Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman - Marie Francoise


Скачать книгу
viel habe ich ja gar nicht getan.«

      Doch es dauerte eine ganze Weile, bis Patricia ihren Tränen Einhalt gebieten konnte, dann zog sie sich sehr verlegen hinter den Wandschirm zurück, um sich wieder anzukleiden.

      »Das ist mir schrecklich peinlich«, erklärte sie, als sie Dr. Daniel gegenüber Platz nahm. »Noch nie habe ich mich so vergessen.«

      »Das ist nicht so tragisch.« Dr. Daniel lächelte. »Es ist doch schön, wenn sich jemand so sehr freuen kann, daß er alles um sich her vergißt.«

      »Sie sind ein wunderbarer Mensch«, sagte sie voller Bewunderung.

      »Wenn Sie so weitermachen, werde ich ja noch ganz eingebildet«, meinte er schmunzelnd. »Und dabei muß ich Ihnen gestehen, daß ich Sie ganz fürchterlich beschwindelt habe.«

      Erschrocken sah Patricia ihn an. »Heißt das… ich bekomme doch kein Baby?«

      »Aber nein!« wehrte Dr. Daniel sofort ab. »Mit so etwas würde ich niemals schlechte Scherze machen. Sie sind schwanger, Frau Gerhardt, und ich bin sicher, daß Sie in knapp neun Monaten ein gesundes Baby zur Welt bringen werden – vielleicht sogar in unserer neuen Waldsee-Klinik.« Er lächelte sie voller Herzlichkeit an, dann wurde er wieder ernst. »Bei meinem Geständnis geht es nicht um die Schwangerschaft selbst, sondern darum, wie sie entstanden ist.«

      Patricia nickte eifrig. »Das weiß ich doch. Die Spritzen haben das bewirkt.«

      »Nein, Frau Gerhardt, eben nicht«, erwiderte Dr. Daniel. »Sie selbst haben sich sozusagen geheilt. In den vergangenen zwei Jahren haben Sie sich zunehmend in eine Streßsituation hineinmanövriert, die ihren Höhepunkt nach der Operation durch Dr. Heller erlebte. Sie waren so überzeugt davon, jetzt nie mehr schwanger werden zu können, daß Ihr Eisprung tatsächlich ausgeblieben ist. Dadurch gerieten Sie erst recht in Panik und kamen so in einen Teufelskreis, aus dem Sie sich vermutlich nie mehr hätten befreien können. Sie hätten sich selbst und Ihre Ehe ruiniert, und ich sah keine Möglichkeit mehr, wie ich Ihnen helfen sollte – es sei denn durch eine psychiatrische Behandlung, aber die wollte ich Ihnen in diesem Zustand ebenfalls nicht zumuten. Und dann verfiel ich auf die Idee mit den Spritzen.«

      Patricia brauchte eine Weile, um das alles zu begreifen.

      »Heißt das… es war gar kein Medikament, das den Eisprung gefördert hat?« fragte sie fassungslos.

      Dr. Daniel nickte. »Ich muß gestehen, daß ich Sie angelogen habe – allerdings nur zu Ihrem Besten. Was Sie von mir bekommen haben, waren ganz harmlose Vitaminspritzen.«

      Patricia konnte kaum glauben, was Dr. Daniel da sagte. Sie war felsenfest davon überzeugt gewesen, daß einzig die Spritzen ihr eine Schwangerschaft ermöglicht hatten.

      »Mein Eisprung kam also von ganz allein«, erklärte sie in einem Ton, der genau widerspiegelte, was in ihr vorging.

      »Ja, und zwar in dem Augenblick, in dem Sie aufhörten, sich selbst unter Zwang zu setzen«, fügte Dr. Daniel hinzu. »Sie verließen sich auf das Medikament, das ich Ihnen zweimal wöchentlich spritzte, und konnten dadurch Ihre Spannungen ablegen.«

      Patricia sah ihn mit ernstem Blick an. »Aber Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen – ohne Sie hätte ich das niemals geschafft. Ich hätte mich immer tiefer in meine Zwangsvorstellungen verrannt.« Sie senkte den Kopf. »Meine Ehe war kurz davor, in die Brüche zu gehen, weil ich nur noch mit Oliver zusammen war, um ein Kind zu bekommen, aber nicht, weil ich ihn liebte.«

      »Und jetzt?« wollte Dr. Daniel wissen.

      Patricia lächelte. »In den vergangenen Wochen haben wir wieder zueinander gefunden. Oliver hat meine Veränderung sofort bemerkt, und dadurch wurde auch er wieder offener für unsere gegenseitigen Gefühle. So wie jetzt habe ich unsere Ehe… unser ganzes Zusammensein schon lange nicht mehr genossen.«

      Zufrieden lehnte sich Dr. Daniel aus seinem Sessel zurück. Er freute sich, weil er hier hatte helfen können.

      »Haben Sie Ihrem Mann schon von Ihrem Verdacht erzählt?« fragte er.

      Patricia schüttelte den Kopf. »Ich wollte erst die Untersuchung bei Ihnen abwarten.« Dann glitt ein glückliches Strahlen über ihr Gesicht. »Heute abend werde ich es ihm sagen, und ich freue mich schon jetzt auf sein Gesicht.«

      »Da wäre ich sehr gern Mäuschen«, gestand Dr. Daniel lächelnd.

      »Bei meinem nächsten Besuch werde ich Ihnen alles haarklein erzählen«, versprach Patricia, dann stand sie auf und reichte Dr. Daniel die Hand. »Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, Herr Doktor. Ohne Sie wäre ich jetzt bestimmt nicht schwanger und würde wahrscheinlich unmittelbar vor der Scheidung stehen.«

      *

      Als die Sprechstunde beendet war, nahm Dr. Daniel den Telefonhörer ab und wählte die Nummer der

      Thiersch-Klinik in München. Dort ließ er sich mit dem Oberarzt verbinden.

      »Guten Tag, Herr Kollege«, begrüßte er ihn. »Ich habe eine gute Nachricht für Sie.«

      Dr. Heller war hörbar erstaunt. »Eine gute Nachricht?«

      »Ja, es geht um Frau Gerhardt. Erinnern Sie sich an den Fall?«

      »Natürlich«, bekräftigte Dr. Heller. »Wie könnte ich ausgerechnet diesen Fall vergessen. Immerhin hat sich die Geschichte ja dann ganz dramatisch zugespitzt.«

      »Jetzt hat sich bei Frau Gerhardt alles zum Guten gewendet«, erklärte Dr. Daniel. »Sie ist schwanger.«

      Dr. Heller atmete auf. »Gott sei Dank.« Er schwieg kurz. »Ich muß gestehen, daß ich mir auch nach dem Gespräch mit Ihnen immer wieder Gedanken darüber gemacht habe, ob der Eileiter nicht vielleicht doch noch zu retten gewesen wäre. Nach der Operation sah es für sie ja nicht sehr gut aus, was ein Baby betrifft. Jetzt bin ich froh, daß es doch geklappt hat.«

      »Ich auch«, gab Dr. Daniel unumwunden zu. »Allerdings war es genauso, wie ich Ihnen gegenüber schon einmal erwähnt hatte. Die Schwierigkeiten von Frau Gerhardt lagen ausschließlich im seelischen Bereich.« Und dann schilderte er dem Kollegen, wie es ihm gelungen war, Patricia aus ihrem Dilemma zu befreien.

      »Der Schuß hätte genausogut nach hinten losgehen können«, gab Dr. Heller zu bedenken.

      »Das ist mir auch durchaus bewußt«, stimmte Dr. Daniel ihm zu. »Um so glücklicher bin ich, daß es geklappt hat.«

      »Herzlichen Glückwunsch«, erklärte Dr. Heller, und Dr. Daniel hörte an seiner Stimme, daß er dabei lächelte.

      »Danke«, entgegnete er. »Ich kann Ihnen übrigens noch etwas Positives mitteilen. Es geht um Dr. Scheibler.«

      »Da weiß ich schon Bescheid«,

      erwiderte Dr. Heller. »Professor

      Thiersch hat mich informiert. Er

      schien über die Entwicklung auch froh gewesen zu sein. Daß er Dr. Scheibler zur Kündigung zwingen mußte, hat ihm innerlich mehr leid getan, als er jemals zugeben würde.«

      Dr. Daniel nickte. »Diesen Eindruck hatte ich auch.«

      Er plauderte noch eine Weile mit Dr. Heller, dann legte er auf und lehnte sich mit einem tiefen Seufzer auf seinem Sessel zurück. Sein Blick fiel zum Fenster. Dunkle Wolken zogen auf, dennoch verspürte Dr. Daniel Lust auf einen Spaziergang.

      Und während die ersten Schneeflocken dieses Jahres vom Himmel taumelten, fand Dr. Daniel den Weg zum Waldsee. Lange blieb er vor dem Bau stehen, und dabei zog eine tiefe Zufriedenheit in sein Herz. Alles hatte sich zum Guten gewendet.

      Patricia Gerhardt würde nächstes Jahr ein Baby zur Welt bringen – wahrscheinlich sogar in dieser Klinik. Und ihre Ehe, die so kurz vor dem endgültigen Bruch gestanden hatte, war wieder gerettet.

      Dr. Scheibler, der seinen Fehler so tief bereute, würde hier eine neue Aufgabe bekommen. Dr. Daniel lächelte in sich hinein. Er war sicher, daß Wolfgangs Bedenken sich als unbegründet herausstellen


Скачать книгу