Der Marquis und das arme Madchen. Barbara Cartland

Der Marquis und das arme Madchen - Barbara Cartland


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Vater ist nicht auf Sie angewiesen. Er hat genügend andere Patienten.“

      „Aber nicht so wichtige wie mich!“ war die Antwort.

      Er lächelte sie an.

      „Das war eine sehr arrogante Bemerkung“, antwortete Rowena. „Und was meinen Vater betrifft, so sind alle Menschen, die leiden, für ihn gleich.“

      „Aber wie Sie bemerkt haben werden, kann ich es mir leisten, zu bezahlen“, antwortete der Marquis.

      Rowena preßte die Lippen zusammen und unterdrückte eine unfreundliche Antwort.

      Sie hatte bemerkt, daß der Marquis, seit es ihm wieder besser ging, sie auf eine Weise herausforderte, die ihre Autorität den Geschwistern gegenüber untergrub. Noch vor einer Woche hätte Lotty es niemals gewagt, Tauben zu verlangen, wenn sie eigentlich Fleischpastete essen sollte.

      Jetzt betrat sie das Zimmer und reichte dem Marquis den Teller mit der Pastete.

      „Danke dir“, sagte er. „Das sieht aber wirklich sehr appetitlich aus.“

      „Kann ich jetzt Ihre Tauben haben?“ fragte Lotty, die ganz außer Atem war.

      „Mit Vergnügen“, antwortete der Marquis.

      Sie nahm den Teller vom Tablett.

      „Die Hälfte für mich und die andere Hälfte für Mark“, sagte sie. „Hermoine hat schon ihre Pastete gegessen, sie wird sicher nichts wollen.“

      Lotty trug vorsichtig mit beiden Händen den Teller mit den Tauben hinunter.

      „Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß wir bemüht sind, Eurer Lordschafts Gesundheit wiederherzustellen. Vielleicht ist es Ihnen bekannt, daß Tauben sehr viel nahrhafter sind als diese Pastete, die hauptsächlich aus Kartoffeln besteht“, sagte Rowena in spitzem Ton.

      „Ich nehme an, daß diese Pastete aus dem restlichen Fleisch gemacht wurde, das ich gestern bekommen habe“, erwiderte der Marquis.

      „Ich bin überrascht, daß Sie wissen, aus welchen Zutaten diese Pastete besteht. Ich glaube kaum, dass Sie jemals gezwungen waren, dieses Gericht zu essen.“

      „Ich finde, sie schmeckt außerordentlich delikat. Und da ich nun nicht mehr hungrig bin, könne wir zum eigentlichen Thema zurückkehren. Geld!“

      „Nicht bevor Sie Ihren Nachtisch gegessen haben”, erwiderte Rowena und ging einen Teller holen. “Hier sind einige frische Himbeeren aus dem Garten, die mit dem Quark sehr gut schmecken werden.“

      „Vielleicht möchte Lotty es gerne essen?“ fragte er.

      „Lotty ist verfressen. Und Sie sollten sie nicht noch ermuntern.“

      Der Marquis aß einen Löffel voll von dem Quark. Er konnte sich nicht erinnern, seit seiner Kindheit welchen gegessen zu haben.

      „Erzählen Sie mir etwas von sich“, bat er Rowena.

      „Da gibt es nichts zu erzählen. Sie haben uns inzwischen alle kennengelernt, und Sie werden selbst festgestellt haben, daß wir eine ganz gewöhnliche Arztfamilie sind, die in einem kleinen Ort lebt. Ganz ohne Aufregungen, abgesehen von Zwischenfällen, die durch verrücktes Fahren auf Hauptstraßen verursacht werden.“

      Die Augen des Marquis zuckten für einen Augenblick. Er hatte den Eindruck, daß Rowena ihn absichtlich ärgern wollte.

      Dann sagte er: „Sie wirken eigentlich nicht wie eine normale Arztfamilie.“

      Rowena lächelte.

      „Hermoine ist auf dem besten Wege, eine Schönheit zu werden. Selbst die Chorknaben in der Kirche finden es unmöglich zu singen, wenn sie zugegen ist!“

      „Da stimme ich mit Ihnen überein“, meinte der Marquis. „Und was Sie betrifft, bin ich überzeugt davon, daß Sie den Verkehr am Piccadilly zum Stocken bringen würden, wenn Sie in London auftauchen würden.“

      Rowena sah ihn an, als befürchte sie, er wolle sie veralbern. Dann jedoch bemerkte sie den Ausdruck in seinen Augen und sagte: „Sie sollten nicht versuchen, uns den Kopf zu verdrehen, Mylord. Und bitte, schmeicheln Sie Hermoine nicht. Sie ist so romantisch, daß sie sich einbilden könnte, sie wäre in Sie verliebt. Wenn Sie dann wieder fort sind, werde ich die Schwierigkeiten haben, Hermoine wieder mit den Tatsachen vertraut zu machen und sie davon zu überzeugen, daß sie sich mit ihren Lektionen beschäftigt.“

      „Ist das das Einzige, was Sie für die Zukunft des armen Mädchens tun wollen?“ fragte der Marquis.

      „Und was soll ich sonst tun?“ entgegnete Rowena herausfordernd. Sie hatte festgestellt, daß der Marquis, seit er in dieses Haus gekommen war, viel Unruhe gestiftet hatte.

      Er war jederzeit gegenwärtig. Nicht nur, weil sie für ihn sorgte. Er hatte auch etwas in dieses Haus gebracht, was vorher nicht da war.

      Es war wie ein frischer Wind, der durch die kleinen Räume wehte. Selbst während er bewußtlos gewesen war, fühlte man seine starke Männlichkeit.

      Jetzt, nachdem er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, konnte sie mit ihm reden, mit ihm diskutieren. Irgendwie hatte sie den Eindruck, daß er sie ständig herausforderte.

      Es machte sie wütend, daß er mit seiner ruhigen Arroganz den Eindruck erweckte, als sei er ganz besonders wichtig, und jeder müßte seinen Wünschen Folge leisten.

      Auch konnte sie nicht begreifen, daß er es vorzog, in ihrem Hause zu bleiben, obwohl er nicht weit von hier ein viel größeres und bequemeres Zuhause hatte.

      Oft kam sein Sekretär zu ihm. Schon der Anblick der Pferde verschlug Rowena den Atem.

      Sein Diener erschien jeden Tag, um nach ihm zusehen. Er erzählte Rowena von den großen Besitzungen des Marquis und von seiner wichtigen Stellung in der Gesellschaft. All dies trug dazu bei, daß Rowena sich immer unbedeutender vorkam.

      Der Marquis trank den Rotwein, der auf dem Tablett stand.

      „Ich hätte gern noch ein Glas“, bat er.

      „Ein Glas ist genug. Mehr ist nicht erlaubt“, antwortete Rowena.

      „Unsinn!“ sagte er. „Ich bin durstig, und ich wünsche noch ein Glas zu trinken. Gießen Sie mir eines ein.“

      Fast hätte Rowena ihm gehorcht. Dann jedoch entschied sie sich anders.

      „Da müssen Sie meinen Vater fragen“, meinte sie. „Ich führe lediglich die Anordnungen des Doktors aus nicht die Ihren.“

      Er lächelte auf eine Weise, die sie verunsicherte.

      „Sie wollen mich nur dafür bestrafen, daß ich Lotty vorhin meine Tauben gegeben habe. Hören Sie auf, die autoritäre Amazone zu spielen, und geben Sie mir noch ein Glas.“

      „Und wenn ich mich weigere?“

      „Dann stehe ich auf, und hole mir selbst eines.“

      „Das würden Sie nicht wagen!“

      „Sind Sie sich da so sicher?“ drängte er.

      Ihre Augen trafen sich, und sie hatte das Gefühl, als wäre dies ein Kampf, wer den stärkeren Willen besaß. Da sie jedoch befürchtete, er würde seine Drohung wahrmachen, gab sie schließlich nach.

      „Nun gut“, sagte sie. „Tun Sie, was Sie wollen. Aber wenn Sie heute Nacht entsetzliche Kopfschmerzen bekommen, machen Sie mich nicht dafür verantwortlich.“

      „Sie wissen doch sicher, daß man einem Patienten immer seinen Willen lassen sollte?“ fragte der Marquis.

      Zufrieden beobachtete er, wie sie aus der Karaffe, die der Diener gebracht hatte, den Wein von Swayneling Park in sein Glas goss.

      Rowena antwortete nicht und der Marquis sagte: „Warum so ruhig? Ich bin daran gewöhnt, daß Sie auf jede meiner Bemerkungen eine Antwort haben. Deshalb beunruhigt es mich, wenn Sie nichts sagen.“


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