Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz

Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre - Henryk Sienkiewicz


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gewann indessen die Vernunft den Sieg über den jugendlichen Uebermut, und er sagte sich, er dürfe nicht durch allzu große Wünsche die Geduld Gottes gefährden. Selbstverständlich wuchs aber sein Vertrauen noch mehr, als er, nachdem der ganze Hof nach der Messe der Ruhe gepflogen hatte, beim Frühmahle das Gespräch hörte, das der Abt mit Anna Danuta führte.

      Einesteils aus Frömmigkeit, andernteils infolge der prächtigen Geschenke, welche der Großmeister der Kreuzritter nicht sparte, hegten die meisten damaligen Fürstinnen und Königinnen große Freundschaft für diesen Orden. Sogar die gottesfürchtige Jadwiga hielt, so lange sie lebte, ihren Gemahl davon zurück, die Kreuzritter seine Macht fühlen zu lassen. Nur Anna Danuta machte darin eine Ausnahme. Ihre Familie hatte durch den Orden solche Kränkungen erfahren, daß sie die Kreuzritter von ganzer Seele haßte. Als sich daher der Abt bei ihr über Masovien erkundigte, beklagte sie sich bitter über den Großmeister. »Wie soll es denn einem Fürstentume ergehen, das solche Nachbarn hat?« erklärte sie. »Wohl ist scheinbar Ruhe, man wechselt Botschaften und Briefe, allein trotzdem weiß man von einem Tage zum andern nicht, was geschehen wird. Kein Grenzbewohner, der sich des Abends zur Ruhe legt, weiß, was seiner harrt, ob er nicht während des Schlafes in Fesseln geschlagen, ob ihm nicht ein Schwert in die Kehle gestoßen, ob ihm nicht die Decke über dem Kopfe angezündet wird. Trotz Eiden, Siegeln und Pergamenten ist man nicht sicher vor Verrat. Was geschah denn in der Nähe Zlotorgas? In Zeiten des tiefsten Friedens wurde der Fürst gefangen genommen. Die Kreuzritter behaupten, die Burgen könnten mit der Zeit furchtbar für sie werden. Allein diese Burgen dienen nur zum Schutze, kein Ueberfall wird von ihnen aus gemacht, und welcher Fürst hätte nicht das Recht, im eigenen Lande Burgen zu errichten oder umzubauen? Hat der Orden jemals Rücksicht auf Schwache genommen, hat er sich jemals durch Macht zurückhalten lassen? Schwachheit verachtet er, Macht sucht er zu Falle zu bringen. Wer ihm Gutes thut, dem lohnt er schlecht. Giebt es sonst noch einen Orden auf der Welt, der solche Wohlthaten von polnischen Fürsten erwiesen bekam, und wie lohnte er es? Da mit dem bittersten Hasse, dort mit Plünderung des Landes, hier mit Krieg und Verrat. Was nützt es, sich darob zu beklagen? Selbst die Klagen des apostolischen Stuhles verhallen ungehört. In ihrer Verstocktheit und Aufgeblasenheit hören die Kreuzritter sogar nicht auf den römischen Papst. Wohl schicken sie jetzt eine Gesandtschaft wegen der Entbindung der Königin und zu der bevorstehenden Taufe, allein sie thun dies nur deshalb, weil sie den Zorn des mächtigen Königs über das, was sie in Litauen vollführt haben, von sich abwälzen wollen. Im innersten Herzen planen sie noch immer die Vertilgung des Königreiches und des ganzen polnischen Stammes.«

      Der Abt lauschte voll Aufmerksamkeit auf die Worte der Fürstin, sagte hie und da beipflichtend »ja, ja« und erklärte dann: »Ich weiß, daß an der Spitze der Gesandtschaft der Komtur Lichtenstein nach Krakau kommen wird, ein Ordensbruder, der seines vornehmen Standes, seines Mutes und seiner Klugheit wegen hoch geachtet ist. Vielleicht trefft Ihr hier mit ihm zusammen, huldreiche Frau, denn mir wurde die Kunde, daß er unserer Reliquien wegen nach Tyniec zu kommen gedenke, um hier sein Gebet zu verrichten.«

      Kaum hatte jedoch die Fürstin diese Worte vernommen, so hub sie mit neuem Eifer also an: »Die Leute erzählen – und Gott gebe, daß es sich bewahrheite – es werde binnen kurzem ein großer Krieg entbrennen, in welchem das Königreich Polen mit seinen Verbündeten, also mit allen Nationen, die eine dem Polnischen ähnliche Sprache reden, gegen die Deutschen und die Kreuzritter kämpfen wolle. Es sollen ja darüber Prophezeiungen einer Heiligen vorhanden sein.«

      »Ihr sprecht von Brigitta,« unterbrach der Abt die Fürstin. »Vor acht Jahren ist sie unter die Heiligen aufgenommen worden. Der fromme Peter aus Alvastern und Matthäus aus Linköping haben die Prophezeiungen aufgeschrieben, in denen ein großer Krieg vorausgesagt wird.«

      Als Zbyszko diese Worte vernahm, vermochte er sich nicht zu beherrschen, sondern fragte mit einer vor Freude zitternden Stimme: »Und wird dieser Krieg bald ausbrechen?«

      Allein er erhielt keine Antwort auf diese Frage, denn der Abt, ausschließlich mit der Fürstin beschäftigt, hatte entweder nichts gehört oder that, als ob er nichts gehört habe, die Fürstin aber fuhr fort: »Die jungen Krieger freilich, die sehen mit Freuden einem solchen Kriege entgegen, die alten und bedachtsamen aber sprechen also: ›Nicht die Deutschen fürchten wir, noch ihre Spieße und Schwerter, wenngleich ihre Macht groß ist, wenngleich sie voll Zuversicht sind, nein, nein, wir fürchten die Reliquien der Kreuzritter, gegen die sich nichts ausrichten läßt‹.« Hier hielt Anna Danuta inne, blickte voll Bangen auf den Abt und fügte endlich leise hinzu: »Sie sollen ja, wie allgemein gesagt wird, Holz von dem heiligen Kreuze in Besitz haben. Wie kann man daher mit ihnen Krieg führen?«

      »Der König von Frankreich überschickte es ihnen,« erklärte der Abt.

      Ein minutenlanges Schweigen trat ein, dann aber ergriff Mikolaj von Dlugolas das Wort, ein erfahrener Mann, der schon viel in der Welt herumgekommen war. »Ich bin in Gefangenschaft bei den Kreuzrittern gewesen,« sprach er, »und ich habe häufig Prozessionen gesehen, bei denen jene Reliquie umhergetragen worden ist. Aber außer diesem Heiligtume besitzt das Kloster von Olivia eine große Zahl anderer Reliquien, ohne welche der Orden nicht zu solcher Macht gelangt wäre.«

      »Wie kann man daher im Kriege gegen sie bestehen?« wiederholte die Fürstin seufzend.

      Daraufhin erwiderte der Abt, seine Stirne runzelnd, nach kurzem Ueberlegen: »Schwierig ist es auch deshalb, im Kriege gegen sie zu bestehen, weil sie Ordensbrüder sind und das Kreuz auf dem Mantel tragen; wenn sie jedoch das Maß der Sünden überschreiten, dann werden diese Heiligen und ihre Reliquien, von Ekel erfüllt, nicht nur nicht ihre Macht erhöhen, sondern sich ganz von ihnen wenden. Möge Gott das christliche Blut schonen, aber wenn es zu dem großen Kriege kommt, so haben wir ja auch in unserem Königreiche Heilige, welche für uns kämpfen werden. In den Prophezeiungen der hl. Brigitta heißt es ja: ›Ich verlieh ihnen die Nützlichkeit von Bienen und setzte sie fest an die Grenze des christlichen Landes. Allein jetzt wenden sie sich gegen mich. Denn sie kümmern sich nicht um die Seele und erbarmen sich nicht des Leibes dieses Volkes, das aus seinem Irrglauben zu dem katholischen Glauben übergegangen ist, das sich zu mir gewendet hat. Gleich Sklaven behandeln sie es; sie lehren es nicht die Gebote Gottes, und da sie es der heiligen Sakramente berauben, verdammen sie es zu noch größeren Höllenqualen, als wenn es im Heidentum verharrt hätte. Kriege führen sie, aber nur zur Stillung ihrer Habgier. Deshalb wird die Zeit kommen, in der ihnen ausgebrochen werden die Zähne, ihnen abgehauen wird die rechte Hand, es wird die Zeit kommen, in der ihnen lahm werden wird der rechte Fuß, damit sie erkennen ihre Sünden‹.«

      »Das gebe Gott!« rief Zbyszko.

      Auch die andern Ritter und die Ordensbrüder faßten neuen Mut beim Anhören dieser Prophezeiung, der Abt jedoch wandte sich wiederum zu der Fürstin und fuhr fort: »Deshalb vertrauet auf Gott, huldreiche Frau, denn eher sind ihre Tage gezählt als die Euren, und inzwischen nehmt gütigst die Kapsel entgegen, in welcher sich eine Fußzehe des heiligen Ptolemäus, eines unserer Schutzheiligen, befindet.«

      Zitternd vor Glück streckte die Fürstin die Hand aus, kniete nieder und nahm voll Freude die Kapsel entgegen, die sie an ihre Lippen preßte. Und auch die Hofherren und die Hofdamen freuten sich mit ihrer Herrin, denn keines von ihnen zweifelte, daß sich durch dieses Geschenk Segen und Glück über alle, über das ganze Fürstentum ergießen werde. Hochbeglückt fühlte sich auch Zbyszko durch die Hoffnung, daß der Krieg sofort nach den Feierlichkeiten beginnen werde.

      Viertes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Es war fast Mittag geworden, als die Fürstin mit ihrem zahlreichen Gefolge aus Tyniec aufbrach, um sich nach Krakau zu begeben. Gar häufig legten in damaliger Zeit die Ritter, welche in einer größeren Stadt oder auf einer Burg irgend eine bekannte Persönlichkeit aufsuchten, völlige Kriegsrüstung an. Der Sitte gemäß wurde diese freilich sofort nach Ueberschreitung der Thorschwelle wieder abgelegt, wozu gewöhnlich die Ankömmlinge von den Herren der Burgen mit den Worten aufgefordert wurden: »Legt die Rüstung ab, edle Gäste, denn Ihr seid bei Freunden!« Nichtsdestoweniger wurde großes Gewicht auf einen


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