Gesammelte Werke. Джек Лондон

Gesammelte Werke - Джек Лондон


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ver­galt ih­rem Va­ter mit strah­len­den Au­gen all sei­ne Zärt­lich­keit, dann setz­ten sie sich in die großen be­que­men Ses­sel rechts und links vom Ka­min, in dem das letz­te Tan­nen­holz­scheit rot­glü­hend zer­fiel.

      »Was wird nächs­tes Jahr um die­se Zeit sein?« frag­te Ja­cob Wel­se. Er frag­te es ge­wis­ser­ma­ßen in den Ka­min hin­ein, als ob die Fun­ken ihm Ant­wort ge­ben könn­ten.

      »Die­se bei­den Mo­na­te, seit du bei mir bist, sind ein ein­zi­ges Wun­der ge­we­sen, vom An­fang bis zum Ende. Mir ist, als leb­te ich jetzt die glück­lichs­te Zeit mei­nes Le­bens. Wir hat­ten uns ja kaum ge­kannt, Fro­na. Seit du ein ganz klei­nes Kind warst, ha­ben wir uns im­mer nur für Wo­chen ge­se­hen, und von ei­nem Wie­der­se­hen zum an­de­ren warst du im­mer schon ein ganz an­de­rer Mensch ge­wor­den. Manch­mal ist es mir ganz ko­misch, wenn ich dich an­se­he und mir sage, dass du wirk­lich mein Fleisch und Blut bist … Dass du kein Jun­ge ge­wor­den bist!« un­ter­brach er sich plötz­lich. »Fro­na, du wärst ein groß­ar­ti­ger Jun­ge ge­wor­den! Ich glau­be, das wäre mir lie­ber. Weißt du auch, warum? Ei­gent­lich hat man als Va­ter ja tau­send­mal mehr von ei­ner Toch­ter. Ein Mä­del kann lieb und zärt­lich sein, und ei­nem Mä­del kann man schmei­cheln. Wenn du ein Bur­sche von zwan­zig Jah­ren wärst … glaubst du, ich hät­te dir einen Weih­nachts­kuss ge­ge­ben, so wie heu­te Abend? In ei­ner Toch­ter er­lebt man die Frau noch ein­mal, die man am liebs­ten auf der Welt ge­habt hat … Aber es ist ko­misch, Fro­na, lie­ber wär’ mir’s doch, wenn du ein Bur­sche wärst. Wie lan­ge dau­ert es noch, dann bist du eine Frau und gehst mit ir­gend­ei­nem Kerl weg, der mich nichts an­geht, und der mich nicht lei­den kann, oder den ich nicht mag, und ich kann nicht ein­mal ein Wort da­ge­gen sa­gen. Du bist zur Freu­de für ihn ge­schaf­fen, du wirst mich ver­las­sen und musst mich ver­las­sen … mor­gen, über­mor­gen, viel­leicht erst nächs­tes Jahr, so Gott will … wer weiß das?«

      Sie kam zu ihm, setz­te sich auf die brei­te Arm­leh­ne des Ses­sels und strei­chel­te sein ge­sun­des, rau­es Ge­sicht.

      »Lass das, Dad­dy, heu­te Abend we­nigs­tens! Ich bin auch so glück­lich, dass ich bei dir sein kann, und viel­leicht möch­te ich am liebs­ten im­mer in die­sem war­men Nest blei­ben. Aber er­zähl mir was, du hast mir noch so sel­ten er­zählt, von dei­ner Ju­gend, von un­se­ren Vor­fah­ren, er­zähl mir vor al­lem von Mama! … Und dann muss ich auch ein­mal et­was hö­ren von dei­nem Va­ter, der den großen ein­sa­men Kampf bei Tre­a­su­re City ge­kämpft hat, wo sie zehn ge­gen einen wa­ren, und wo er ge­fal­len ist. Ich bin so stolz, dass all mei­ne Ah­nen tap­fe­re Män­ner wa­ren, und ich höre so gern von Män­ner­kämp­fen!«

      »Von dei­ner Mut­ter möch­te ich dir viel er­zäh­len, Fro­na. Ei­gent­lich ist es das ers­te­mal, dass wir so al­lein bei­sam­men sind, und dass ich dir mein Herz aus­schüt­ten kann. Aber was kann ich dir sein? Jetzt kommt die Zeit, wo ein Mä­del sei­ne Mut­ter am nö­tigs­ten braucht, und du hast dei­ne Mut­ter nie ge­kannt!«

      Sie schwie­gen bei­de. Es war et­was wie elek­tri­sche Span­nung in die Luft ge­tre­ten; Fro­na wuss­te ge­nau, was jetzt kom­men soll­te.

      »Die­ser Mann, die­ser Dr. Gre­go­ry St. Vin­cent … wie steht es mit euch bei­den?« frag­te Wel­se mit ab­ge­wand­tem Ge­sicht und stoß­wei­sem Atem, als müss­te er sich Wort um Wort aus der Keh­le quä­len.

      »Ich … das weiß ich selbst nicht so recht, Dad­dy.«

      »Du bist ein frei­er Mensch, Fro­na. Du darfst wäh­len, wen du willst. Das ist das ers­te und letz­te Wort, das ich dir zu sa­gen habe. Aber, ich möch­te dich doch so gern ver­ste­hen. Wenn du mir al­les sag­test, weißt du, al­les … viel­leicht könn­te ich al­ter Knurr­hahn dir doch ein­mal ra­ten. Mehr will ich ja gar nicht. Nur ein biss­chen ra­ten …«

      »Wir sind gute Freun­de, wir sind so­gar sehr gute Freun­de, Va­ter. Aber sonst ist nichts zwi­schen uns, ich glau­be we­nigs­tens, dass sonst nichts zwi­schen uns ist. Herr St. Vin­cent hat nie ein Wort dar­über hin­aus ge­sagt.«

      »Aber ich weiß doch, dass ihr euch gern habt. Es ist nur die Fra­ge, ob du ihn so gern hast, wie eine Frau einen Mann ha­ben muss, für den sie sich selbst auf­ge­ben darf.«

      »Nein. Oder viel­leicht doch, wie soll ich das selbst wis­sen? Ich den­ke mir, das ist auf ein­mal da, was du meinst, so wie ein großes, wei­ßes Licht in ei­nem dunklen Zim­mer. Auf ein­mal ist al­les ganz of­fen­bar. Aber das weiß ich, ge­kom­men ist die­ses Licht noch nicht.«

      Ja­cob Wel­se nick­te nach­denk­lich und sah aus wie ein Rie­se, der mit win­zi­gem Kin­der­spiel­zeug spie­len möch­te und sich fürch­tet, dar­an zu rüh­ren.

      »Schließ­lich bin ich doch auch mit an­de­ren jun­gen Män­nern be­freun­det, Va­ter, ge­nau so wie mit Gre­go­ry.«

      »Aber ge­ra­de die­ser St. Vin­cent …«

      »Was ist ge­ra­de mit dem?«

      »Ich kann den Kerl nicht lei­den.«

      »So geht es ihm bei vie­len Män­nern, lei­der«, gab Fro­na zu. »Aber ge­ra­de des­halb …«

      »Mei­ne Mei­nung soll dir nicht mehr gel­ten als die der an­de­ren. Weil ich dein Va­ter bin, habe ich dir in sol­chen Din­gen kei­ne Vor­schrif­ten zu ma­chen, ge­ra­de des­halb nicht. Aber, dass vie­le Män­ner das­sel­be Ur­teil ha­ben wie ich, da muss et­was dar­an sein.«

      »Aber du hast nichts ge­gen ihn als die­ses un­be­stimm­te Ge­fühl?«

      »Doch, viel­leicht et­was mehr als den blo­ßen In­stinkt. Ich will ver­su­chen, dir das zu er­klä­ren. Nim­m’s nicht als Prah­le­rei, es ist eine blo­ße Tat­sa­che: wir Wel­ses ha­ben nie einen Feig­ling un­ter uns ge­habt. Feig­heit ist für mich et­was Un­na­tür­li­ches, et­was Ekel­haf­tes, und ne­ben Feig­heit kann nichts Gu­tes ge­dei­hen.«

      »Gre­go­ry St. Vin­cent ist weiß Gott der letz­te Mann auf Er­den, Va­ter, den man einen Feig­ling nen­nen könn­te! Sein gan­zes Le­ben als For­scher war eine ein­zi­ge tap­fe­re Tat.«

      Fro­na war bei die­ser Ant­wort heiß und feu­rig ge­wor­den, aber dann schi­en sie ihm so trau­rig, dass der An­blick ih­res Ge­sichts ihm ins Herz schnitt.

      »Ich will dir nicht weh tun, Kind. Und wenn ich es doch tun muss, dann ver­zeih mir. Ich weiß nichts von die­sem St. Vin­cent, ich habe gar kei­nen An­halt für das, was ich jetzt sage, nur das un­si­che­re Ge­fühl. Aber ich kann mir nicht hel­fen, der Mann scheint mir nicht das, wo­für er sich aus­gibt. Dann habe ich al­ler­dings et­was über ihn ge­hört, eine klei­ne Tat­sa­che, an sich ganz ge­ring­fü­gig. Ein Auf­tritt un­ten in der Bar, bei dem er nicht ganz sau­ber war.«

      »Weil er mit ei­ner Va­rietéda­me ge­tanzt hat? … Nicht wahr, dar­über zer­bre­chen die Män­ner sich ihre Zun­gen? Vi­el­leicht hat er auch sonst schön mit ihr ge­tan und mei­net­we­gen so­gar … Je­den­falls geht das die an­de­ren nicht das ge­rings­te an, und mir ist er kei­ne Treue schul­dig. Wenn mir das weh tun soll, dann hab’ ich es je­den­falls mit mir al­lein aus­zu­ma­chen, aber ich kann nicht ein­mal sa­gen, dass es mir weh tut.«

      »Du ver­stehst mich falsch. An sei­ne Wei­ber­ge­schich­ten habe ich gar nicht ge­dacht, son­dern an et­was ganz an­de­res. Es hat da mal eine Prü­ge­lei statt­ge­fun­den, eine große, ge­wal­ti­ge Prü­ge­lei, wie sich’s ab und zu in ei­ner Gold­grä­ber­bar ge­hört. Er woll­te nicht mit­ma­chen. Rund­her­aus ge­sagt, er war so feig, dass es einen Hund er­bar­men konn­te. Ein­fach


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