Om mani padme hum. Wilhelm Filchner

Om mani padme hum - Wilhelm Filchner


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von nicht mehr als 50 Kilometern.

      Die erste Kette, die zwischen dem europäisch-westasiatischen und chinesischen Netz einen Zusammenhang schaffen sollte, musste angelegt werden auf der Linie Kuldscha–Tihwa (Urumtschi)–Hami–An-hsi–Ping-fan–Sining-fu–Lussar. In den letztgenannten Städten fand ich Anschluss an die vom Carnegie-Institut durchgeführten Messungen sowie an meine eigenen, die ich vor 25 Jahren dort ausgeführt hatte.

      Die Höhen der markanten geographischen Punkte wurden mit dem Siedethermometer festgelegt, die Routenaufnahmen aber, wie stets bisher, mit dem Fluidkompass vorgenommen.

      In Lussar, wo ich den Winter 1926/27 verbrachte, führte ich später Serienmessungen durch zu dem Zweck, die Variationen der einzelnen magnetischen Komponenten zu bestimmen.

      Im Frühjahr 1927 trat ich dann von Lussar aus den Vormarsch nach Tibet an, um zuerst möglichst weit nach Süden und Südwesten in dieses geheimnisvolle Land vorzustoßen und dann ungefähr in der Gegend von Lhasa zum Westvorstoß durch ganz Tibet anzusetzen, mit dem Marschziel Leh in Kaschmir.

      Gerade diese ostwestlich verlaufende Strecke war für die magnetischen Messungen von besonderer Bedeutung. Die dort gelegte Beobachtungskette bildet eine Parallele zu meiner im Norden ausgeführten großen Vermessungslinie Kuldscha–Lussar.

      Im Ganzen habe ich ungefähr 160 magnetische Stationen geschaffen. Diese Messungen basieren jeweilig auf der Festlegung der astronomischen Position mithilfe von Stern- oder Sonnenhöhenbestimmung und Monddistanzbeobachtungen. Im Allgemeinen nahm die Schaffung einer solchen Messstation fünf bis sieben Stunden in Anspruch, leidlich gutes Wetter vorausgesetzt.

      Schwierig gestaltete sich die Arbeit bei Sturm, Nebel, Regen, in der Nacht, ganz besonders aber im Winter, wo das Arbeiten mit erfrorenen, völlig empfindungslosen Fingern zur Qual wurde.

      Daneben habe ich auch gefilmt. Rund 20 000 Meter habe ich in China und Tibet gedreht, von Land und Leuten, ihrem Leben und Treiben, und bin dabei auch in das Innere eines Lamaklosters eingedrungen, dessen merkwürdige Gebräuche und Sitten nun im Bild festgehalten sind. Im Einzelnen wird davon noch manches in einem besonderen Band zu erzählen sein. Aus meinem großen Material ist ein Film zusammengeschnitten worden, der in Deutschland und dem Ausland zahlreiche Vorführungen erlebte und noch erlebt.

      4.

      TIHWA (URUMTSCHI), DER HAUPTSTADT SINKIANGS ENTGEGEN

      Aber kehren wir zu unseren Märschen und Abenteuern zurück. Morgens in der Frühe geht’s wie alltäglich wieder los. Wir schaffen als Letztes die Instrumente, mit denen ich manchmal die ganze Nacht hindurch bis in den Morgen hinein zu messen hatte, auf die Wagen und rollen nun dem großen Schilfmeer in der Ebi-nor-Ebene zu.

      Zwischendurch ist eine Wüste mit Saxaulvegetation und Tamariskensträuchern, die schon in Blüte standen, zu durchqueren. Dann fahren wir längere Zeit leicht bergab.

      Nun wird es sandig und moorig, Bächlein schlängeln sich durch das Gelände. Wir betreten ein Tierparadies: Rostente, Kiebitz, Gambellwasserläufer, Bekassine, Wiesenschmätzer, Blaukehlchen, weiße und gelbe Bachstelzen, Wildschweine, Rehwild, Antilopen, Hasen, Fasanen, Steppenhasen, Nebelkrähen, Elstern, Turmfalken, Buntspechte: All das flattert, badet, rennt, fliegt, springt hier herum und freut sich seines Daseins.

      Beick leidet unter Fieberanfällen. Er erhält Chinin. Ich empfange viele Besuche von russischen Kirgisen, die beim Kirgisenaufstand geflohen waren.

      Schilfwälder ringsum, soweit das Auge reicht; unübersehbar, schwer beschreitbar für Menschen, beliebte Schlupfwinkel für Raubtiere, die ebenso zahlreich vertreten sind wie die Vogelwelt. Nicht zu vergessen die Räuberbanden, die sich den Gewohnheiten der Tiere angeglichen haben und es fertigbringen, in diesen undurchdringlichen Schilfwäldern zu hausen.

      Meist besteht eine solche Bande aus 20 bis 50 Männern, die ausgezeichnet bewaffnet und gewohnt sind, ihr Leben in die Schanze zu schlagen und teuer zu verkaufen. Unerschrockene Kerle sind das, die ihre Operationsbasis mitunter weit drüben in Sowjetrussland haben.

      Bereits in Kuldscha war ich vom Dao-tai vor diesen gefährlichen Gesellen gewarnt worden, und unser Begleiter aus San-tai führte jetzt zur Sicherheit gleich zwei Karabiner bei sich. Dabei war es uns von vornherein klar, dass wir einer starken Bande keinen genügenden Widerstand entgegensetzen könnten.

      Diese Sumpfniederung hatte es in sich. Zur Bewässerung der Felder wird das Wasser einfach quer über die Straße »geleitet«, sodass zuweilen das, was sich dort Straße nennt, in einen tiefen Morast verwandelt war. Das Einbrechen der Wagen und Pferde wiederholte sich noch manches Mal, mit all der heilsamen, schweißtreibenden körperlichen Last, die diese Arbeit für uns mit sich brachte.

      Kurz vor Dschin-huo überall Spuren von alten Wassergräben und Reisfeldern. Bei einem chinesischen »Fort« große kräftige Soldaten.

      Beick, der wieder genesen ist, schießt sein Gewehr ein. Schwarze zahme Schweine weiden in der Nähe. Ihr Besitzer erhebt großes Geschrei, da er meint, Beick wolle seine Schweine töten. Aber der Mann ist bald beruhigt.

      In der brunnenlosen Stadt – alles Wasser wird aus dem Geröllbett des gleichnamigen Flusses geholt – weilten wir drei Tage lang. Ich nahm dort eine Konstantenmessung vor und bestimmte ferner die Höhenlage der Stadt mit 340 Metern.

      Eine nicht erfreuliche Erfahrung machte ich mit dem Kreismandarin von Dschin-huo, der mich sehr unhöflich empfing und die Messungen verbieten wollte. Ich schrieb nach Tihwa an die katholische Mission und bat um Hilfe und Fürsprache beim Generalgouverneur von Sinkiang.

      Am 14. April 1926 verlassen wir sehr früh Dschin-huo, überqueren den Ausläufer eines versunkenen, stark verwitterten Felsgebirges und befinden uns bald in einer riesigen, mit Dünengruppen bestandenen Wüste.

      Die Salzkruste des Bodens blinkt schmutzig weiß. Aus allen Richtungen wehen die Winde über die trostlose Weite. Daher auch die Unregelmäßigkeit der Dünen.

      Im Norden ist die flimmernde Fläche des Ebi-nor zu erkennen, dessen Ufer ein Schilfmeer einfasst. Kumbulak, ein kleines Fort mit wenigen Bewohnern, liegt zwischen gewaltigen Dünen inmitten der Rieseneinöde, 270 Meter ü. d. M. Ohne Verlangen nach Einkehr ziehen wir vorüber.

      15. April. In der Gegend von Kumbulak ist der Sand knietief. Die wenigen einsamen Bauten sind fast ganz darin begraben.

      Anfangs schafften es die Pferde noch mit voller Kraft, die bis an die Achsen versinkenden Wagen schrittweise durch die Sandwüste zu ziehen, aber nach kurzer Zeit schon ging es einfach nicht mehr weiter. Versuchten wir durch Schieben nachzuhelfen, so sackten wir selbst bis über die Knöchel ein und stießen uns die Füße durch die Schuhe an den spitzen Steinen blutig.

      Wir mussten schließlich immer alle vorhandenen Pferde vor einen Wagen spannen, den anderen also stehenlassen und nachholen. Diese »Etappen«-Fahrt kostete ungeheuer viel Zeit.

      Die Lastkarren, die 3000 Dschin, d. i. 4500 russische Pfund, schleppen, spannen oft bis 15 Pferde vor. Bei Regen sind die großen Salzflächen aufgeweicht. Der dadurch entstehende Sandbrei ist so zäh, dass die Wagenführer es vorziehen, mit der Weiterfahrt zu warten, bis die Straßenoberfläche wieder trocken ist.

      Das Schlimmste ist der Mangel jeglichen Wassers, der uns die Weiterfahrt zur Qual machte. Aber wir mussten durch, denn wehe der erschöpften, halb verdursteten Karawane! Sie wird von den erstklassig berittenen kleinen Räuberbanden der Wüste unbarmherzig angegriffen und niedergemetzelt.

      Der größte Teil der eigentlichen Wüstenwanderung stand uns aber noch bevor. Würden wir überhaupt durchkommen?

      Wir wussten zwar, dass die Chinesen, die ja ganze Karawanenstraßen durch die Gobi angelegt haben, in bestimmten Zwischenräumen für Zisternen gesorgt haben. Wir wussten aber auch, dass ein Teil der Oasen durch die ständig wandernden Sandmassen zum Versiegen gebracht wird und einfach vom Erdboden verschwindet.

      Außerdem muss man täglich eine ganz bestimmte Zahl von Kilometern zurücklegen, ehe man die vereinzelten Oasen erreicht! Schafft man dieses Pensum


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