Gebete für Israeliten. Abraham Alexander Wolff
ich wirke; stärke mich, daß ich auf reinen Wandel achte, jedes meiner Worte wohl bedenke und auf jede meiner Handlungen wohl aufmerksam sei, und in der Freude wie im Schmerze mich als ein gottesfürchtiges und gottergebenes Kind zeige, das stets deinen Willen zu erfüllen sucht. Stehe mir zur Seite bei den Mühen und Arbeiten dieser Woche, daß die Mühsal des Tages mir zum Segen werde, und die Freuden, die du mir bereitest, mich unaufhörlich erinnern an den Dank, den ich dir schulde. Stärke mich, daß ich die Widerwärtigkeiten und Unannehmlichkeiten duldend ertrage und selbst denen mich liebevoll erweise, die mich in dieser Woche zu betrüben suchen. Lehre mich deine Weisheit anbeten und deine Güte auch in der schmerzlichen Stunde preisen, die dein Wille mir auferlegen sollte, und jede glückliche, freudenreiche Stunde im Irdischen erinnere mich an die Ewigkeit, der ich entgegengehe. Herr!»laß mit jedem Morgen mich deine Gnade erfahren; denn auf dich hoffe ich; tue mir den Weg kund, den ich zu wandern habe, denn es sehnt sich mein Herz nach dir!«[9]
Amen.
Betrachtung über 1. Buch Mosis 1, 3-4.
7. Allmächtiger, allweiser Schöpfer! Am ersten Schöpfungstage nähert sich meine Seele dir und danket dir, daß du die Finsternis hast schwinden lassen und wiederum, wie einst, da du über die leblose Natur das:»Werde Licht!« riefst, mich von deinem Licht umstrahlt sein läßt, das allem um mich her Kraft spendet und Reiz verleiht. Ach Herr, mein Gott! du, der du so unendlich bist, der du dich hüllest in Licht wie in ein Gewand (Ps. 104), zerstreue du die Finsternis, die noch über so viele ausgebreitet ist, auf daß das Licht der Liebe die Herzen aller Lebenden erleuchte und erwärme! Hilf du mir, daß ich den Weg des Lichtes wandre, daß kein trüber Zweifel meine Seele umschleiere, keine Versuchung mich auf die dunkle Bahn des Lasters führe. Laß deine Gnade und Huld mir und den Meinigen zu teil werden, auf daß wir unser tägliches Brot finden und es in Freuden genießen. Erleuchte mich mit deinem Lichte und deiner Wahrheit, daß sie mich leiten, dich zu suchen, dir zu dienen mit allem, was ich in dieser Woche vornehme, daß keiner meiner Gedanken und keine meiner Taten das Licht des Tages zu scheuen nötig habe. Verschone mich und die Meinigen von großen Sorgen, die den Sinn beschweren, ihn niederdrücken und irre leiten. Und so zuweilen die Aussichten trübe sind, und Angst mein Herz beschleicht, dann laß mich eingedenk sein, daß du gnädig und barmherzig bist, und daß den Frommen ein Licht in der Finsternis aufstrahlt (Ps. 112); laß mich eingedenk sein, daß wir hienieden nicht das volle Licht schauen können, daß es aber in der Ewigkeit herrlich für diejenigen strahlen wird, die dich in Wahrheit anbeten. So nimm mich denn in deinen Schutz, und möge all mein Streben in dieser Woche dazu beitragen, daß ich einst würdig werde, dieses Licht zu schauen,—»sei mir gnädig, segne mich und laß das Licht deines Antlitzes mir leuchten!«[10]
Amen!
Abendgebet.
8. Wiederum habe ich einen Tag verlebt, an welchem du mir so viele Beweise deiner väterlichen Fürsorge und deiner rettenden Gnade gegeben, daß ich tief fühle, was ich dir schulde, und es tief erkenne, wie wenig ich so viel Güte verdient habe. O! mein Gott, gehe nicht ins Gericht mit mir; denn vor dir ist kein Lebender gerecht, sondern vergib in deiner Langmut und Barmherzigkeit meine Sünden, meine Vergehen und Irrtümer, die ich mir im Laufe des Tages habe zu schulden kommen lassen. Erhöre meine Seufzer, die ich in Demut emporsende, auf daß ich getrost mich zur Ruhe legen, und nun zur Zeit, wo aller menschliche Beistand schlummert, auf deinen Schutz vertrauen kann. O du, vor dem die Nacht hell ist wie der Tag, sei du mein Beschützer in jeglicher Gefahr, das Licht meiner Seele in der schaurigen Finsternis, bewahre mich vor den Schrecknissen der Nacht, halte jegliche Krankheit von meinem Lager fern, und laß deinen Geist mich beseelen, auch wenn ich schlummere, auf daß ich neue Kraft gewinne, um die Kämpfe des Lebens zu bestehen, und gestärkt werde, deinen Willen zu erfüllen. Erbarme dich der Menschenkinder und laß bald die Nacht vor deinem himmlischen Lichte weichen, das Friede und Liebe auf der ganzen Erde verbreitet; halte deine Hand über die, die unter dem Dache meines Hauses schlafen, daß niemand sündige, niemand strauchle! Dir empfehle ich alle meine Lieben, nahe und ferne, laß mich in Frieden schlafen und wohl und gesund wieder erwachen, um dich zu loben und zu preisen, daß du warst die Hilfe meines Antlitzes, mein Schild, mein Gott.
Amen!
Am Montag.
Morgengebet.
9. So bin ich denn wieder erwacht, ich rege mich und lebe in dir, du Lebensspender, allgütiger Gott! Ach, mit welch drückenden Gedanken begab ich mich zur Ruhe! Kaum hoffte und erwartete ich, von den mannigfachen Sorgen befreit zu werden, die auf meinem Herzen lasteten und meine Seele so unruhig machten; aber du bereitetest mir einen erquickenden Schlaf, und mit den Schatten der Nacht, die vor dem Lichte des Morgens weichen, war alles, was mich drückte, verschwunden. Nun fühle ich mich wie neu geschaffen und schaue mit Vertrauen auf zu deiner unendlichen Güte, die über mich wachet. Unschlüssig war ich und fürchtete den kommenden Tag; aber siehe, es ist als ob du im Laufe der Nacht Entschlossenheit meiner Seele eingegeben hättest, daß ich mit neuer Lust und freudigem Mute heute wieder an mein Werk gehe. O, möchte doch mein Vertrauen auf dich nie wanken, o, möchte es mich doch auch heute zu meinem Werke begleiten, daß ich, was mir auch heute begegne, doch stets eingedenk bleibe und mit ergebenem Sinne erkenne, daß du der Herr bist, und daß du tuest, was gut in deinen Augen ist! Verleihe mir aber auch die Kraft, in meinem Streben und Wirken würdig zu bleiben, das Auge zu dir erheben zu dürfen, daß ich stets auf deine väterliche Hilfe und auf deinen Schutz vertraue, daß kein falsches Vertrauen sich in mein Herz schleiche, und daß ich nicht durch unermüdliches Jagen nach den vergänglichen Dingen, durch Eigennutz, Genußsucht oder Eitelkeit das Glück und den Segen verscherze, den du allen denen verheißen, die ihre Hoffnung auf dich setzen. So stärke mich denn, daß ich arbeite, ohne zu ermüden, daß ich mit dankbarem Sinn jede Freude genieße, die du mir schenktest, und ich zum Segen wirke! Laß mich nie Ärgernis und Anstoß verursachen, sondern in der Zeit als einen leben, der die Ewigkeit vor Augen hat! O, du ewiger Gott, sei mir gnädig, segne und bewahre mich! Ja, ich will nicht verzagen; denn meine Hilfe kommt von dir, der du geschaffen Himmel und Erde.
Amen!
Betrachtung über 1. B. M. 1, 6-8.
10. Allmächtiger Schöpfer, alliebender Gott! Ich danke dir, daß du mich wieder den zweiten Wochentag hast schauen lassen den Himmel, der sich noch über mir wölbt, wie du ihn einst am zweiten Schöpfungstage über die Erde ausgespannt hast. So leuchtete sofort deine Herrlichkeit über dem Staube, daß wir dadurch erinnert würden, daß die Seligkeit des Himmels das Ziel für den Erdenkampf sei, und in der Ruhe und in dem Frieden, der von dem sichtbaren Himmelsbogen widerstrahlt, spiegelt sich für den Menschen der selige Friede des unsichtbaren Himmels ab. Bei aller Not und Sorge des Lebens soll der Mensch zum Himmel empor schauen und dort die Tröstung und Erquickung suchen, die die Erde nicht zu gewähren vermag, und in den Versuchungen der Welt, in ihrem Kampf und Streit soll er von deinem Himmel Kraft und Freiheit holen. Aber darf auch ich wohl meinen Blick zum Himmel erheben?—O, nur der kann freudig empor in die Höhe sehen, der das tut, was dir wohlgefällig ist! Hab ich dieses getan? War ich stets eingedenk, daß ich überall in deinem Heiligtum bin, da überall der Himmel über mir ausgebreitet ist, der deine Herrlichkeit Tag für Tag verkündet? Habe ich mich wohl auf Geistesschwingen zum Himmel gehoben, während mein Fuß zur Erde gestellt war—leuchtete