Dracula. Брэм Стокер

Dracula - Брэм Стокер


Скачать книгу
Leib beinhaltete, lief ich von dort weg und erreichte das Zimmer des Grafen. Ich war fest entschlossen, in dem Moment zu flüchten, wenn das Tor geöffnet würde. Angespannt lag ich auf der Lauer und hörte von unten das kreischende Geräusch eines Schlüssels in dem großen Schlüsselloch sowie das Zurückfallen des schweren Tores. Es müssen noch andere Zugänge da gewesen sein oder einer hatte den Schlüssel zu einer der versperrten Türen. Dann hörte ich das Geräusch vieler trampelnder Schritte, die ein klirrendes Echo erzeugten und in irgendeinem Durchgang ausklangen. Ich beeilte mich, wieder hinunter zu dem Gewölbe zu kommen, wo ich den neuen Eingang finden musste; aber in diesem Moment kam ein kräftiger Windstoß und die Tür, die zur Wendeltreppe führte, fiel mit einem schallenden Krach zu, dass der Staub vom Türrahmen flog. Als ich hineilte, um sie aufzudrücken, fand ich sie hoffnungslos fest verschlossen. Ich war von Neuem gefangen und das Netz des Verderbens zog sich noch enger um mich zusammen.

         Während ich dies schreibe, höre ich unten im Durchgang den Lärm trampelnder Füße und das Niederkrachen schwerer Lasten; zweifelsfrei sind es die erdgefüllten Kisten. Dann höre ich jemanden hämmern; es ist wohl die Kiste, die zugenagelt wird. Nun tönen wieder die schweren Schritte durch die Halle, gefolgt von Tritten mit etwas mehr Müßiggang.

         Das Tor wird geschlossen, die Ketten klirren; dann kreischt der Schlüssel im Schlüsselloch. Ich kann es hören, wie er herausgezogen wird; dann öffnet und schließt sich ein anderes Tor; Schloss und Riegel knarren.

      Horch! Im Hofe und den felsigen Weg hinunter klingt das Rollen schwerer Räder, das Knallen von Peitschen und der Gesang der Szgany, der in weiter Ferne einsetzte.

         Ich bin nun allein im Schloss, allein mit den unheimlichen Frauen. Pfui! Mina ist doch auch eine Frau, und dennoch haben sie so gar nichts gemeinsam. Sie sind die Ausgeburten der Hölle!

         Ich werde nicht bei ihnen hier bleiben; ich werde versuchen, die Schlossmauer noch tiefer hinunter zu steigen als ich es bisher tat. Ich will mir etwas von dem Gold mitnehmen, vielleicht kann ich es noch irgendwo später brauchen. Ich muss einen Ausweg von diesem scheußlichen Ort finden.

         Und dann weg von hier und nach Hause! Hin zum schnellsten, zum nächsten Zug! Fort von diesem verfluchten Schauplatz, aus diesem verdammten Land, wo der Teufel und seine Schergen in Menschengestalt ihr Unwesen treiben!

         Gottes Gnade ist mir lieber als die der Ungeheuer, und der Abgrund ist steil und tief. An seinem Fuße mag wohl ein Mann als ein Mann schlafen. Lebt alle wohl! Mina!

      FÜNFTES KAPITEL

      BRIEF VON FRÄULEIN MINA MURRAY AN FRÄULEIN LUCY WESTENRAA

      9. Mai

      Teuerste Lucy!

      Vergib mir, dass ich mit dem Briefschreiben schon so lange im Rückstand bin, aber ich werde von Arbeit beinahe erdrückt. Das Leben einer Schulassistentin ist oft sehr anstrengend. Ich sehne mich danach, bei dir, und an der See zu sein, wo wir frei miteinander plaudern und unsere Luftschlösser bauen können. Ich habe in letzter Zeit sehr viel gearbeitet, da ich gerne mit Jonathans Studien Schritt halten möchte; und ich übe auch äußerst emsig die Stenographie. Wenn wir verheiratet sind, möchte ich Jonathan eine Hilfe und nützlich sein; und wenn ich ausreichend stenographieren kann, bin ich imstande, die Dinge, die er notiert hat, mittels Schreibmaschine auf Papier zu übertragen. Und auch an der Schreibmaschine übe ich fleißig; Jonathan und ich, wir schreiben einander oft Briefe – stenographisch verfasst. Über seine Reisen führt er ein in Kurzschrift gehaltenes Tagebuch. Wenn ich bei dir bin, werde ich auch eines führen, auf gleiche Art. Ich meine nicht dieses Zwei-Seiten-Pro-Woche-Tagebuch mit einer sonntäglichen kleinen Eintragung in einem Eckchen. Nein, es soll ein richtiges Büchlein sein, in dem ich Aufzeichnungen vornehmen kann, wann immer ich dazu in Stimmung bin. Ich glaube, dass es für andere Leute nicht besonders interessant sein wird; aber dafür ist es auch gar nicht ausgerichtet. Ich möchte es gern Jonathan zeigen, wenn irgendetwas Mitteilenswertes vorfällt; hauptsächlich soll es aber ein Übungsheft für mich sein. Ich werde versuchen, so zu tun wie ich es weibliche Journalisten machen sah: Interviewen, Schilderungen verfassen und versuchen, mich der Gespräche, die ich hielt, zu erinnern. Mir wurde erzählt, dass man mit einiger Übung sich alles entsinnen kann, was man den Tag über erlebt und gehört hat. Nun, wir werden sehen. Ich werde Dich mit allem vertraut machen, wenn wir beieinander sind. Gerade habe ich einige flüchtige Zeilen von Jonathan aus Transsylvanien erhalten. Es geht ihm gut, und er wird in einer Woche heimkehren. Ich brenne schon darauf, seine Neuigkeiten erzählt zu bekommen. Es muss so schön sein, fremde Länder zu bereisen. Ich frage mich, ob wir, Jonathan und ich, sie jemals gemeinsam erkunden werden. Es schlägt zehn Uhr. Auf Wiedersehen.

      In Ergebenheit,

      DEINE MINA

      Du musst mir alles Neue erzählen, wenn du mir schreibst. Du hast mir schon lange nichts mehr zukommen lassen. Ich höre da Gerüchte, und insbesondere von einem großen, attraktiven und kraushaarigen Mann???

      BRIEF – VON LUCY WESTENRAA AN MINA MURRAY

      17, Chatham Street,

      Mittwoch.

      Liebste Mina,

      Ich muss schon sagen, du behandelst mich sehr unfair, wenn du mich eine nachlässige Briefpartnerin nennst. Ich schrieb dir zweimal, seitdem wir voneinander abreisten, und dein letzter Brief war auch erst der zweite. Zudem habe ich dir nichts zu erzählen. Es gibt wirklich nichts, was dich interessieren könnte. Die Stadt ist jetzt sehr angenehm, und die meiste Zeit widmen wir uns dem Besuch von Galerien, Spaziergängen und Ausritten im Park. Was den attraktiven, kraushaarigen Mann angeht, so denke ich, dass du den meinst, den ich beim letzten Konzert kennen gelernt habe. Jemand fantasiert hier wohl großzügig. Es war Herr Holmwood. Er kommt öfter zu uns. Er und Mama vertragen sich recht gut; sie haben so viel gemeinsam zu bereden. Wir trafen vor einiger Zeit einen Herrn, der etwas für dich wäre; wenn du nicht schon mit Jonathan verlobt wärest. Er ist eine hervorragende Partie: Hübsch, wohlhabend und aus gutem Haus. Er ist Arzt und wirklich tüchtig. Stell dir nur vor, er ist neunundzwanzig Jahre, und ist bereits der Leiter einer riesigen Irrenanstalt. Herr Holmwood stellte ihn mir vor, und er besuchte uns und kommt nun häufig. Mir ist, als sei er der entschlossenste und ruhigste Mann, denn ich jemals sah. Er scheint absolut unerschütterlich. Ich kann mir lebhaft den kraftvollen Einfluss vorstellen, den er auf seine Patienten ausüben muss. Er hat die sonderbare Angewohnheit, einem direkt ins Gesicht zu sehen, so als wolle er einem die Gedanken lesen. Er versucht es auch öfter bei mir, aber ich lobe mich, eine recht harte Nuss für ihn zu sein. Ich kenne das aus meinem Spiegel. Probierst du nicht auch öfter dein Gesicht zu analysieren? Ich tue es und sage dir, es ist kein schlechtes Studium. Es gibt dir mehr zu denken, als du dir vorstellen kannst, wenn du es noch nie versucht hast. Er sagt, ich sei ihm ein psychologisches Kuriosum, und in bescheidener Weise glaube ich es ihm. Wie du weißt, habe ich kein besonderes Interesse an Kleidern, sodass ich dir nicht beschreiben kann, was gerade modisch angesagt ist. Kleidung ist stinklangweilig. Wieder diese saloppe Umgangssprache, aber es macht nichts; Arthur sagt das jeden Tag. Nun ist alles erzählt. Mina, wir haben uns von Kindheit an all unsere Geheimnisse anvertraut; wir haben beieinander geschlafen und miteinander gegessen, gelacht und geweint; und jetzt, wo ich schon einmal etwas gesagt habe, würde ich gerne mehr sagen. Mina, hast du denn gar keine Vermutung? Ich liebe ihn. Ich erröte jetzt beim Schreiben. Ich glaube zwar, dass auch er mich liebt, doch er hat sich dazu noch nicht geäußert. Ach, Mina, ich liebe ihn; ich liebe ihn; ich liebe ihn! So, das tat jetzt gut. Ich wollte, ich wäre bei dir, meine Liebe, und wir säßen zusammen beim Auskleiden am Feuer, wie wir es zu tun gewohnt sind; dabei könnte ich dir alles erzählen, was ich fühle. Ich weiß nicht, warum ich dir das alles schreibe. Ich befürchte, dass ich aufhören und eigentlich den Brief zerreißen sollte. Und doch will ich nicht aufhören, denn es ist mir ein Anliegen, dir alles zu erzählen. Lass alsbald von dir hören und teile mir alles mit, was du davon hältst. Mina, ich muss aufhören. Gute Nacht; schließ mich in deine Gebete mit ein; und, Mina, bete für mein Glück.

      LUCY

      P.S. – Ich brauch dir wohl nicht sagen, dass das alles geheim bleiben muss. Doch nochmals, Gute Nacht.

      „L.“

      BRIEF


Скачать книгу