Seewölfe - Piraten der Weltmeere 38. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 38 - Roy Palmer


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bin gefallen. Außerdem – ich bin Ihnen keinerlei Rechenschaft schuldig.“ Sagreras richtete sich schwerfällig auf. Beim ersten Mal mißlang dies, er kippte wieder in seine Ecke zurück.

      De Retortilla hatte sich in Zorn und Eifer geredet. Er hielt sich in keiner Weise mehr zurück. „Was gedenken Sie zu tun, Sagreras? Haben Sie die Hosen so gestrichen voll, daß Sie nicht mehr in der Lage sind, ein vernünftiges Kommando zu erteilen?“

      Sagreras stand jetzt auf den Füßen. Er war darum bemüht, die heftigen Schiffsbewegungen durch Beinarbeit auszugleichen. Eine Hand hielt er hinter dem Rücken. „Ich verbitte mir diesen Ton, de Retortilla. Das ist Meuterei. Sie wissen, was Sie riskieren.“

      Der Mann mit dem Oberlippenbärtchen rückte weiter auf ihn zu. „Ja, ich weiß, daß Sie mich vor ein Bordgericht stellen und zum Tod verurteilen könnten. Aber hier geht es bereits um das nackte Leben, falls Sie das noch nicht bemerkt haben sollten.“ Er stand jetzt dicht vor Sagreras und keuchte. „Da ist es mir egal, wie Sie über mich denken. Kurzum, ich scheiße auf die Vorschriften und die Borddisziplin. Ich will, daß Sie diesen elenden Kahn vor dem Untergang retten.“

      Der Kapitän schien zu überlegen. „Wie steht es mit denen im Unterdeck?“

      „Die? Um die brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen“, erwiderte de Retortilla wild. „Ich habe dieses Vieh angekettet, daß es sich nicht mehr rühren kann. Nicht mal Satan höchstpersönlich könnte sie losreißen. Wenn wir Pech haben und vom Sturm erdrückt werden, saufen sie alle ab, aber sich befreien – nein, das schaffen sie niemals.“

      Er packte Sagreras an den Rockaufschlägen und zog ihn zu sich heran. „Tu endlich was, du elender Hasenfuß. Laß uns nicht so schimpflich verrecken. Nicht ich, sondern du bist der Lump auf diesem Schiff.“

      In diesem Augenblick polterte hinter dem Rücken des Kapitäns etwas zu Boden. Panfilo de Retortilla entdeckte eine halbleere Rumflasche, die polternd aufschlug und in die Ecke rollte. Der Rest des Inhalts lief aus. Jetzt bemerkte er auch die Alkoholfahne, die ihm aus Sagreras’ Mund entgegenwehte, und etwas in ihm kochte über.

      „Bastard! Verbrecher!“ schrie er. „Oben auf Deck schinden sich die Männer ab, und du Dreckskerl säufst dir die Hucke voll, um nicht vor Angst verrückt zu werden.“

      Er überhäufte Sagreras mit einem Schwall übelster Beschimpfungen. Dann schlug er ihm zweimal ins Gesicht. Sagreras versuchte den Degen zu ziehen. Die Waffe verhedderte sich jedoch im Wehrgehänge, und Panfilo de Retortilla stieß seine Faust in die Magengrube des untersetzten Mannes.

      Der Kapitän taumelte zurück und setzte sich auf seinen Allerwertesten. Der Gegner stürzte auf ihn zu, entwand ihm den Degen und die Pistole und schleuderte sie weit von sich. Sie fielen zu Boden und rutschten unter die Koje – unerreichbar für Sagreras.

      De Retortilla packte den Kapitän, riß ihn hoch und stieß ihn vor sich her in Richtung auf den Gang. Die Galeone holte unter schweren Brechern weit nach Steuerbord über, und sie fielen beide hin. Sagreras wimmerte plötzlich. Er wollte fortkriechen.

      De Retortilla holte ihn ein. Er hieb ihm mit voller Wucht gegen die Brust. Sagreras stöhnte und rang nach Luft.

      „Du Versager“, stieß der Mann mit dem Oberlippenbärtchen hervor. „Ich sorge dafür, daß du degradiert und abgeurteilt wirst, wenn wir jemals aus dieser Hölle rauskommen. Unternimm jetzt endlich was.“

      „Ich will nicht sterben ...“

      „Du willst stockbesoffen krepieren, du Aas. Du denkst, daß es sich so leichter stirbt. Aber daraus wird nichts.“

      „Laß mich hier unten ...“

      De Retortilla raffte sich auf, griff mit beiden Händen nach dem schweren Mann und schleppte ihn mit sich durch den düsteren Gang. Das Tosen des Sturmes war ein greuliches Konzert, das sie erschaudern ließ. Sagreras jammerte, daß es eine Schande war.

      „So habe ich dich eingeschätzt!“ rief de Retortilla. „Von Anfang an habe ich gewußt, daß du eine Memme bist, und deswegen konnte ich dich nicht ausstehen, Sagreras.“

      „Hilf mir, de Retortilla, mein Gott, ich werde dich reich belohnen!“

      „Einen Dreck tue ich. Jetzt wird abgerechnet. Du und ich, wir klettern aufs Achterdeck. Da kannst du eine Probe seemännischen Könnens liefern. Du wirst uns aus der Klemme helfen. Ich schwöre dir: ich steche dich ab, wenn du es nicht schaffst.“

      Sagreras schrie vor Panik. „Kein Mensch kann diesen Kahn noch vor dem Absaufen bewahren. Das weißt du so gut wie ich!“

      Panfilo de Retortilla rammte dem Kapitän die Faust in die Seite. Dieser krümmte sich unter unsagbaren Qualen. Die Schmerzen durchzuckten seinen Leib in rasenden Stößen, Schleier wogten vor seinen Augen auf und ab.

      Sagreras war halb ohnmächtig, als der Mann mit dem Oberlippenbärtchen ihn aus dem Holzquerschott des Achterkastells auf das Quarterdeck und dann in Richtung auf den Großmast dirigierte. Mehr instinktiv als bewußt hielt sich der Kapitän an den Manntauen fest. Gischt hüllte sie beide wie Nebelschleier ein.

      Die Mannschaft bestand nur noch zur Hälfte, und dieser kleine, verzweifelte Resthaufen hatte sich auf der Kuhl versammelt und trachtete danach, sich unters Vordeck zu retten, ehe ihn das Schicksal der anderen, vom Meer verschlungenen Seeleute, traf.

      Die Männer schrien um ihr Leben.

      „Sieh sie dir an!“ brüllte de Retortilla dem Kapitän ins Ohr. „Sie sind nicht viel mehr wert als das Vieh, das im Unterdeck festgekettet ist – und doch haben sie dir einiges voraus, du Bastard. Ergreife die Initiative, wenn dir dein Leben lieb ist. Tu etwas!“

      „Ich kann nicht!“ kreischte Sagreras.

      Panfilo de Retortilla zückte sein Messer. Er war allen Ernstes darauf aus, den Kapitän zu töten. Niemals würde sich wieder eine so günstige Gelegenheit dazu bieten. Sagreras war betrunken, angeschlagen und halb wahnsinnig vor Furcht, er leistete keinen Widerstand mehr. Er war ein willenloses Etwas in de Retortillas Fäusten.

      Die Blicke des Stockmeisters, der Offiziere und des Rudergängers hafteten auf dem Mann mit dem Oberlippenbärtchen. Keiner regte sich, um Sagreras beizustehen. Sie konnten ihn alle nicht leiden, den zur Fülle neigenden, Entscheidungen gern aus dem Weg gehenden Mann.

      Sagregas war ein Mensch, der den Weg des geringeren Widerstandes liebte und nie Kapitän hätte werden dürfen. Begünstigungen, Vetternwirtschaft und Korruption hatten ihm überhaupt erst zu seinem Posten verholfen. Er eignete sich nicht zum Führer. De Retortilla hatte das früh erkannt und es verstanden, während ihrer Reise für sich zu werben. Er war nicht der Typ, der Sympathien hortete, aber er verfügte über die Überzeugungskraft und Härte, die Sagreras fehlten. Schon lange hatte er daran gedacht, den Kapitän abzusetzen und die Führung an sich zu reißen.

      Und darauf lief es hinaus. In einer dramatischen Szene wollte er Sagreras vor aller Augen niedermetzeln und das Schiff übernehmen. Sagreras hatte sich schließlich geweigert, die Lage zu meistern. Alle wußten das. So bestand eine Rechtfertigung für den Mord.

      Später, im fernen Spanien, konnte man übereinstimmend behaupten, der Kapitän sei im Sturm über Bord gegangen, und er, de Retortilla, habe bravourös Schiff und Mannschaft gerettet.

      Die Messerklinge schwebte über Sagreras’ Brust.

      „Nein!“ schrie der Mann in panischem Entsetzen.

      „Töte ihn!“ brüllte der Erste Offizier.

      Doch es kam anders. Die Segel über ihren Köpfen schlugen wie wild, und in diesem Augenblick geschah es. Mit ohrenbetäubendem Krachen ging die Großmarsrah in die Brüche. Sagreras riß sich von de Retortilla los, als dieser für eine Sekunde aufblickte. De Retortilla zog den Kopf ein, sprang zur Seite und suchte sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen.

      Die schwere Spiere krachte mitsamt dem an ihr befestigten Segelzeug auf das Deck nieder. Doch das war erst der Beginn des großen Unheils.

      Plötzlich


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