Zum Kontinent des eisigen Südens. Erich von Drygalski
dass die Aufstellung der Instrumente versucht werden konnte. Prüfungen mit Libellen, ob die Stative ruhig und konstant stünden oder ob der Boden sich noch bewegte, hatten befriedigende Resultate ergeben. Um innen eine konstante Temperatur zu erhalten, wurde mit einem kupfernen Ofen geheizt; es wurde dadurch bewirkt, dass die Temperatur im Laufe des Tages innen nur um ein Minimum schwankte. Am 24. Januar wurden die ersten Registrierungen versucht und am 26. die ersten Kurven gezeigt; aus denselben ging hervor, dass wir der Zukunft dieser Station mit Vertrauen entgegensehen konnten. Dazu war die meteorologische Station schon längst im Gang und wurde nur noch in Einzelheiten verbessert.
Auch die Einnahme der Kohlen näherte sich um den 20. Januar ihrem Ende; einschließlich der an Deck verstauten Kohlen betrug unser Bestand bei der Abfahrt 370 Tons, wozu noch 40 Tons Anthrazit zum Betrieb der Füllöfen kamen.
Als Depot auf den Kerguelen und zum Gebrauch der dortigen Station blieben etwa 170 Tons übrig, dazu ein Vorrat an Naphtha, Brennholz, Brettern, Mehl und noch einigem anderen Proviant, was wir nicht mehr unterzubringen vermochten. Sie konnten uns für den Fall dienen, dass wir zu einem unfreiwilligen Rückzug nach den Kerguelen gezwungen werden sollten, sonst aber auch zur Verfügung der Kerguelenstation für ihren Bedarf oder für die Schiffe, die mit ihr verkehrten.
Am 24. Januar war auch die Holzlast an Bord und kunstvoll an Deck verstaut derart, dass sie von der vorderen Winde nach hinten zu bis in die Mitte des Laboratoriums reichte; wenn man den vorderen Teil des Schiffes aufsuchen wollte, musste man über sie hinwegturnen, da sie bis zur Höhe der Reling lag. Die Taue der Segel waren für diese Zeit an den Wanten befestigt, damit ihr Gebrauch durch die Verstauung der Holzlast nicht behindert war. Großen Umfang nahmen auch die Platten von Korksteinen ein, die ebenfalls für den Bau von Stationsgebäuden in der Antarktis zur besseren Isolierung derselben mitgeführt wurden. Sie fanden auf der Lotungsbrücke über dem Maschinenhaus Platz. Die Arbeiten mit diesen Platten hatten Augenkrankheiten bewirkt aus Ursachen, die uns nicht recht klar waren; sie gingen auch bald vorüber. Schon am 23. Januar war unser Naphthamotor »Leipzig« aufgehisst und in ihm die Netze des Zoologen verstaut, wodurch den immer wiederholten Strandungen mit diesem Boot ein Ziel gesetzt war. Am 27. Januar wurden Kajaks und Schlitten wie bei der Ausreise auf einem Gerüst zwischen den beiden Deckshäusern untergebracht. Danach folgten noch Einzelheiten, die mit einem letzten überladenen Boot am 30. Januar an Bord gebracht wurden. Der »Gauß« lag nunmehr 20,4 Fuß hinten und 19,8 Fuß vorne tief, also etwas mehr, als bei der Abreise von Kiel; was wir bei der nun folgenden Fahrt auch genügend merken sollten.
Mehrfach waren in den letzten Tagen noch Touren unternommen worden, deren eine im Hintergrund der Beobachtungsbucht vier See-Elefanten gezeigt hatte; außerdem wurde noch viel photographiert. Ich selbst hatte auf einem kurzen Gang die beiden Chinesengräber besucht, einfache Hügel, auf jeden ein Bündel mit Reisstroh gestellt und chinesische Schrift an einfachen Kreuzen. Sie waren die Opfer von Beriberi geworden, die sechs Monate später auf unserer Station so namenloses Unglück anrichten sollte. Sonst oblag es mir, in diesen letzten Tagen noch den Plan für eine Hilfs- und Ersatzexpedition für den »Gauß« niederzulegen.
Nach Nachrichten, die ich auf den Kerguelen erhalten hatte, lag diese Sache derart, dass die Kaiserliche Marine eine Ersatzexpedition schon für das Jahr nach unserer ersten Überwinterung für nötig hielt, falls also die Gaußexpedition bis zum 1. Juni 1903 nichts von sich hören lassen würde, während dieses meinen eigenen, vor der Ausreise niedergelegten Ansichten nicht entsprochen hatte, weil der »Gauß« auch für eine zweite Überwinterung vollkommen ausgerüstet war und eine solche in der ganzen Anlage seines Plans, sowie im Bereich der erteilten Instruktionen lag. Angesichts nun des bestimmten Wunsches der Marine arbeitete ich deshalb einen Plan aus, welcher die Entsendung der Hilfsexpedition schon nach dem 1. Juni 1903 zur Grundlage hatte.
Dieser Plan sah in erster Linie die Vereinigung mit der Hauptexpedition an einem bestimmten Punkt vor, als welcher mir nach reiflicher Überlegung das Knoxland als der geeignetste erschien, und zwar sowohl deshalb, weil er der verhältnismäßig sicherste Punkt war, den uns die Expedition von Wilkes in jenem ganzen großen Gebiet hinterlassen hatte, als auch weil es ein Punkt war, den die Gaußexpedition, falls ihr Schiff scheiterte, zu Schlitten voraussichtlich erreichen konnte, weil er von der Stelle ihres Eindringens in das Eis nicht allzu weit entfernt lag. Denn die so frühzeitige Entsendung einer Hilfsexpedition hatte nur dann einen Zweck, wenn sie mit einer frühzeitigen Beschädigung des »Gauß« rechnete, also mit Vorgängen, die in der Nähe seines Eintritts in das Südpolareis lagen.
Falls die Vereinigung am Knoxland nicht gelang, sollte die Hilfsexpedition auch das Kemp- und Enderbyland in den Bereich ihrer Forschungen ziehen. Diese Pläne, die ich hier kurz skizziere, wurden in einer Denkschrift niedergelegt und dem Reichsamt des Innern übersandt. Vorher habe ich sie meinen Begleitern vorgelegt und bei denselben, von einer kleinen Vervollständigung, die Vanhöffen angab, abgesehen, ungeteilte Zustimmung gefunden. Insbesondere finde ich von Kapitän Ruser unbedingte Billigung gerade auch dafür vermerkt, dass die Hilfsexpedition schon im Jahr 1903 ausreisen sollte, weil es, wie er meinte, sonst zu spät werden könne.
Vor allen Dingen erörterte ich diese Pläne mit Herrn Enzensperger, der in dieselben mit scharfer Auffassung eindrang. Enzensperger verstand völlig, was ich in den Anweisungen für die Route der Hilfsexpedition meinte, und gab mir das volle Vertrauen, dass dieselbe unter seiner aktiven Mitwirkung in dem Sinn geführt werden würde, wie sie mit den Auffassungen der Gaußexpedition in Einklang stand.
Die letzten Tage des Kerguelenaufenthalts wurden von der Mannschaft noch zu einer großen Wäsche benutzt, da anzunehmen war, dass der folgende Teil der Schifffahrt wenig Gelegenheit dazu bieten würde. Ich selbst badete am 28. Januar mit Bidlingmaier in dem kleinen Bach westlich von der Station, da das Wasser im Sonnenschein verlockend erschien, machte aber bei 10 Grad Wassertemperatur und bei 8 Grad Luftwärme, dass ich schleunigst wieder herauskam, weil diese Sommererfrischung auf den Kerguelen doch zu schneidend ausfiel. Sonst wurde am Land noch ein Bootshafen angelegt, ein Segeltuchboot neu bezogen und die letzten Zimmerarbeiten vollendet. Am 29. löste ich meine astronomische Station auf oder richtiger, ich übergab sie an Herrn Dr. Werth, nachdem ich während des Monats unseres Dortseins Zeitbestimmungen gewonnen hatte, um den Gang unserer Chronometer zu kontrollieren und den Anschluss derselben an eine feste Station für die Fortsetzung der Fahrt nach Süden zu haben. Für die künftigen diesbezüglichen Arbeiten auf den Kerguelen waren durch Anlage von Marken noch geeignete Vorbereitungen getroffen worden.
Am 27. Januar haben wir mit den Mitgliedern der Station gemeinsam den Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers gefeiert, wobei es in beiden Messen hoch herging; bis zu später Nachtstunde erschollen von hüben und drüben fröhliche Lieder. Der Bedeutung des Tages, auch als des Ausgangspunktes unserer Expedition für die Fahrt ins Unbekannte wurde gedacht. Der Morgen graute, ehe wir uns trennten. Am Tag darauf sah man nachdenkliche Gesichter, doch alle blickten auf das Fest befriedigt zurück. Hier und da bestand etwas Unwohlsein, das auf den nächtlichen Genuss von Wasser infolge quälenden Durstes geschoben wurde, dem dabei alle möglichen Bakterien zugeschrieben wurden, die es nicht hatte.
Dann nahte die Trennungsstunde. Beim frühesten Morgengrauen begab ich mich am 31. Januar noch einmal an Land, um einen kurzen Rundgang vorzunehmen; mit mir waren Leute und zwei Boote gekommen, um die Hunde zu holen. Diese hatten sich die ganze Zeit dort wohlgefühlt; nur Einzelne waren eingegangen, und zwar an Krämpfen. Widerlich war es zu sehen, wie die Raubmöwen diese Tiere ständig umkreisten, um sich auf etwa gefallene Hunde zu stürzen. Einmal sah ich, wie sie gierig einen räudigen Hund in Angriff nahmen, während sie einen nicht mit dieser Krankheit behafteten, an Krämpfen eingegangenen Hund unberührt ließen.
Die Einbootung der Hunde geschah unter einem immensen Geheul; einer stürzte sich ins Wasser, um der Einbootung zu entgehen, ein anderer, der zurückbleiben sollte, wollte seinen Kameraden nachschwimmen, als diese vom Ufer abstießen. Gegen 40 schöne Tiere kamen dann glücklich an Bord und lagen zunächst, ehe ihnen ein geeigneter Raum angewiesen war, auf den Säcken und Kohlen und Brettern umher. Erst am Abend dieses Tages wurden sie unter der Back untergebracht, wo sie verblieben. Paul Björvig hat die ganze Zeit rührend für sie gesorgt; sie selbst aber waren unverträgliche Gesellen, bei denen Kämpfe zu den Alltäglichkeiten gehörten, die freilich meistens nicht so schlimm ausfielen, wie es den Anschein hatte, weil