Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe

Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe - Wilhelm  Raabe


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die beiden Welschen nach Wein, und der Jüngste, der Leutnant, nimmt das Schenkmädel um die Hüfte. Der andere aber sieht ganz kläglich und melancholisch drein, als wär’ ihm tüchtig die Petersilie verhagelt; – ich hätt’ über ihn lachen können; aber beim Eid der Geusen, es war nichts zum Lachen! Nun gehen die Worte hin und her, und anfangs ist natürlich nur die Rede von unserer stolzen Tat, von dem Tanz in der vorvergangenen Nacht, von der Himmelfahrt der Unbefleckten Empfängnis. Darüber frohlocke ich im Herzen; aber auf einmal stehen mir alle Pulse stille, denn es wird ein Name genannt, den ich kenne. Von dir, Myga van Bergen, ist die Rede!«

      »Von mir?« rief das junge Mädchen; »o Himmel, und der italienische Kapitän sprach von mir! O Gott, Jan, Jan, schütze mich vor dem! O, wie fürcht’ ich den!«

      »Also ist’s so, der Hund stellt seine Schlingen nach dir?!!« rief Jan Norris mit dumpfer Stimme, und Myga barg ihr Gesicht an seiner Brust und nickte zitternd.

      Der junge Wassergeuse knirschte mit den Zähnen und lachte ingrimmig.

      »Der Trank wird nicht so heiß getrunken, als er gebraut wird; das wird der welsche Schuft schon erfahren. Tröst dich, Myga; bin ich nicht dir zur Seite und viele gute Gesellen hinter mir? Armes Kind, wie du erzitterst!«

      »O Jesus, Jan, ich kann mir nicht helfen. Haben nicht die gewalttätigen, übermütigen Fremden die Macht? Wer hindert sie, ihren bösen Willen auszuführen? O Jan, Jan, nimm mich mit dir fort – in dieser Nacht noch, jetzt gleich!«

      Jan Norris hielt die bleiche, zitternde Braut in den Armen und suchte sie auf alle Weise zu beruhigen. Als ihm dieses ein wenig gelungen war, erzählte er weiter von seinem Abenteuer in der Kneipe zum goldenen Löwen.

      »Steilrecht standen mir die Haare empor, und alles Blut drängte sich mir ins Gehirn. Aber ich mußte mich bändigen, daß ich mich nicht verriet, und das war eine schwere Arbeit; aber Jan Norris kriegt’s doch fertig und tat, als ob er den Teufel ein Wort von dem italienischen Gerede verstünde. Beim Grafen von Lumey, ein Bubenstück, schwärzer als die Nacht, ward da beraten; aber ich weiß alles, und das ist genug. Übermorgen in der Frühe segelt der Andrea Doria – der Befehl dazu ist vom Admiral gekommen – und weil die Gelegenheit so günstig ist, so wird in der nächsten Nacht der feine Plan ins Werk gesetzt. In der nächsten Nacht wird das wilde Täubchen Myga van Bergen in der Gewalt des Kapitäns Antonio Balani sein, mit Hilfe des Teufels und des Leutnants Leone della Rota. In der nächsten Nacht wird dieses Haus überfallen; – aber so leise geschieht das, daß kein Nachbar darüber erwacht, daß kein Hahn in ganz Antwerpen darum kräht. Auf die Galeone mit der Myga! Lustig, – an die Ankerwinde, meine Burschen – hoiho, hinaus zur Jagd auf die rebellischen Ketzer – lustig hinaus in die offene See; – wer hört auf der weiten See den Hilferuf und das Weinen der kleinen Myga? Himmel und Hölle, und der Jan Norris sitzt dabei im Löwen und darf nicht mucken, hält sein Messer in der Faust und darf die beiden flüsternden Schufte nicht über den Haufen stoßen!«

      »O Jan, Jan, um meiner und deiner Mutter willen, – um unserer Liebe willen, rette mich! Laß mich nicht in ihre Hände fallen! Der Tod wäre weniger schrecklich als das!«

      »Ruhig, ruhig, Kind! Es ist noch lange Zeit bis zur nächsten Mitternacht. Zu Amsterdam am Feuerherde wollen wir noch manch ein Mal uns dieser Geschichte erinnern. Verlaß dich auf mich, Herzensbraut, es wird dir nichts zuleide geschehen, solange der Jan Norris noch auf seinen zwei Füßen steht. Doch nun hör weiter; meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ich muß dir erst noch sagen, wie es kam, daß sie den zweiten Steuermann der schwarzen Galeere in mir witterten. Das war eine lustigere Geschichte als die, welche ich dir eben erzählte.«

      »O Jan, Jan, fühle, wie mein Herz klopft; – o barmherziger Gott, wer schützt die arme Myga? O Jan, laß uns fliehen, jetzt gleich auf der Stelle, ich kann hier nicht mehr Atem schöpfen, die Luft dieses Zimmers erstickt mich!«

      »Ruhig, ruhig, liebe Myga. Gern würde ich dich sogleich mit fortführen, und ein Boot würde auch bereit sein, uns aufzunehmen; aber horch nur hinunter in die Gassen – die ganze Stadt weiß in diesem Augenblicke, daß Männer der schwarzen Galeere verkleidet in ihren Mauern weilen. Horch nur das Getümmel drunten – das Laufen und Rennen gilt mir, da ist keine Möglichkeit, daß wir jetzt glücklich durchkamen. Sitz nieder und zittere nicht so noch sind wir sicher, und Zeit schafft Rat – denk an diese Minute, wenn wir in Amsterdam am Winterfeuer sitzen. Hahaha, laß sie nur drunten suchen, zu flink und zu schlau ist ihnen der Jan Norris gewesen –‘s wäre auch schad um den Burschen, wenn sie ihn gehangen hätten, nicht wahr, Myga?«

      »O Jan! Jan!«

      »Ah, bah, gib mir einen Kuß und – noch einen, und nun zu meiner Geschichte. Sitz ich also und beiße mir die Lippen blutig, aber verliere kein Wort des Gespräches neben mir, und die Schurken schwatzen weiter und frohlocken über ihren Teufelsanschlag. Dann trinken sie ihre Gläser aus, erheben sich von ihren Sitzen und wollen gehen, werden aber an der Tür durch einen großen Tumult zurückgehalten. Wird nämlich ein Bube auf den Schultern von zwei Kerlen hereingetragen, und ein groß Hurra entsteht, wie das Volk in der Schenkstube seiner ansichtig wird. Ist der Bub der Kajütenjunge von der Immacolata, der allein von der ganzen Schiffsmannschaft mit dem Leben davongekommen ist und ans Land kam nach einer tollen Fahrt durch Luft und Wasser. Jeder will den Buben sehen. Jeder will ihn sprechen, und alle drängen sich zu ihm und reichen ihm ihre Becher und Krüge. Ich aber halte es für das beste, das Getümmel zu benutzen und mich unbemerkt zu entfernen. Schleiche ich also so dicht als möglich an den Wänden hin und habe fast die Tür erreicht, als das Unglück es will, daß das Auge des Schiffsjungen, der noch immer auf den Schultern seiner Träger kauert, auf mich fällt. Der Bube starrt mich an, als ob er ein Gespenst sähe, er wird bleich wie ein Käse und schreit aus Leibeskräften: ›Hilfe, Hilfe! Ecco, ecco! Das ist einer! Hilfe haltet, haltet ihn!‹ – ›Wer ist’s? Wie? Was?‹ brüllt das Volk, und jeder sieht den Burschen und seine Nachbarn an. – ›Da, da, der dort am Tische – haltet ihn, ‘s ist der Satan von den Wassergeusen, der den Kapitän Perazzo niederstieß – einer von der schwarzen Galeere!‹ – Ein Lärm bricht nun los, als platze die Hölle – alle Augen richten sich auf mich, alle Waffen fliegen aus den Scheiden, und auch ich reiße mein Messer heraus, mein Leben im Notfalle so teuer als möglich zu verkaufen. Nun stürzten sie sich auf mich; aber ich war behender als sie, fasse die nächste Bank und schleudere sie den ersten vor die Füße, daß ein ganzer Haufen darüber stolpert und am Boden sich durcheinander wälzt. Den Augenblick benutze ich – bin mit einem hohen Satz mitten im Getümmel, schlage rechts und links mein Messer ihnen in die Fratzen – die Tür ist erreicht – ich bin in der Gasse – hinter mir höre ich das Gebrüll der Verfolger – Gott sei’s gedankt, daß ich mein Antwerpen wie meine Tasche kenne. Kreuz und quer geht die Jagd, aber ich täusche sie durch mancherlei List; führe sie auf falsche Fährte und kreuze hier herüber. Am Kai ist’s noch ganz still – mein trautes Schlüsselchen öffnet mir eine wohlbekannte Haustür – und – hier bin ich gerettet, um dich zu retten, traute Myga, süße Braut. Horch aber nur, sie geben die Hoffnung noch nicht auf, den Geusen zu hängen – zum Teufel, horch nur, die ganze Garnison kommt warhaftig auf die Beine – haha, eine große Ehre, meine Herren! Bedanke mich allergehorsamst, hahaha!«

      Lachend horchte Jan Norris, zitternd horchte Myga van Bergen dem Lärm in den Gassen.

      »O trauter Jan, bist du ganz sicher, daß niemand deinen Eintritt in dieses Haus gesehen hat? Höre nur, der ganze Tumult wälzt sich hierher – o Gott, schau aus dem Fenster – Fackeln und Speere – Jesus, sie schlagen an die Tür – sie suchen dich, Jan; barmherziger Himmel, schütze uns – verloren, verloren!«

      Die Haustür ging auf, man schien in das Haus zu dringen; Jan Morris preßte die Zähne aufeinander und faßte den Griff seiner Waffe.

      »Ruhig, ruhig – es ist nicht möglich! Ruhig, Myga!«

      »Sie kommen, sie kommen!« kreischte das Mädchen. »Sie steigen die Treppe hinauf, sie werden dich finden; Jan, Jan, laß mich mit dir sterben!«

      Der junge Geuse war blaß wie der Tod.

      »Hätte ich dich durch Unvorsichtigkeit so in Gefahr geführt, Myga? Das wäre schrecklich. Beim Eid der Geusen, da dringen


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