Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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keiner, was geschieht...«

      Das Madl hob die Augenbrauen. »Mei, Franziska, die Mannsbilder scheinen heut auf d’ Nacht alle narrisch geworden zu sein.« In ihren Augen blitzte der Schalk. »Wollen wir losziehen und uns zwei anlachen?«

      »Du gehst besser ins Bett, Madl, und zwar allein. Dann bist morgen früh für die Schul ausgeschlafen«, mahnte die Hauserin.

      Evi schnitt hinter ihrem Rücken eine Grimasse, verschwand dann aber doch in ihrer Kammer. Allerdings war sie fest entschlossen, wach zu bleiben, bis Vater und Bruder wieder zurückkamen. Da gab es sicher einiges zu versäumen...

      Alois Burgmüller brauste die schmale Straße zum Berghof viel zu schnell hinauf. Er vollführte eine Vollbremsung und riß fast den Klingelstrang ab. Als Georg Fellner auf der Haustür erschien, packte er den sogleich am Kragen und herrschte ihn an: »Und so was ist mal mein Spezl gewesen! Du Haderlump, du Hundling, damischer! Ich werde dich Mores lehren!«

      Der Bergbauer wußte kaum, wie ihm geschah, als Alois ihn in die gute Stube stieß und brüllte: »Glaubst du im Ernst, ich durchschau dich net? Will sich in meine Familie einschleichen. Das Wegerecht hat ihm net gereicht, jetzt will er alles. Aber ohne mich! Bevor dein ungeratener Ableger als Bäuerin auf meinen Hof kommt, spreng ich lieber alles in die Luft!«

      »Alois, bist narrisch geworden?« Maria Fellner trat zwischen die beiden Mannsbilder und blitzte den Bürgermeister drohend an. »Was fällt dir ein, hier hereinzupoltern und uns zu beschimpfen? Ich mein fast, du hast deinen Verstand verloren!«

      In diesem Moment kam Tobias herein, Lisa, die sich hinter ihrer Mutter versteckt hatte, fiel dem Burschen in die starken Arme. Gleich hielt er sie fest, spürte den angstvollen Schlag ihres Herzens und rief:

      »Du kannst nix ändern, Vater, und wennst brüllst, daß man es in München hört. Die Lisa gehört zu mir, wir haben uns lieb und werden heiraten!«

      Georg Fellner, der sich in der Zwischenzeit von dem Schreck erholt hatte, wollte wissen: »Was soll das heißen, Lisa? Du hast dich noch net mit einem Burgmüller eingelassen? Die sind das Verlogenste und Hinterfotzigste...« Maria hielt ihrem Mann den Mund zu, dann forderte sie mit Nachdruck: »Schleich di, Alois, du hast für heut abend genug Unheil gestiftet!«

      »Noch lang net«, knirschte der, dann ging er auf Lisa los. Er kümmerte sich nicht um seinen Sohn, der ihn auf Abstand hielt, grollte: »Nie und nimmer geb ich es zu, daß eine Fellner auf meinem Hof Einzug hält. Wennst deine gierigen Finger net von meinem Sohn läßt, dann könnt ihr zwei beim nächsten Bauern einstehen, als Knecht und Magd, hast mich?«

      Das Madl machte sich mit einem gequälten Aufschrei von seinem Liebsten los und rannte davon. Tobias zögerte nur kurz. »Du kannst uns net trennen, das schaffst nicht«, beteuerte er finster entschlossen, dann folgte er Lisa nach draußen. Es war eine kühle Spätsommernacht, Wind war aufgekommen und brachte feinen Nieselregen. Der Herbst war nicht mehr weit. Als Tobias sich draußen umschaute, konnte er das geliebte Madl nirgends ausmachen. Kurz überfiel ihn ein kaltes, ungutes Gefühl. Dann bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung in der Nähe des Steigs, der ins Dorf hinunter führte.

      »Lisa!« Der Bursch rannte los. Er kannte den Steig nur zu gut und wußte, daß er bereits im hellen Tageslicht und bei Sonnenschein gefährlich schmal war und voller Stolperfallen. Das geliebte Madl schien sich gar nicht bewußt zu sein, wohin es sich wandte. In blanker Panik flüchtete Lisa. Tobias packte die Wut, wenn er daran dachte, daß nur sein Vater die Schuld daran trug. Er hatte sich wie ein Wahnsinniger aufgeführt. Und weshalb? Wegen nichts! Der Jungbauer schluckte. Endlich hatte er den Steig erreicht, doch Lisa war nicht zu sehen. Wieder und wieder rief er ihren Namen. Der Regen hatte sich verstärkt, ein kräftiger Wind blies von Nord, ließ die Bergkiefern wie gequält aufseufzen. Tobias hatte das Gefühl, sich in einem ausgewachsenen Alptraum zu befinden. Schließlich mußte er einsehen, daß er allein nichts ausrichten konnte. Er kehrte ins Haus zurück. Sein Vater war mittlerweile fort, Maria Fellner schrak zurück, als der Bursch durchnäßt in die Diele stürmte. »Schnell, Taschenlampen! Die Lisa ist fort«, keuchte er.

      Kaum zwei Minuten später durchschnitten die Strahlen von mehreren starken Taschenlampen die Dunkelheit. Tobias ging neben Georg Fellner, der verbissen schwieg. Einige Knechte beteiligten sich an der Suche. Und dann war es der Großknecht, der die Hoftochter entdeckte. »Da her!« rief er gegen den Sturm. »Sie liegt hier, auf einem Felsvorsprung!«

      Tobias rannte, was seine Füße hergaben. Als er das geliebte Madl wie leblos gut zwei Meter unter dem Steig und direkt über dem Abgrund der Wildenklamm liegen sah, durchzuckte ihn ein wilder Schmerz. »Ich muß zu ihr«, murmelte er und machte Anstalten, nach unten zu klettern. Georg Fellner packte zu. »Warte, das geht net. Ihr stürzt beide ab. Wir brauchen die Bergwacht. Maria, ruf an!«

      »Das dauert zu lang. Holt Seile, ich geh runter.« Tobias starrte den Bergbauern, der ihm widersprechen wollte, in die Augen. »Wer weiß, wie lange der Vorsprung hält. Der Fels hier ist brüchig. Ich geh runter, es gibt sonst keinen Weg!«

      Georg gab sich einen Ruck. »Also gut, wir sichern dich.«

      Rasch wurden Seile geholt, der Bergbauer war ein erfahrener

      Kraxler und verfügte über die entsprechende Ausrüstung. Mit starken Seilen und Haken sicherte er Tobias, der sich vorsichtig nach unten gleiten ließ. Es dauerte nur ein paar Minuten, den Vorsprung zu erreichen, doch es erschien dem Burschen wie eine Ewigkeit. Das Wetter besserte sich allmählich, Wind und Regen ließen nach, der klare Nachthimmel kam wieder zum Vorschein. Als Tobias das geliebte Madl erreichte, schlug Lisa gerade die Augen auf. Verwirrt schaute sie sich um, konnte sich nicht erklären, wie sie hierher gekommen war.

      Dem Jungbauern fiel ein Stein vom Herzen. Er schloß Lisa in seine starken Arme und murmelte: »Gott sei Dank, du lebst. Wie fühlst dich, Liebes?«

      »Ein bisserl benommen. Was ist denn geschehen?«

      Tobias setzte eben zu einer Antwort an, als ein leises Knirschen ihn gemahnte, daß sie keine Zeit verschwenden durften. Mit einer kurzen Bewegung seilte er Lisa an und bat: »Halt dich gut an mir fest, ich bring dich wieder auffi. Du bist weggelaufen und wahrscheinlich ausgerutscht. Aber darüber können wir später reden, jetzt müssen wir hier weg.«

      »Dein Vater, ist er...« Sie schaute ihn ängstlich an.

      »Er ist fort. Und jetzt komm, halt dich fest!« Der Bursch zog kurz am Seil, woraufhin Georg und die beiden Knechte anfingen, ihn nach oben zu ziehen. Es gab einen festen Ruck, Tobias stellte die Füße in die Wand und begann, vorsichtig zu klettern. Er achtete darauf, daß Lisa nichts geschah. Voller Grauen klammerte sie sich an ihn, preßte die Augen fest zusammen, denn sie hatte gerade eben einen Blick in die Klamm getan. Ihr war nicht klar, wie sie hierher gekommen war, die Panik hatte ihr Handeln bestimmt. Und nun quälte Lisa Todesangst.

      Der Rückweg dauerte weitaus länger. Immer wieder mußte Tobias kurz pausieren, die Klettertour verlangte dem sportlichen Burschen das Letzte ab. Endlich hatten sie es geschafft. Starke Arme zogen Lisa über den Abgrund, Tobias ließ sich einfach fallen, er fühlte sich total ausgepumpt. Es war Georg Fellner, der dem Burschen auf die Beine half.

      »Hast dich verletzt?« fragte er. »Der Doktor ist schon verständigt.« Und als Tobias den Kopf schüttelte, meinte der Bergbauer: »Auf den Schrecken können wir beide ein Stamperl gebrauchen, net wahr?«

      Dagegen hatte der Jungbauer nichts einzuwenden. Ihm zitterten die Knie, und er spürte, wie er innerlich ganz schwach wurde. Die Sorge um Lisa hatte ihm hart zugesetzt.

      Es dauerte nicht lang, bis Dr. Brinkmeier kam, in seiner Begleitung befand sich sein Sohn Max. Er begrüßte Georg Fellner knapp, wollte dann wissen, wo sich die Patientin aufhielt.

      »In der guten Stube, ihre Mutter ist bei ihr.« Der Bergbauer maß den jungen Doktor fragend. »Vielleicht schaut dein Vater erst mal nach ihr, Max. Nix für ungut, aber...«

      »Ist schon recht.« Der junge Brinkmeier nahm es nicht krumm, er wußte, daß die Leute in Wildenberg sich erst an den Gedanken gewöhnen mußten, daß er der neue Landarzt war. Sein Vater schien das anders zu sehen, denn er


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