Gesammelte Werke von Gottfried Keller. Готфрид Келлер

Gesammelte Werke von Gottfried Keller - Готфрид Келлер


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Mönch in fremdem Besitztum umher! Ich muß einmal nach meinem Hute sehen!«

      Er lief in das Gartenhaus. Das freundliche Apollönchen allein war da und holte ihm auf sein Begehren seinen Hut hervor; aber sie hielt denselben mit einem schalkhaften Lächeln dar, soweit dies ihrer Gutmütigkeit immer möglich war; denn der Hut sah schändlich aus und war gänzlich zugrunde gerichtet. Vom Regen war er noch aus aller Form gewichen und stellte sich von allen Seiten, wie man ihn auch wenden mochte, als ein höhnisches Unding vor. Wie Heinrich ihn so trostlos in der Hand hielt und Apollönchen mit verhaltenem Lachen dabeistand, trat Dorothea aus dem Saale herein und rief »Wo ist denn das Herrchen? Ach, da sind Sie ja! Wenn es Ihnen lieb ist, so wollen wir doch ein wenig spazierengehen, sehen Sie hier, da habe ich Ihnen einen Hut zurechtgezimmert, der Ihnen hoffentlich wohl anstehen soll!« Wirklich hielt sie einen breiten grauen Jägerhut in der Hand, um den ein grünes Band geschlungen war. Sie setzte ihm denselben auf und sagte »Lassen Sie sehen! Ei vortrefflich, sage ich Ihnen, sieh mal, Apollönchen! Ich habe mir erlaubt, Ihre Jugendfarbe daran anzubringen, damit wir doch ein bißchen grünen Heinrich hier haben! Ist dies Ihr Hut? Wollten Sie den aufsetzen? Zeigen Sie!«

      »Ach, sehen Sie ihn doch nicht an!« rief Heinrich und wollte ihn wegnehmen, aber sie entschlüpfte ihm, und den Trübseligen pathetisch vor sich hinhaltend, sagte sie »Lassen Sie! Ich möchte gar zu gern ein solch schlechtes Ding und Krone der Armut einmal ganz in der Nähe besehen! Ja, es ist wahr! kummervoll sieht er aus, der Hut! Aber wissen Sie, ich möchte doch einmal ein Bursche sein und mit solchem verwegenen Unglückshut so ganz allein in der Welt herumwandern! Aber durchaus müssen wir ihn in unserm Rittersaal aufpflanzen als eine Trophäe unserer Zeit unter den alten Eisenhüten!«

      Heinrich entriß ihr die Trophäe und steckte sie in den Ofen, in dem eben ein helles Feuer brannte, und ging mit ihr, die ihn darüber ausschalt, ins Freie. »Wenn er einmal verbrannt sein mußte«, sagte sie, »so hätten wir ihn doch auf feierliche Weise verbrennen sollen! Sie haben in Ihrem Schreibebuch selbst so artig besungen, wie Sie Ihre Dornenkrone lustig auf einem Zimmetfeuerchen verbrennen wollten, nun hätten wir den schlimmen Hut dafür nehmen und ihn dergestalt mit guten Zeremonien verbrennen können, zum Zeichen, daß Sie entschlossen sind, es sich von nun an recht wohl gehen zu lassen!«

      Er antwortete hierauf nichts und dachte auch an gar nichts mehr, was er soeben erst gedacht, sondern überließ sich ganz gedankenlos dem Vergnügen, an der Seite der schönen Jungfrau zu sein, welche ihm die Gegend zeigte, vor ihm her über Wassertümpelchen und Geleise sprang, ihr Kleid anmutig aufnehmend, und zuweilen lachend zurücksah, ob er ihr auch ordentlich folge. Seit langer Zeit erging er sich zum ersten Mal wieder auf dem Lande, ohne Sorgen und an einem schönen Abend, und er wurde durch alles dies so wohlgemut, daß er auf die harmloseste Weise mit der Schönen umherlief und lachte und anfing, Witze zu machen, ohne jedoch die Bescheidenheit zu verletzen. Es dunkelte schon, als sie wieder auf dem Kirchhof ankamen, wo sie mit dem Herrn des Hauses zusammentrafen; dieser nahm Heinrich mit sich fort und begehrte mit ihm zu sprechen, während Dorothea zurückblieb, um noch schnell, soweit es das scheidende Tageslicht erlaubte, die Gräber nachzusehen, welche ordentlich unter ihrer Obhut zu stehen schienen.

      »Ich habe«, sagte der Graf, »jetzt alles überdacht, was wir tun wollen. Ich habe in der Hauptstadt einige Geschäfte und muß diesen Herbst noch hinreisen. So wollen wir gleich morgen zusammen hingehen; Sie versehen sich da mit allem Nötigen, vorzüglich aber mit einigem Handwerkszeuge, soviel Sie zur Vollendung eines oder zweier ansehnlichen Bilder bedürfen, und dann kehren wir hierher zurück; denn ich möchte Sie durchaus nicht mehr in der Stadt wissen, und Sie müssen sich vollkommen wohl befinden auf einige Zeit, dies legt eigentlich den besten Grund zu einem guten Wesen; denn die Welt ist nicht auf Grämlichkeit und Unzufriedenheit, sondern auf das Gegenteil gegründet. Hier machen Sie mit leichtem Mut eine gute Arbeit, Sie werden es tun, ich weiß es; obgleich ich eigentlich kein Kunstschmecker und Kenner von Profession bin und nur für weniges Gutes, was in seiner ganzen Art mich anspricht, mich zuweilen interessiere, so weiß ich dennoch, daß es in Ihrem bisherigen Handwerke gerade so zugeht wie mit allem andern und daß man unter gewissen Umständen mit gutem Sinne immer das kann, was man will, wenn man nur etwas darin getan hat. Ist die Geschichte fertig, so bringen wir sie nach der Stadt, stellen sie aus, und ich werde alsdann mittelst meiner gesellschaftlichen Stellung das Nötige veranlassen, daß Ihre Arbeit gesehen und mit Anstand verkauft wird. Erst dann können Sie mit Ehren dem Handwerke, das Ihnen unzulänglich dünkt, den Rücken wenden und Ihren Sinn auf das Weitere richten.«

      Hierauf erwiderte Heinrich nichts, sondern blieb einsilbig den übrigen Teil des Abends hindurch, selbst als der seltsame Pfarrer am Abendessen teilnahm und mit kuriosem Humor die Gesellschaft erheiterte. Aber als Heinrich im Bette lag, überdachte er alle diese Dinge mit großen Sorgen; denn er erinnerte sich erst jetzt mit Macht an seine Mutter, zu welcher er noch gestern unaufhaltsam hatte laufen wollen, und es wollte ihn bedünken, daß er nun unverzüglich seinen Weg fortsetzen und sich durch keine Umstände von dieser so einfachen und natürlichen Absicht ablenken lassen solle. Es schwebte ihm vor, wie wenn der Vorschlag des Grafen, seine Freundschaft, die Schönheit Dorotheas, das gastliche Haus und das feine Leben darin, alles dies eine künstliche, glänzende und lockende Welt wäre, welche ihn von dem harten und schmalen Weg seines guten Instinktes wegziehen und in die Irre führen möchte. Obgleich er über diese unsinnige oder unklare Ahnung sogleich lachen mußte, dachte er doch, es wäre für einmal besser, wenn er seiner Absicht treu bliebe und unverzüglich nach Hause reise, um da auf heimatlichem Boden aus sich selbst heraus und ohne alle Ansprüche zu sehen, was er treibe. Er beschloß desnahen, am andern Tage unverbrüchlich jenen Weg einzuschlagen, anstatt mit dem Grafen zu gehen, und schlief mit diesem Vorsatze ein, aber nicht ohne alsobald wieder aufzuwachen und nichts anderes vor sich zu sehen in der Dunkelheit als das Bild Dorotheas, welches freundlich, aber unbarmherzig allen Schlaf verscheuchte. Hierüber wunderte er sich sehr und fragte sich bedenklich, ob er etwa wirklich verliebt sei? Es war lange her, seit er dies gewesen, aber dennoch glaubte er aus dem Grunde zu wissen, was Liebe sei, und hielt seine aufgeschriebenen Knabengeschichten noch immer für Meisterwerke leidenschaftlicher Erlebnisse. Und dennoch konnte er sich jetzo nicht entsinnen, auch nur ein einziges Mal etwa nicht geschlafen zu haben während jener Geschichten, und war ganz verblüfft, erst jetzt ein ihm bisher unbekanntes Gefühl seinen Rumor beginnen zu sehen, welches ganz anders ins Zeug und in die Tiefe zu gehen schien als alle jene Verwirrungen und Anfängerstückchen. Eine frohe Bangigkeit durchschauerte ihn, Furcht und Lust zugleich, sich selbst zu verlieren, und so gefährliche Dinge schienen sich da ankündigen zu wollen, daß er doppelt beschloß, sich am andern Tage zu flüchten.

      Aber als er in der Frühe geweckt wurde und ein Wagen schon im Hofe stand, während der Graf und Heinrich das Frühstück nahmen, war es ihm nicht möglich, mit einem Worte seines Entschlusses zu erwähnen, ja er dachte kaum noch daran, da es sich von selbst zu verstehen schien, daß er nie einen Augenblick im Ernste von der Seite dieser Person wegkäme. Ohne weiteres stieg er mit seinem Beschützer in den Wagen und mußte der Dorothea versprechen, sich in der Hauptstadt wieder einen grünen Rock anzuschaffen. Als er das versprach und der Wagen in den sonnigen Herbst hinausrollte in der gastlichen Gegend, war es ihm, als ob er böse wäre auf seine arme Mutter, die da im Vaterland säße und in ihrem Schweigen die unerhörtesten Ansprüche erhöbe, alles zu lassen und stracks ein ungeteiltes Herz zu ihr zu bringen; denn in seiner Konfusion und bei der Neuheit der Empfindung glaubte er, daß es jetzt um die Liebe zu seiner Mutter geschehen sein müsse, da er eine Fremde mit solchen Augen ansah, wie er noch nie eine angesehen.

      In der Stadt angekommen, sah er sich die Straßen, in denen er in seiner Trübseligkeit umhergegangen, mit Muße an und ging in Gedanken immer selbander durch dieselben hin. Er kaufte sich zwei große Stücke Leinwand und alles dazugehörige Zeug, auch versah er sich mit neuen Kleidern und Effekten, und endlich wollte der Graf auch den alten Trödler aufsuchen, um durchaus die größeren Sachen Heinrichs wiederzuerwerben, die derselbe ihm verkauft. Sie gingen miteinander hin und fanden in dem dunklen Gäßchen den kleinen Laden halb verschlossen. Die andere Hälfte stand nur so weit offen, soviel Licht einzulassen, als eine kleine armselige Auktion brauchte, welche in der Spelunke stattfand; denn das Männchen war vor wenigen Wochen gestorben. Dies tat Heinrich sehr weh, und er bereute es nun, nicht mehr zu dem Alten gegangen zu sein, da er es bei aller Wunderlichkeit so gut mit ihm gemeint hatte. Es trieben


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