –, dass Interviews mit Putin im Westen so verkürzt werden, dass der westliche Zuschauer zwar glaubt, er habe die Aussagen Putins gehört, in Wirklichkeit werden sie aber so aus dem Zusammenhang gerissen oder so zusammengeschnitten, dass sich nicht selten der Sinn des Gesagten verändert.

      Daher hatte ich die Idee, einfach ein Buch mit Zitaten von Putin zu schreiben, einfach ihn selbst ganz ungefiltert zu Wort kommen zu lassen. Leider stellte ich schnell fest, dass das gar nicht so einfach ist, denn nicht jeder in Deutschland kennt die jüngere russische Geschichte und die Situation im Land selbst. Oft weiß man gar nicht mehr, wann eigentlich z. B. die Ukraine-Krise war. Aber um die Aussagen eines Politikers zu verstehen, muss man auch wissen, in welchem Zusammenhang er etwas gesagt hat. Und so kam es, dass ich doch eine Menge Erläuterungen einfügen musste. Aber ich versuche, diese so kurz wie möglich zu halten.

      Das Buch besteht daher nun aus drei Teilen. Im ersten Teil zitiere ich nach einer Einleitung über Russland und seine jüngere Geschichte aus den drei wichtigsten internationalen Reden Putins. Diese Reden sind interessant, weil sie aufzeigen, wie sich seine Sicht auf die internationale Politik mit den Jahren verändert hat.

      Im zweiten Teil handele ich verschiedene Themen ab, zu denen sich Putin geäußert hat. Auch hier kann man, zum Beispiel bei den Themen Ukraine und Syrien, gut sehen, wie sich seine Rhetorik mit der Zeit veränderte und auch, ob und wie seine Aussagen zu seinen Handlungen passten.

      Im dritten Teil geht es um den Valdai-Club. Das ist eine hochkarätig besetzte internationale Tagung zu weltpolitischen Themen, die jedes Jahr in Russland stattfindet und wo Putin jedes Mal stundenlang an der Podiumsdiskussion teilnimmt. Ich werde sowohl seine Reden als auch weite Strecken der Diskussionen im Wortlaut wiedergeben. Natürlich wird sich einiges dabei wiederholen, das ist unvermeidbar, denn zum Beispiel die Themen Ukraine oder Syrien sind ja seit Jahren aktuell, und entsprechend kommen sie auch immer wieder vor. Trotzdem finde ich es auch hier interessant, zu beobachten, wie sich die Formulierungen mit der Zeit entwickeln. Aber ich will nicht vorgreifen.

      Für das Buch habe ich als Quellen im Wesentlichen russische Dokumentarfilme über Putin sowie Podiumsdiskussionen und Interviews mit Putin genutzt. Putin ist einer der ganz wenigen Staatschefs der Welt, der sich viel Zeit nimmt, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen und stundenlang internationalen Experten und Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Die wichtigsten Quellen waren daher für mich einerseits das schon erwähnte Valdai-Forum sowie das Petersburger Wirtschaftsforum, das alljährlich stattfindet und zu dem das Who-Is-Who der internationalen Wirtschaft anreist.

      Leider sind diese Konferenzen im Westen unbekannt, weil die Medien schlicht nicht über sie berichten, dabei treffen sich dort tatsächlich weltweit führende Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftslenker und andere Entscheidungsträger, die unser Leben ganz wesentlich beeinflussen.

      Entsprechend hochrangig besetzt sind auch die Podiumsdiskussionen. 2013 saß neben Putin auch Merkel auf dem Podium, Macron war schon dabei, die Regierungschefs von Österreich, Finnland, Indien und so weiter ebenfalls. Moderatoren sind meist führende Journalisten aus den USA von Fox, CBS, Bloomberg und anderen Fernsehsendern, die sich teilweise sichtlich bemühen, Putin in die Enge zu treiben. Es handelt sich also nicht etwa um handzahme russische Journalisten, die Angst vor kritischen Fragen haben oder russische Propaganda verbreiten wollen, wie man leicht vermuten könnte, wenn man den deutschen Medien glaubt, was sie über die Pressefreiheit in Russland berichten.

      Zum Schluss noch ein Wort zu Formulierungen: Sie werden sehen, dass Putin ständig von den „westlichen Partnern“, den „amerikanischen Partnern“ oder seinen „Kollegen“ spricht. Die Formulierung, die USA als „amerikanische Partner“ zu bezeichnen, egal wie schlecht die Beziehungen zwischen den USA und Russland auch sein mögen, ist keine Erfindung von Putin. Vielmehr war das schon zu Gorbatschows Zeiten und früher die Formulierung, die russische Politiker eben benutzen. Und wenn Putin von seinen „Kollegen“ spricht, dann meint er damit meistens andere Regierungschefs und Politiker.

      So, genug der Vorrede, ich hoffe, Sie finden hier viel Neues, was Sie in den deutschen Medien so noch nicht gehört haben und lade Sie ein, sich nun selbst ein Bild von Putin, seiner Politik und seinen Zielen zu machen. Ob Sie dies danach gut finden oder nicht, ist ganz allein Ihre Entscheidung, ich möchte Ihnen nur Zugang zu Putins Aussagen geben, die man zur Meinungsbildung nun einmal braucht.

      Einleitung

      Bevor wir Putin selbst zu Wort kommen lassen, müssen wir erst einmal über Russland reden, denn im Westen wissen die meisten Menschen wenig über dieses Land. Aber wenn man einordnen will, was jemand sagt oder denkt, dann muss man die Hintergründe kennen. Daher will ich so kurz wir möglich auf die Vorgeschichte Putins und Russlands eingehen.

      Ende der 1980er Jahre war der Westen von der „Gorbimanie“ erfasst, Gorbatschow war das neue Gesicht der Sowjetunion. Er ging auf den Westen zu, beendete den Kalten Krieg und schenkte den Deutschen die Wiedervereinigung. Kein russischer Politiker vorher oder nachher war im Westen so populär wie Gorbatschow.

      In Russland sehen die Menschen das anders, denn mit Gorbatschow verbinden sie den Niedergang ihres Landes und die Verarmung der Menschen.

      Keine dieser Positionen ist vollkommen richtig oder falsch. Gorbatschow ging nicht ganz freiwillig auf den Westen zu, er war dazu gezwungen, da Reagans Politik die Sowjetunion in die Pleite getrieben hatte. Reagan setzte dazu auf zwei Methoden, erstens ein teures Wettrüsten und zweitens gleichzeitig – mit Unterstützung Saudi-Arabiens – eine Senkung der Ölpreise, was den Strom von Devisen in die Sowjetunion reduzierte. Diese von Reagan geführte Politik zwang die Sowjetunion, bei sinkenden Einnahmen die Ausgaben zu erhöhen, und sie verbrauchte binnen kurzer Zeit die staatlichen Reserven, bis sie faktisch pleite war.

      Für die Menschen dort bedeutete das spätestens ab Ende der 1980er Jahre die totale Verarmung. Geld war nichts mehr wert und Lebensmittel gab es nur noch auf Bezugsscheine, sogar eine Hungersnot drohte. In dieser Situation war Gorbatschow in einer denkbar schwachen Verhandlungsposition und machte dem Westen die Zugeständnisse, die ihn im Westen so populär machten.

      Dies führte dazu, dass Ende 1991 die Sowjetunion auseinanderbrach und die ehemaligen Sowjetrepubliken selbstständige Staaten wurden, der größte dieser Staaten war die Russische Föderation, in der der kurz zuvor gewählte Boris Jelzin Präsident war.

      Jelzin war ein recht leicht zu manipulierender Mann, der dazu noch ein Alkoholproblem hatte. In dieser Situation gingen im Kreml westliche Berater ein und aus, sie schrieben ganze Gesetze für den jungen Staat. Vor allem aber empfahlen sie, möglichst alles möglichst schnell zu privatisieren, um die Wirtschaft aus dem ineffektiven staatlichen System in „effektive“ private Hände zu überführen, damit die Einnahmen daraus dem Staatshaushalt zugute kamen, denn auch Russland war genau so pleite wie zuvor die Sowjetunion.

      In dieser Zeit schlug die Stunde der später so genannten Oligarchen. Das waren junge Männer, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und die nötige Portion Skrupellosigkeit mitbrachten, die es braucht, wenn man sich gegen alle Gesetze und Moralvorstellungen ein Vermögen zusammenklau(b)en will. Sie nutzten Beziehungen und Geld, um sich große Firmen zu minimalen Preisen unter den Nagel zu reißen. Oft wurden dabei auch Mafiamethoden angewendet, Morde gehörten im Russland der 1990er in der Geschäftswelt zum Alltag. Im Westen erreichte damals die „Russische Mafia“ zweifelhafte Berühmtheit.

      In


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