Schöne Gedichte. Joachim Ringelnatz
Zum Buch
»So stark ist der Dichter in dem Manne, der erlebt, dass das Banalste und Niedrigste durch ihn zum Wunder wird.«
ERICH KÄSTNER
Dieses Buch bietet einen Querschnitt durch das Werk von Joachim Ringelnatz. So skurril wie das WAS er erzählt, ist die Sprache WIE er es erzählt – mit Wortneuschöpfungen wie »Seichtlärm« und »Eilgier«; poetisch und derb, kindlich naiv und gewitzt, geradeweg und manchmal wunderschön geringelt wie die Seepferdchen, denen er seinen Namen entlehnte – ein Klassiker der komischen Muse, ein Leichter mit Tiefgang.
Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee,
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise
Joachim Ringelnatz
Schöne Gedichte
Joachim Ringelnatz
Schöne Gedichte
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Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014
Zusammenstellung der Anthologie: Christine Schaefer, Berlin
Covergestaltung: Katharina Staal Design, Köln
Bildnachweis: Getty Images, München/Imagezoo,
A giraffe on an bicycle von Ryan Retiro Ashburn
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0402-8
Ernster Rat an Kinder
Kinder, spielt mit einer Zwirnsrolle!
Gewaltigen Erfolg erzielt,
Wer eine große Rolle spielt.
Im Leben spielt zum Beispiel so,
Ganz große Rolle: der Popo.
Denkt nach, dann könnt ihr zwischen Zeilen
Auch mit geschlossenen Augen lesen,
Daß Onkel Ringelnatz bisweilen
Ein herzbetrunkenes Kind gewesen.
Kindergebetchen
Erstes
Lieber Gott, ich liege
Im Bett. Ich weiß, ich wiege
Seit gestern fünfunddreißig Pfund.
Halte Pa und Ma gesund.
Ich bin ein armes Zwiebelchen,
Nimm mir das nicht übelchen.
Zweites
Lieber Gott, recht gute Nacht.
Ich hab noch schnell Pipi gemacht,
Damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
Wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.
Nimm meine Worte freundlich hin,
Weil ich schon sehr erwachsen bin.
Drittes
Lieber Gott mit Christussohn,
Ach schenk mir doch ein Grammophon.
Ich bin ein ungezognes Kind,
Weil meine Eltern Säufer sind.
Verzeih mir, daß ich gähne.
Beschütze mich in aller Not.
Mach meine Eltern noch nicht tot
Und schenk der Oma Zähne.
Kleine Lügen und auch kleine
Kinder haben kurze Beine.
Das Abc ist äußerst wichtig,
Im Telefonbuch steht es richtig.
Der Klapperstorch hat krumme Beine.
Die Kinder werfen ihn mit Steine.
Aber Kinder bringt er keine.
Der Spanier lebt in fernen Zonen
Für die, die weitab davon wohnen.
Und der Osterhase legt
(Bald sehr eitel, bald bewegt)
Rührei oder Spiegelei.
Schauerlich stöhnt er dabei.
Sechs Beine hat der Elefant.
Er wird auch Mißgeburt genannt.
Die Guh gibt Milch und stammt aus Leipzig.
Wer zuviel Milch trinkt, der bekneipt sich.
Der Ochse gibt statt Milch: Spinat.
Er spielt am Nachmittage Skat.
Bist du schon
auf der Sonne gewesen?
Bist du schon auf der Sonne gewesen?
Nein? – Dann brich dir aus einem Besen
Ein kleines Stück Spazierstock heraus
Und schleiche dich heimlich aus dem Haus
Und wandere langsam in aller Ruh
Immer direkt auf die Sonne zu.
So