Seewölfe - Piraten der Weltmeere 40. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 40 - Roy  Palmer


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er schließlich zusammengebrochen war.

      Hasards Männer waren so aufgebracht gewesen, daß sie die verbliebenen 18 Sträflinge an Bord der „Isabella“ am liebsten einen nach dem anderen auseinandergenommen hätten. Doch der Seewolf hatte die Kerle das Floß bauen lassen. Es wäre die Ideallösung gewesen, die undankbaren Schufte auf der Insel Vache auszusetzen, wenn die Verzögerung ihnen nicht die Konfrontation mit den Piratenschaluppen eingebracht hätte.

      „Ho“, sagte Al Conroy. „Sie sind flinker als wir, die Scheißpiraten. Sie können besser manövrieren. Aber wir haben vierundzwanzig Culverinen und zehn Drehbassen.“ Er hatte die Kugel in den Lauf eingeführt. Kabelgarn hielt sie in der richtigen Lage. Das Zündloch war bereits mit Pulver gefüllt. Die gleichen Vorbereitungen waren sowohl an den übrigen Geschützen der Backbordseite als auch an der Steuerbordseite abgeschlossen worden. Die Zugtaljen, die die Kanonen beim Laden festhielten, wurden gelöst.

      Dann tönte wieder die Stimme des Profos’ über Deck: „Klar bei Lunten!“

      Die Zündschnüre begannen zu glimmen. Knisternd fraß sich die Glut durch das trockene Material.

      „Feuer!“

      Die vorderste Schaluppe hatte sich hart am Wind aus südwestlicher Richtung dem Heck der „Isabella“ genähert und luvte jetzt an, um ihr gleichfalls die Backbordseite darzubieten. Mitten in das Wendemanöver hinein fiel das Wummern der Culverinen. Zwölf Feuerblitze stachen aus den Stückpforten der „Isabella“ hervor, zwölfmal warf der Rückstoß die Kanonen zurück. Die Lafetten wurden von den Brooktauen gestoppt. Donnernd jagten die Kugeln auf die Schaluppen zu.

      Al Conroy zurrte seine Kanone wieder mit der Zugtalje fest, dann spähte er durch die Stückpforte und hielt sich dabei mit beiden Händen am Süll fest. Er sah, wie die Kugeln in die erste Schaluppe schlugen. Er wußte, daß seine Ladung mit dabei war, denn er hatte mit größter Präzision gezielt.

      Er brüllte „Hurra“ und „Zur Hölle mit den Piraten und der Karibik“ und hätte Matt Davies beinahe vor Freude auf die Schulter gehauen. Im letzten Augenblick hielt er sich zurück.

      „Das ist aber auch dein Glück“, sagte Matt. Er grinste so freundlich wie ein Haifisch.

      „Zieh mir bloß nicht deinen Eisenhaken durchs Gesicht“, erwiderte Al.

      „Ich kann mich beherrschen.“

      Al beeilte sich, den 17-Pfünder neu zu laden. Auf dem Vorkastell und Achterkastell brüllten jetzt die Drehbassen los und deckten die Piraten mit neuem Feuer ein. Die Gegner heulten vor Wut.

      Auf der vordersten Schaluppe ging der Mast in die Brüche. Eine Spiere zersplitterte und durchbohrte mit ihrem einen Ende einen Mann. Der Mann ging über Bord. Der Mast und das daranhängende Zeug hingen nach Backbord über. Die Schaluppe krängte erheblich, war manövrierunfähig und wirkte jetzt wie eine flügellahme Ente. Sie hatte außerdem einen Einschuß unterhalb der Wasserlinie sitzen.

      Sie sank.

      Die Piraten feuerten ihre Musketen auf die „Isabella“ ab. Sie gaben nicht auf. Sie waren Hunde der Verdammnis, und in ihrer Verzweiflung entwickelten sie einen unglaublichen Widerstandswillen. Sie zeigten, daß sie bereit waren, bis zum Äußersten zu gehen.

      Während die erste Schaluppe immer mehr Wasser übernahm und querzuschlagen drohte, rückten die beiden anderen näher. Der Seewolf ließ die Halse vollenden, ging dann auf westlichen und gleich darauf mit halbem Wind auf südwestlichen Kurs, bis die Segel standen und die Galeone volle Fahrt lief. Auf Südwestkurs glitt die „Isabella“ dahin und präsentierte den Piraten ihre Steuerbordbreitseite.

      Die beiden anderen Piratenschaluppen waren noch nicht nahe genug heran, um ihre Geschütze wirkungsvoll einsetzen zu können. Die „Isabella“ hingegen war eine schwimmende, feuerspeiende Festung, die von einem einzigartigen Kapitän und einer großartig aufeinander eingestellten Mannschaft uneinnehmbar gemacht wurde. Sie war ein Drachen, der dem Widersacher seinen Gift- und Feuerhauch entgegenspuckte. Die Reichweite der Stücke wurde voll ausgespielt: Die beiden noch unversehrten Piratenschaluppen fanden sich im dicksten Getümmel wieder, bevor ihre Besatzungen überhaupt zum Zug kamen. Das Blei flog ihnen nur so um die Ohren. Sie schrien Zeter und Mordio. Die zweite Schaluppe geriet in arge Bedrängnis, die dritte hingegen konnte sich durch geschicktes Manövrieren einem Treffer in die Bordwand entziehen. Eine 17-Pfünder-Kugel riß ihr lediglich ein Loch in die Fock, durch das ein Ochse seinen Schädel hätte stecken können.

      Al Conroy, Matt Davies, Smoky, Gary, Blacky und die anderen auf der Backbordseite der „Isabella“ hatten derweil, genügend Zeit, ihre Geschütze nachzuladen.

      „Jetzt wartet mal ab“, sagte Al. „Wenn wir wieder am Zug sind, knallen wir den Piraten ein paar Überraschungen vor die Schnauze. Griechisches Feuer zum Beispiel. Oder das hier – he, Matt! Steck doch nicht die Kugel in den Lauf!“

      „Was hast du denn da?“ fragte Matt zurück.

      „Eine Stabkugel mit Pulver drin. Wenn du die zu den Bastarden ’rüberjubelst und ein bißchen Feuer drangerät – dann gute Nacht, Marie.“

      Matt ließ sich das nicht zweimal erklären. Er griff vorsichtig nach der Stab-kugel, die Al ihm entgegenhielt und ließ sie dann unter größter Behutsamkeit in das Eisenrohr seiner Culverine gleiten. Al zog jetzt alle Register: Er ließ sich vom Kutscher helfen, der mußte Kettenkugeln und Kastenkugeln über Deck schleppen und verteilen. Die Steuerbordbreitseite war abgeschossen und konnte jetzt ebenfalls mit Al Conroys „Überraschungen“ nachgeladen werden.

      Die „Isabella“ ging über Stag, fiel ab und präsentierte den Piraten wieder ihre Backbordseite. Sie schien Arroganz und Überlegenheit zu beweisen, die schmucke Lady. Beinahe war es, als manövriere sie sich selbst durch die See – ohne Pete Ballie am Kolderstock, ohne Carberrys Flüche und Befehle, die den einen Teil der Besatzung immer wieder an die Schoten und Brassen purrten. Der Seewolf hatte gewußt, warum er damals, als dieses Schiff noch „San Josefe“ geheißen und die spanische Flagge geführt hatte, so scharf darauf gewesen war. Sie war behäbig, fast zu schwerfällig, die stolze Lady. Mit den früheren Schiffen Philip Hasard Killigrews ließ sie sich überhaupt nicht vergleichen, was Wendigkeit und gute Am-Wind-Eigenschaften betraf. Sie war ein dicker Raumschotsegler, aber ein überragend armierter! Und genau das brauchte Hasard. Unter den Ladeluken stapelten sich die in der Neuen Welt erbeuteten Reichtümer – ein Schatz kaum vorstellbaren Ausmaßes, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte.

      Unter den Karibik-Piraten hatte sich die Legende vom Seewolf und seinem immensen Schatz wie ein Lauffeuer verbreitet. Und Caligu hätte ihm das für England bestimmte Silber und Gold, die Juwelen und meisterhaft gearbeiteten Schmuckstücke sowie den sagenhaften goldenen Anker längst streitig gemacht, falls er, Hasard, ein weniger gut bestücktes Schiff unter den Füßen gehabt hätte.

      Bei ihrem neuen Manöver glitt die „Isabella V.“ nun in östlicher Richtung ab und gewann wieder etwas Abstand zu den Schaluppen. Gischtende Wasserfontänen türmten sich hinter ihr und vor ihrer Backbordseite auf.

      „Die Piraten schauen mal wieder in die Röhre!“ rief Al Conroy. Er rieb sich die Hände. „Aber wir nicht! Wir könnten ihnen noch auf eine halbe Meile Entfernung ein Ding verpassen, das sich gewaschen hat.“

      „Quatsch nicht!“ sagte Matt Davies.

      „Feuer!“ brüllte der Profos vom Quarterdeck.

      Mit wahrem Donnergrollen brach es da aus den 17-Pfündern hervor. Rotgelbe Stichflammen leckten aus den Geschützrohren, stießen ihre Ladungen vor sich her und ließen beißenden Pulverqualm aus den Mündungen steigen. Der Qualm breitete sich in Schwaden über Deck aus. Al kriegte eine Ladung ab. Er hustete und rieb sich die Augen, dann lauschte er beinahe andächtig dem Heulen, mit dem sich die „Überraschungen“ ihren Weg zu den Schaluppen suchten.

      Eine Kettenkugel erwischte die Fallen der Großrah der zweiten Schaluppe, riß sie weg, brachte die Spiere ins Taumeln und ließ sie schließlich mit Krachen auf das Deck schlagen. Der Seewolf und seine Männer vernahmen dieses Geräusch deutlich. Und sie hörten auch das


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