Butler Parker Staffel 4 – Kriminalroman. Günter Dönges
die der eingefrorenen Tür galten. Er tat nichts, um seine Trittspuren zu verwischen. Die Gangster sollten ja wissen und herausbekommen, daß man sie belauscht hatte.
Sie brauchten hingegen nicht zu erfahren, von wem das geschehen war. Als Parker später von der tiefverschneiten Straße abbog, beseitigte er geschickt die tiefen Trittspuren, die er trotz der Schneeschuhe hinterlassen hatte. Der immer noch fallende Schnee besorgte sicherlich den Rest.
Zufrieden mit sich und der Welt, strebte Parker dann seinem augenblicklichen Heim zu. Er durfte sicher sein, daß er die Mörder um ihre Bequemlichkeit und um den Schlaf gebracht hatte. Doch das alles war nur der Anfang dessen, was er ihnen noch zugedacht hatte. Parker behielt sich wie immer die Möglichkeit einer Steigerung seiner Mittel und Methoden vor.
Zu diesem Zeitpunkt wußte er noch nichts von den Überraschungen, die ihn bereits erwarteten …!
*
Parker ahnte schon im voraus, was passiert war.
Er sah die geöffnete Hüttentür und den Schnee, den der scharfe Wind bereits in das erste Drittel der Hütte hineingeweht hatte. Auf dem Boden lag die gesamte Ausrüstung herum. Die Hütte war durchsucht worden. Sehr gründlich sogar. Man hatte nicht ein einziges Fleckchen übersehen.
Parkers Gesicht verzog sich nicht, als er nach seinem jungen Herrn suchte. Er begnügte sich damit, nur wenige Male nach Mike Rander zu rufen. Nach einem kurzen Blick in den Schlafraum und in die kleine Küche wußte er, daß Mike Rander aller Wahrscheinlichkeit nach entführt worden war.
Das war in der Tat eine sehr böse Überraschung.
Parker schloß die Tür und fachte das niedergebrannte Feuer im Kamin neu an. Nachdem er den schwarzen Fellmantel ausgezogen hatte, suchte er nach Spuren. Sein Blick wurde fast magnetisch von dem großen Aschenbecher angezogen, den man achtlos auf die Eckbank gestellt hatte. Seinen scharfen Augen entging nicht, daß es darin einige Zigarettenenden gab, die mit Lippenstift verschmiert waren.
Eine Frau mußte also auch hier in der Hütte gewesen sein. Ob sie die Vorsicht seines jungen Herrn übertölpelt hatte! Weitere Spuren waren leider nicht zu entdecken. Parker, allein und ungestört, entschloß sich, eine seiner spezialangefertigten Zigarren anzuzünden. Er ließ sich in einem Sessel neben dem Kamin nieder und dachte nach.
Nach Lage der Dinge hatte er es mit zwei verschiedenen Gangstergruppen zu tun, die beide hinter den Schürfplänen Jim Rastons her waren. Die beiden Gangster in der zugeeisten Blockhütte oberhalb der Straße konnten mit Mike Randers Entführung nichts zu tun haben. Sie hätten sich sonst völlig anders benommen.
Wer also gehörte dieser zweiten Gangstergruppe an? Wo konnte Parker sie finden? Wohin mochte man Mike Rander verschleppt haben? Jetzt nach Spuren suchen zu wollen, war sinnlos.
Plötzlich kam Parker ein Gedanke. Er stand auf und wollte zum Wandtelefon gehen. Vielleicht war es inzwischen repariert worden. Er hatte die Hand noch nicht ganz ausgestreckt, um nach dem Hörer zu greifen, als sich der Apparat meldete. Er schien nur auf Parkers Geste gewartet zu haben.
»Parker, Josuah Parker«, stellte sich der Butler vor, nachdem er abgehoben hatte.
»Na endlich«, antwortete eine verbindlich klingende, weiche, höfliche Stimme. »Wo haben Sie sich eigentlich die ganze Zeit über herumgetrieben?«
»Bestehen Sie darauf, daß ich antworte?« erwiderte der Butler.
»Nein. Sie würden mich ja doch nur belügen, Parker. Hören Sie genau zu! Ihr Chef, dieser Mike Rander, war so freundlich, uns zu begleiten. Er wollte sich die Gegend ansehen. Er hat ein paar interessante Entdeckungen gemacht. Er bittet Sie, ihn doch möglichst schnell aufzusuchen. Und zwar mit den Unterlagen, die Sie mitgenommen haben.«
»Wie geht es Mr. Rander?« fragte der Butler.
»Gut.«
»Läßt es sich einrichten, daß ich ein paar Worte mit ihm wechsle?«
Auf der Gegenseite wurde es für einen Moment still. Man schien die Sprechmuschel abgedeckt zu haben. Der Anrufer beriet sich wahrscheinlich mit seinen Partnern. Dann war die Stimme wieder zu vernehmen.
»Es geht ihm gut, das muß Ihnen genügen, Parker.«
»Ich fürchte, ich muß widersprechen«, antwortete Josuah Parker steif und förmlich.
»Beeilen Sie sich, damit sich Ihr Chef nicht in der Wildnis verläuft«, redete der Mann am anderen Ende der Leitung weiter.
»Ich vermisse die Garantie dafür, daß Mr. Mike Rander sich tatsächlich in Ihrer Gesellschaft aufhält. Bevor ich keine einschlägigen Beweise darüber besitze halte ich diese Unterhaltung für sinnlos.«
Parker besaß tatsächlich die Nerven, den Hörer einzuhängen. Er zog nachdenklich an seiner Zigarre und überlegte, von woher wohl angerufen worden war. Sehr viele Möglichkeiten gab es hier draußen in der Wildnis nicht.
Knapp eine Minute später läutete das Telefon erneut.
Wieder meldete sich die verbindlich klingende Stimme, die mm allerdings einen Unterton von Ärger aufwies.
»Hier, sprechen Sie mit Ihrem Chef«, sagte sie.
»Parker …?« Das war wirklich Mike Randers Stimme.
»Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Sir.«
»Sie sollten mich tatsächlich hier besuchen, Parker. Schöne, interessante Gegend. Bringen Sie auch gleich die Unterlagen mit. Ich könnte sie gut unterbringen.«
Es knackte in der Leitung, dann meldete sich wieder die verbindlich klingende Stimme.
»Haben Sie Ihren Boß gehört?« fragte sie.
»Ich habe es. Wo kann ich Sie erreichen?«
»Kommen Sie nach Creek Village. Steigen Sie in Saddlers Hotel ab. Dort treffen wir uns. Parker, hören Sie, keine Mätzchen! Denken Sie daran. Sonst könnten wir uns möglicherweise übersehen.«
»Wie gelange ich nach Creek Village, wenn mir diese Frage gestattet ist?«
»Benutzen Sie den Pfad entlang des Forkson Creek. Dann kommen Sie automatisch hin. Ende!«
Parker legte seinerseits auf und ließ sich wieder im Sessel neben dem Kamin nieder. Nun galt es, sich jeden Schritt genau zu überlegen. Eine Panne, gleich welcher Art, konnte sich für Mike Rander tödlich auswirken …
*
Es war schon recht seltsam.
Eben noch hatte das Telefon funktioniert. Jetzt aber, als Josuah Parker von der Hütte aus anrufen wollte, war die Leitung wieder tot. Sie war also absichtlich unterbrochen, dann wieder angezapft und nun erneut getrennt worden. Die Gangster, die Mike Rander entführt hatten, wußten genau, was sie taten. Sie schnitten den Butler von der Außenwelt ab. Er hatte keine Möglichkeit, sich zum Beispiel mit der Polizei oder wenigstens mit seinem Vermieter Clay Hellers in Verbindung zu setzen.
Am liebsten wäre der Butler sofort nach Creek Village auf gebrochen und hätte sich um seinen jungen Herrn gekümmert. Aber das Wetter ließ das nicht zu. Der scharfe Wind war inzwischen zu einem ausgewachsenen Schneesturm geworden. Mit wütender Kraft heulte und pfiff er um die Hütte. Parker setzte sich unwillkürlich noch näher an das Feuer heran.
Natürlich paßte es ihm nicht, die Hände in den Schoß legen zu müssen. Die Zeit war kostbar. Und wann der. Schneesturm sich legte, konnte selbst Josuah Parker nicht beurteilen.
Ob die Gangster damit rechneten, daß er sich gleich nach dem Anruf auf den Weg machte? Wahrscheinlich doch nicht. In diesem Wetter jagte man selbst keinen Schlittenhund vor die Tür. Es war also damit zu rechnen, daß die Gangster sich in Creek Village recht sorglos gaben.
Parker öffnete die Tür und sah sich das Wetter an.
Es war noch schlimmer als erwartet. Es war ein Risiko, sich Schneeschuhe anzuschnallen und hinaus in die Dunkelheit zu gehen. Jeder normale Durchschnittsmensch hätte sich das sehr überlegt. Parker aber war