Gesammelte Werke. Джек Лондон
glückte es ihr doch, sie ihm abzulisten.
»Es sind nur die Dinge, die ich selbst nicht brauche«, sagte sie eindringlich. »Und ich kann immer wieder neue machen, wenn wir uns irgendwo niedergelassen haben.«
Was sie nicht verkaufte, gab sie Tom zur Aufbewahrung, dazu die Hauswäsche und ihre und Billys überflüssige Garderobe.
»Mach nur zu«, sagte Billy. »Du verwaltest das Geschäft. Was du sagst, soll gelten. Hast du schon bestimmt, wohin wir reisen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Oder wie?«
Sie hob erst den einen Fuß, dann den anderen mit den soliden Straßenschuhen, die sie an diesem Morgen in Gebrauch genommen hatte.
»Auf Schusters Rappen, nicht wahr?«
»So ist unser Geschlecht nach dem Westen gekommen«, sagte sie stolz.
»Ja, dann sind wir aber die reinen Vagabunden«, wandte er ein. »Und ich habe nie von einer wandernden Frau gehört.«
»Nun, dann hörst du jetzt davon. Und, Billy, es ist keine Schande zu wandern. Meine Mutter wanderte fast den ganzen Weg über die Prärie. Und beinahe alle anderen Mütter sind in jenen Tagen gewandert. Mir ist es gleichgültig, was die Leute denken.«
Nach ein paar Tagen, als die Kopfwunde geheilt war, stand Billy auf und begann umherzugehen. Natürlich aber war er ganz hilflos, solange er noch beide Arme im Gipsverband trug.
Doktor Hentley ging nicht allein darauf ein, dass sie mit dem Bezahlen seiner Rechnung auf bessere Zeiten warten sollten, sondern schlug es ihnen direkt vor. Von Staatsboden erklärte er, auf Saxons eifrige Frage, nichts zu wissen, nur hätte er eine dunkle Vorstellung, dass die Tage, da man Boden vom Staate bekam, vorbei seien.
Tom hingegen war vollkommen überzeugt, dass der Staat eine Menge Boden hatte. Er sprach vom Honey Lake, von Shasta County und von Humboldt.
»Aber ihr könnt zu dieser Jahreszeit nicht daran denken. Der Winter steht vor der Tür«, sagte er zu Saxon. »Ihr müsst nach Süden wandern, bis ihr dorthin kommt, wo es wärmer ist, zum Beispiel an der Küste. Dort schneit es nicht. Ich will euch sagen, was ihr tun sollt. Ihr geht über San José und Salinas, bis ihr an die Küste bei Monterey kommt. Südlich davon werdet ihr zwischen geschütztem Wald und mexikanischen Bauernhöfen Staatsboden finden. Es ist ziemlich wild dort, und es gibt keine Wege. Sie züchten nur Vieh. Aber es gibt schöne Riesentannencanyons dort und guten Ackerboden, der direkt bis ans Meer reicht. Ich sprach voriges Jahr einen Mann, der das alles gesehen hat. Und ich würde auch hinziehen wie du und Billy, aber Sarah will durchaus nichts davon hören. Es gibt auch Gold dort. Eine ganze Menge Menschen gehen hin, um nach Gold zu suchen; es gibt jedenfalls ein paar gute Minen. Aber das ist weiter weg und ein Stück von der Küste entfernt. Ihr könnt euch ja immerhin danach umsehen.«
Saxon schüttelte den Kopf. »Wir suchen nicht Gold, sondern Hühner und Federvieh und ein Stück Land, wo wir Gemüse bauen können. Unsere Vorfahren konnten ja in der ersten Zeit Gold suchen, und ihr seht, was dabei herausgekommen ist.«
»Ja, da hast du sicher recht«, gab Tom zu. »Sie spielten zu hoch und ergriffen nicht die Tausende kleiner Chancen, die ihnen direkt vor der Nase lagen. Nimm zum Beispiel Onkel Will. Er hatte soviel Bauernhöfe, dass er nicht wusste, was er damit machen sollte. Aber war er zufrieden? Nein, gewiss nicht – er wollte durchaus ein großer Viehkönig sein, und er starb als Nachtwächter in Los Angeles mit vierzig Dollar monatlich. Es gibt etwas, das Verstand heißt, und der Zeitgeist hat sich verändert. Jetzt ist alles Großhandel, und wir sind die kleinen Leute. Früher konnte jedermann einen Hof bekommen. Er brauchte nur seine Ochsen ins Joch zu spannen und ihnen zu folgen, der Stille Ozean lag viele Meilen westlich, und all die Bauernhöfe warteten nur auf sie.
Das war der Geist jener Zeit – Land umsonst und in großen Mengen. Als wir aber zum Stillen Ozean kamen, da war die Zeit auch vorbei. Da begann der Großhandel. Und mit dem Großhandel kamen große Geschäftsleute. Und jeder große Geschäftsmann bedeutet Tausende kleiner Leute, die kein Geschäft haben und nur für die Großen arbeiten. Und wenn es ihnen nicht passt, dann können sie es lassen, aber davon haben sie auch keine Freude. Sie können ihren Ochsen nicht das Joch auflegen und auswandern, denn sie können nirgends hinwandern.«
»Ja, aber die großen Leute waren tüchtiger«, warf Saxon ein.
»Sie hatten mehr Glück«, behauptete Tom. »Einige gewannen, aber viele verloren, und die Männer, die verloren, waren ebenso gut wie die anderen. Nun, es gab auch welche, die weit in die Zukunft schauten. Sieh, wenn dein Vater ein Herz- oder ein Nierenleiden oder die Gicht bekommen hätte, so hätte er nicht Expeditionen und Kriegszüge in der ganzen Welt unternehmen können, ja, dann würde er sich natürlich in San Franzisko niedergelassen haben – dazu wäre er gezwungen gewesen –, Grundstücke gekauft, Dampfschiffsreedereien gegründet, an der Börse gespielt und Eisenbahnen und Tunnels gebaut haben und dergleichen mehr.
Ja, er wäre selbst ein großer Geschäftsmann geworden. Ich kannte ihn. Er war der energischste Mann, den ich je getroffen habe, er dachte so schnell wie der Blitz, so kalt wie ein Eiszapfen und so wild wie ein Tiger. Aber er war so erfüllt vom Zeitgeist, dass er fast platzte, er war lauter Feuer und Flamme und konnte nirgends bleiben. Dein Vater bekam im richtigen Augenblick keine Gicht – das ist alles.«
Saxon seufzte, lächelte dann aber wieder.
»Aber deshalb habe ich doch etwas, das die anderen nicht haben«, sagte sie. »Sie können keine Boxer heiraten, und das habe ich getan.«
Tom sah sie an, als wüsste er nicht recht, was er glauben sollte, dann aber begann sein Gesicht vor Bewunderung zu leuchten.
»Ja, ich will dir nur eines sagen«, erklärte er mit großer Feierlichkeit, »nämlich, dass Billy Glück hat, und dass er selber gar nicht weiß, wie viel.«
*
Erst als Doktor Hentley es erlaubte, wurde der Gipsverband von Billys Armen genommen, und Saxon drang darauf, dass sie noch vierzehn Tage warten sollten, um ganz sicher zu gehen. Mit den vierzehn Tagen wurden es zwei Monate Miete, und der Wirt hatte versprochen, sich zu gedulden, bis Billy wieder zu Geld kam.
Salingers warteten bis zu dem mit Saxon vereinbarten Tag mit dem Abholen der Möbel, und dann zahlten sie Billy noch fünfundsiebzig Dollar zurück. »Den Rest betrachten wir als Miete«, sagte der Einkassierer zu Saxon, »und die Möbel sind jetzt ja auch gebraucht. Es ist ein Verlust für Salingers, und sie brauchten es eigentlich nicht zu tun – das wissen Sie wohl. Aber denken Sie daran, dass wir kulant gegen Sie gewesen sind, und gehen Sie nicht