Karin Bucha Staffel 5 – Liebesroman. Karin Bucha
nur immer häufiger Gelder aus ihr heraus.
Eines Tages läßt sich der Prokurist Heinrich bei ihr melden.
Er bereut, daß er gekommen ist, als er bemerkt, daß die junge Frau ein Kind erwartet.
»Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Heinrich«, fordert Bettina den jahrelangen Mitarbeiter ihres Schwiegervaters auf.
»Danke.« Er zögert immer noch, und Bettina muß ihn erst zum Sprechen ermuntern. »Ich weiß nicht, ob es recht von mir ist, Sie mit geschäftlichen Dingen zu belästigen. Aber es geht um das Werk Ihres verehrten Schwiegervaters. Herr Kröger handelt unverantwortlich. Er entzieht der Fabrik immer mehr Gelder, und ich weiß nicht, woher ich sie nehmen soll. Wir haben unseren Bankkredit schon überzogen. Können Sie nicht auf Ihren Gatten einwirken?«
Bettina preßt die Hände im Schoß zusammen.
»Ich habe es mir gedacht«, flüstert er. »Aber was kann ich dabei tun, wenn er nicht einmal auf Sie hört? Sie werden ihn doch sicherlich auf den Ernst der Lage aufmerksam gemacht haben.«
»Und wie oft«, beteuert Heinrich. »Es hat nichts gefruchtet.«
Bettina überlegt. »Gut, Herr Heinrich, ich will versuchen, meinem Mann ins Gewissen zu reden. Ich danke Ihnen jedenfalls, daß Sie zu mir gekommen sind.«
Bettina treibt es wieder ruhelos durch das Haus. Jürgen ist zwei Nächte nicht heimgekommen. Wo soll sie ihn finden? Sie muß mit ihm reden. Sie glaubt, ein Argument zu besitzen, das ihn vom Abgrund zurückreißen könnte.
Endlich, am dritten Tag, begegnet sie ihm. Sie tritt ihm entgegen, diesmal furchtlos.
»Ich möchte mit dir sprechen, Jürgen«, sagt sie bestimmt, und unwillkürlich von ihrem Ton betroffen, folgt er ihr.
»Heinrich war bei mir«, fährt sie fort und blickt ihn aus ihren Veilchenaugen groß an. »Es steht schlecht um die Fabrik. Jürgen, kannst du dein Leben nicht ändern und versuchen zu arbeiten? Es geht um das Werk deines Vaters.«
»Was geht dich das an?« braust er auf.
Bettina läßt sich nicht beirren. »Du mußt etwas unternehmen, wenn nicht für dich, dann für unser Kind.«
Er sieht in diesem Moment töricht aus, muß Bettina denken. Er fährt sich mit der Zunge über die Lippen und durchwühlt sein Haar.
»Noch ein Esser mehr im Hause«, kommt es endlich gehässig aus seinem Mund.
Bettina richtet sich höher auf. »Mehr hast du nicht dazu zu sagen?«
»Soll ich vielleicht vor dir auf die Knie sinken und dir den Saum deines Kleides küssen? Gut, du bekommst ein Kind. Ich habe es zur Kenntnis genommen. Aber dem Heinrich, dem werde ich es heimzahlen…«
»Jürgen, was willst du unternehmen? Du wirst doch den Mann, der dem Werk ein Menschenalter treu gedient hat, keine Vorwürfe machen.«
»Vorwürfe?« Seine Augen verengen sich, wie stets, wenn eine Gemeinheit kommt. »Hinaus fliegt er, und zwar heute noch. Was bildet sich der Mann ein.«
»Das kannst du nicht tun, Jürgen. Er ist einer deiner Getreuesten«, bittet sie.
»Ach, hör mir doch auf«, weist er sie schroff ab. »Jeder Mensch ist zu ersetzen.«
Damit verläßt er sie.
Bettina bleibt, am ganzen Körper bebend, zurück. Mein Gott, was hat sie angerichtet, helfen wollte sie, nun muß es Heinrich ausbaden.
Sie denkt an ihren Schwiegervater und weint bitterlich.
*
Franziska von Welling ist zu einem kurzen Besuch in ihr kleines Haus gefahren. Das kann Jürgen ihr nicht wegnehmen, auch die Rente nicht, die Rudolf Kröger ihr ausgesetzt hat.
Bettina will eben das Haus verlassen, als das Mädchen ihr den Besuch von Nana Wolters meldet.
»Ich lasse bitten.«
Auf den ersten Blick erkennt sie in der Besucherin die Frau, mit der sie Jürgen gesehen hat.
Eine Duftwolke schwebt vor ihr her. Sie ist elegant gekleidet und tritt sehr selbstbewußt auf.
»Frau Kröger«, beginnt sie mit harter Stimme, »ich bin seit einem Jahr die Geliebte Ihres Mannes. Er ist zu feige, es Ihnen zu sagen, deshalb muß ich es tun.«
Bettina bleibt ruhig und gelassen, fast freundlich sagt sie zu Nana: »Danke, Frau Wolters; vor allem wird es Ihnen Erleichterung verschaffen, mir den Umstand mitgeteilt zu haben. Sie kommen zu spät: Ich weiß es längst.«
Nana verliert ihre Sicherheit. Aus ihren Nixenaugen sieht sie verblüfft auf die junge Frau, die in tadelloser Haltung vor ihr steht und lächelt. Sie wird wütend. Sie hätte in dieses schöne, ja, schöne Gesicht, sie muß es zugeben, schlagen mögen.
»Sie wußten…?« Ihr versagt die Stimme. Dann fährt sie schrill fort: »Jürgen hat es Ihnen gesagt. So ein Schuft…«
»Mein Mann hat es mir nicht gesagt, wenn es Sie beruhigt«, erklärt Bettina etwas hochmütig. »Es interessiert mich auch nicht. Haben Sie mir sonst noch etwas zu erzählen? Nein! Dann darf ich Sie wohl zur Tür begleiten.«
Nana starrt Bettinas ganze vornehme Erscheinung aus übergroßen Augen an. An dieser jungen Frau ist alles kultivierter Geschmack und Eleganz, und sie besitzt eine Überlegenheit, die Nana in Verlegenheit versetzt.
Wortlos geht sie neben Bettina her und schlägt mit einem Krach die Tür des Hauses hinter sich zu.
Er hat sie geschickt! Er ist zu feige, es mir selbst zu sagen, kann Bettina noch denken, dann schlägt sie zu Boden.
*
Achim Wattenberg kommt von einer geschäftlichen Besprechung, und bei der folgenden privaten Unterhaltung ist es ziemlich spät geworden. Er geht auf seinen Wagen zu und bleibt abwartend stehen. Eine Gruppe grölender Männer kommt auf ihn zu. Soviel er erkennen kann, sind es Männer im reifen Alter, und sie benehmen sich wie junge Burschen.
Kopfschüttelnd wendet er sich seinem Wagen zu. Der Schein der Laterne fällt direkt auf ihn. Aus dem kleinen Kreis löst sich eine Gestalt.
»Menschenskind, Achim, woher kommst du denn?« Jürgen Kröger hat den einstigen Spielkameraden erkannt und torkelt auf ihn zu. »Seit wann bist du wieder im Lande?«
Wattenberg sieht nicht gerade erfreut Jürgen Kröger an. Sein Hut sitzt schief. Den Mantel hat er lässig über die Schultern geworfen. Seine Krawatte ist verrutscht. Er kann nur noch lallen.
Wattenberg nimmt die dargebotene Hand. »Seit ein paar Monaten schon«, gibt er zur Antwort.
»Du, Achim, das muß gefeiert werden. Komm mit, wir gehen noch einmal zurück in den Ratskeller.«
»Es tut mir leid, Jürgen«, winkt Wattenberg ab. »Ich möchte lieber heimfahren.«
Jürgen packt Wattenberg an der Schulter. »Gibt es ja gar nicht. Jetzt feiern wir deine Heimkehr. Komm, sei kein Spielverderber.«
»Es ist mir zu spät, Jürgen. Vor mir liegt ein arbeitsreicher Tag…«
»Unsinn, Achim, die Arbeit läuft dir nicht davon. Oder wollen wir zu mir fahren?« wendet er sich an seine Freunde, die auch nicht mehr nüchtern sind.
»Ja, fahren wir zu dir«, stimmt man ihm zu, und Jürgen bohrt so lange, bis Wattenberg nachgibt.
»Meine Frau mußt du auch kennenlernen«, japst Jürgen.
»Du bist verheiratet?« fragt Wattenberg, und seine Neugier ist geweckt. Wie war die Frau, die einen Jürgen Kröger hatte heiraten können, den er schon immer als feig und hinterhältig beurteilt hatte.
»Schon ein paar Jahre. Los, Achim, komm mit. Fahr hinter unserem Taxi her. Es wartet da unten an der Kreuzung.«
Sie kommen vor der weißbeleuchteten Villa an. Das Tor ist geöffnet. Achim Wattenberg staunt, was aus dem Haus