Gesammelte Werke. Aristoteles

Gesammelte Werke - Aristoteles


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und Ende, sondern ein gewisses Werden und Entstehen.

      Das ist es also etwa, was man gemeinhin vorbringt.

      Dreizehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Daß sich aber aus diesem mit nichten ergibt, die Lust sei kein Gut oder nicht das höchste Gut, erhellt aus folgendem.

      Fürs erste, es gibt ein zweifaches Gutes, eines schlechthin und eines beziehungsweise oder für den oder jenen, und hiernach werden sich also die Naturen und die habituellen Beschaffenheiten und ihnen entsprechend denn auch die verschiedenen Arten von Bewegung und Werden richten, und von denen, die als schlecht erscheinen, werden es die einen einfachhin sein, aber für ein bestimmtes Individuum nicht, vielmehr für den und den begehrenswert; einige andere aber auch nicht für den und den, außer in einem singulären Fall und für kurze Zeit, und auch dann nicht eigentlich begehrenswert; noch andere endlich werden nicht einmal Genüsse oder Ergötzungen sein, sondern haben nur den Schein davon, wenn sie nämlich mit Unlust verbunden sind und der Heilung dienen wie bei Kranken. Sodann, das Gute ist teils Tätigkeit teils Habitus, und demnach sind die Arten von Bewegung und Werden, die den Menschen in den naturgemäßen Habitus versetzen, mitfolgend lustbringend. Die Tätigkeit vollzieht sich da unter den Begehrungen eines Habitus und einer Natur, denen es (1153a) irgend wie mangelt, während es auch Ergötzungen, wie die Tätigkeiten des Denkens, ohne Unlust und Begehren gibt, indem die Natur von Notdurft frei ist. Ein Zeichen dessen ist, daß man sich nicht an demselben Lustbringenden ergötzt, wenn und während die Natur sich erst vollendet, und wenn sie ihren vollkommenen Stand erreicht hat, da man vielmehr nach der Erreichung desselben an dem schlechthin Lustbringenden Gefallen hat, über der Vollendung der Natur aber auch am Gegenteil. Denn da ergötzt man sich auch an sauren und bittern Dingen, deren keines von Natur und schlechthin angenehm ist, daher es auch die Lustgefühle oder Ergötzungen nicht sind. Denn wie sich die angenehmen Dinge zu einander verhalten, so auch die aus ihnen entspringenden Lustgefühle. Drittens, es besteht keine Notwendigkeit, daß ein anderes besser sei als die Lust, wie da einige Philosophen behaupten, daß das Ziel besser sei als das Werden. Denn die Lüste sind nicht alle ein Werden, sondern manche sind auch Tätigkeiten und Ziel; auch stellen diese sich ein, nicht wenn ein Habitus in uns wird, sondern wenn wir aus ihm heraus handeln; und nicht alle Lüste haben ihr Ziel in einem anderen, sondern nur die Lüste derer, die zur Vollendung der Natur geführt werden. Darum ist es auch nicht zutreffend, wenn man sagt, die Lust sei ein fühlbares Werden; man muß vielmehr sagen, sie sei Tätigkeit des naturgemäßen Habitus, und statt »fühlbar« muß man sagen »ungehemmte«. Sie scheint eine Art Werden zu sein, weil sie im eigentlichen Sinne gut ist. Man meint nämlich, die Tätigkeit sei Werden, sie ist aber etwas anderes.

      Daß die Lüste schlecht sein sollen, weil manches Lustbringende krank macht, heißt grade so viel, wie wenn manche Kuren darum schlecht sein sollten, weil sie die Kasse angreifen. In dieser Beziehung sind ja beide schlecht, aber doch wohl nicht insofern, als sie ergötzen oder heilen; denn auch das Denken schadet einem zuweilen an der Gesundheit, dagegen wird weder die Klugheit noch sonst ein Habitus durch die aus ihm selbst fließende Lust gehemmt, sondern nur durch fremde Lustempfindungen; denn diejenigen, die aus dem Denken und Lernen entspringen, können nur bewirken, daß man umsomehr denkt und lernt.

      Daß aber keine Lust ein Werk der Kunst ist, hat seinen guten Grund; denn es gibt auch für sonst keine Tätigkeit eine Kunst, sondern nur für ein Vermögen; immerhin hat scheints die Salbenbereitungskunst und die Kochkunst es mit der Lust zu tun.

      Für die Einwürfe ferner, daß der Mäßige die Lust fliehe, der Kluge nur nach einem schmerzlosen Leben trachte und Kinder und Tiere der Lust nachgehen, gilt insgesamt eine und dieselbe Widerlegung. Wir haben erklärt, inwiefern die Lüste schlechthin gut und inwiefern sie dies nicht alle sind. Solchen nun gehen die Tiere und die Kinder nach – und vor ihnen will der Kluge Ruhe haben –, den mit Begierde und Unlust verbundenen und den sinnlichen Lüsten – denn diese sind eben nicht schlechthin gut – und ihrem Übermaß, das den Unmäßigen zum Unmäßigen macht. Darum flieht der Mäßige diese Lust; es gibt dafür andere, die auch für ihn vorhanden sind.

      Vierzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Vielleicht ist es aber auch notwendig, daß, wenn anders es ungehemmte Tätigkeiten eines jeden Habitus gibt, sei nun die ungehemmte Tätigkeit ihrer aller die Glückseligkeit oder die eines einzelnen unter ihnen, diese am begehrenswertesten ist. Das ist aber Lust. Und so wäre denn eine Lust das höchste Gut, mögen auch die meisten Lüste einfachhin schlecht sein. Darum halten alle Menschen das glückselige Leben für lustvoll und verbinden die Glückseligkeit mit der Lust: mit Recht, denn keine Tätigkeit ist vollkommen, wenn sie gehemmt ist, die Glückseligkeit ist aber etwas Vollkommenes. Daher bedarf der Glückselige auch noch der leiblichen und der äußerlichen und Glücksgüter, auf daß die Tätigkeit und die Glückseligkeit nicht gehindert werde. Die aber erklären, ein Mensch, der aufs Rad geflochten werde oder der ins größte Elend gerate, sei glückselig, wenn er tugendhaft sei, stellen absichtlich oder unabsichtlich eine nichtige Behauptung auf. Weil es aber zum glückseligen Leben auch noch der Glücksgüter bedarf, so scheint manchen das zufällige äußere Glück dasselbe zu sein wie die Glückseligkeit; dies ist jedoch nicht der Fall; denn es hindert dieselbe sogar, wenn es im Übermaße vorhanden ist, und dann ist es wohl gar nicht mehr richtig, es Glück zu nennen; denn es hat seinem Begriffe nach eine Beziehung zur Glückseligkeit.

      Auch der Umstand, daß alles, Tier und Mensch, nach der Lust verlangt und strebt, ist ein Zeichen, daß sie in gewissem Sinne das höchste Gut ist.

      »Nicht kann völlig ersterben die Kunde, welche die Völker

      (1155a) Offenbar könnte auch, wenn Lust und lustbringende Tätigkeit kein Gut wäre, das Leben des Glückseligen nicht mit Lust verbunden sein. Denn weswegen bedürfte er ihrer, da sie doch kein Gut sein soll? – Aber der Glückselige würde auch mit Unlust leben können. Denn sie wäre weder ein Übel noch ein Gut, wenn auch die Lust es nicht wäre. Warum sollte er sie also fliehen? – Auch kann gewiß das Leben des Tugendhaften nicht lustbringender sein als das des Lasterhaften, wenn nicht auch seine Tätigkeiten


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