Om mani padme hum. Wilhelm Filchner
vom Dalai-Lama
24.Westmarsch. Im Schnee versunken
28.Eine kritische Nacht. Schen-tsa-Dsong
31.Auf neuen Wegen zum Teri-nam-tso
37.Kaschmir. Srinagar. Am Ziel
38.Über den Himalaja heimwärts
EINLEITUNG
Ende des 19. Jahrhunderts konnte sich noch niemand vorstellen, dass Wilhelm Filchner einmal als Forschungsreisender bekannt würde, dessen Routenaufnahmen und erdmagnetische Vermessung einen bedeutenden Beitrag für die Erschließung noch weitgehend unbekannter Regionen Innerasiens lieferten. Wilhelm, der am 13. September 1877 in München auf die Welt kam, verlor im Alter von vier Jahren seinen Vater Eduard Filchner, einen Mitgründer des Bayerischen Roten Kreuzes. Nachdem sich der Halbwaise in der Schule als ausgesprochener Lausbub erwies und nicht mehr zu bändigen war, wurde Onkel Tambosi aus Südtirol zum Vormund des nunmehr zehnjährigen Knaben bestellt. Der schickte ihn zunächst in ein Pensionat und anschließend in das Bayerische Kadettenkorps. Diese Institution war dem Realgymnasium gleichgestellt und zeichnete sich durch eine straffe Erziehung aus. In dieser Zeit kümmerten sich Thomas Knorr, ein anderer Onkel und Inhaber der Münchner Neuesten Nachrichten (seit 1945 Süddeutsche Zeitung), und dessen Freund und Mitinhaber Georg Hirth um den Jungen. Damals waren das Knorrsche und das Hirthsche Haus beliebte Treffpunkte des Münchner Künstlerlebens, sodass Filchner schon früh mit den renommiertesten Kunstmalern wie Lenbach und Stuck in engen persönlichen Kontakt kam. Obwohl er sich für die Malerei begeisterte und ihm ein unverkennbares Talent attestiert wurde, folgte Filchner dem Wunsch seines Vormunds und schloss als Fünfzehnjähriger mit seinen künstlerischen Ambitionen vollständig ab. Stattdessen konzentrierte er sich nunmehr ganz auf die Militärlaufbahn. Mit dem Reifezeugnis des Kadettenkorps trat er in die Kriegsschule ein, wurde dem 1. bayerischen Infanterieregiment »König« zugeteilt und sechs Monate später zum Degenfähnrich befördert.
Neben dem Militärdrill gab es in München auch angenehme Zeiten, insbesondere den Fasching in der sechswöchigen Fastenzeit zwischen Heilige Drei Könige und Aschermittwoch. Da ging man verkleidet auf äußerst vergnügliche Tanzveranstaltungen in Bierhallen, Hotels oder Kunstmuseen. Auf einem solchen Münchner Faschingsball lernte er die russische Pianistin Pia Müller kennen, die ihn einlud, sie daheim im Kirchspieldorf Poelwe bei Dorpat (heute: Tartu) in Estland für ein Studium der russischen Sprache zu besuchen. Daraufhin belegte er in der Kriegsschule prompt einen Grundkurs in Russisch. Tatsächlich bekam er dann einige Wochen Urlaub, um in der russischen Ostseeprovinz seine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Die Gelegenheit nutzend dehnte er seine Reise über St. Petersburg, Moskau, Nishni-Nowgorod, Kasan und die Wolga abwärts bis nach Samara aus. In Sewastopol auf der Krim war seine Reisekasse soweit reduziert, dass er über Konstantinopel (heute: Istanbul), Sofia, Belgrad und Warschau nach Berlin zurückkehren musste, wo er schließlich völlig mittellos ankam. Das während der Reise erlebte »sorgenarme Landfahrerleben« gefiel Filchner so gut, dass er künftig immer ausgedehntere Reisen unternehmen würde. Die damit verbundene Geldknappheit sollte ihn meistens dabei begleiten.
Die Lektüre der damals aktuellen Schrift von Graf Yorck von Wartenburg über »Rußlands Vordringen in Asien« anlässlich der Besetzung des japanischen Port Arthur im Gelben Meer und der Einrichtung eines Marinestützpunktes im Nordwestpazifik fesselten sein Interesse, sodass er sich ebenfalls auf eigene Kosten nach Osten wenden wollte. Als ihm im Jahr 1900 ein neuer Urlaub auf drei Monate gewährt wurde, nahm er sich die Überquerung des Pamirs bis zur russisch-indischen Grenze zum Ziel.
Im Alter von 23 Jahren brach er mit dreihundert Mark und Empfehlungsbriefen des russischen Gesandten an den russischen Kriegsminister zum »Dach der Welt« nach Zentralasien auf, das Sven Hedin im Reisebericht über seine erste Expedition (1893–1897) so plastisch beschrieben hatte. 1899 war Hedin zu seiner zweiten Expedition nach Zentralasien aufgebrochen. Zunächst hatte Filchner als junger Abenteurer noch keine wissenschaftlichen Ambitionen, sondern nur die Bewältigung der vorgegebenen Strecke vor Augen. Trotz der Belastung durch die Höhenkrankheit bei der Überquerung von drei bis über 4000 m hohen Pässen kämpfte sich Filchner bis nach Pamirski-Post und dann weiter zum chinesischen Grenzposten Chadariasch durch. Dort traf Filchner zufällig auf die Expedition des britischen Archäologen Auriel Stein, der von Indien kommend auf dem Weg nach Kaschgar war. Durch ihn erfuhr Filchner vom sogenannten Boxeraufstand, der von der chinesischen Provinz Schantung ausging und in der Ermordung des Gesandten der deutschen Reichsregierung, Clemens von Ketteler, am 20. Juli in Peking gipfelte. Spontan entschloss sich Filchner, seine geplante Weiterreise nach Indien abzubrechen, um sich stattdessen als Soldat zum chinesischen Kriegsschauplatz zu begeben. In Kaschgar hoffte er, vom russischen Generalkonsul die benötigten Reisepapiere zu bekommen. Auf abenteuerlichem Weg langte er dort an, musste aber dann erfahren, dass er keinerlei Unterstützung für seine Weiterreise auf dem Landweg erhalten würde. Stattdessen wurde ihm geraten, sich nach Konstantinopel zu begeben, um von dort auf dem Seeweg zum Kriegsschauplatz zu gelangen. Nachdem ihn der dortige deutsche Gesandtschaftsarzt für tropendiensttauglich befunden hatte und er an Bord der »Maria Theresia« gegangen war, wurde er kurz nach dem Ablegen ohnmächtig. Der erste Arzt diagnostizierte Typhus, ein zweiter Malaria und Schwarzfieber, weshalb das Schiff in Quarantäne genommen wurde. Schließlich konnte Filchner über Venedig mit der Bahn nach München zurückkehren, wo er als körperlich völlig gebrochener Mensch ankam. Er brauchte sieben Monaten zur Erholung, und erst nach fünfzehn Monaten traten auch keine Schwächezustände mehr auf.
Kaum genesen bewarb sich Filchner zur Teilnahme an der ersten deutschen Südpolarexpedition (1901–1903), die unter