Dr. Norden Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
aufgeregt auf dem Stuhl hin und her.
»Nun mal langsam«, versuchte Daniel, ihn zu beruhigen. »Ich glaube gar nichts. Es ist ein Versuch. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn er klappt, gut. Aber wenn nicht, dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.« Seine Stimme war eindringlich.
Doch Leon waren wieder Annekas Mut machenden, Worte eingefallen. Du darfst den Mut nicht verlieren und musst an dich glauben!, hatte sie gesagt, und ihre weiche, warme Stimme klang ihm noch im Ohr. Mit leuchtenden Augen sah er Dr. Norden an.
»Wissen Sie, Leistungssport ist wie eine Religion. Das kann man nur ganz oder gar nicht machen«, erklärte er inständig.
»Aber ganz kann man diesen Sport nur machen, wenn man auch ganz gesund ist«, wollte sich Daniel nicht von seiner Euphorie anstecken lassen. Dazu war die Zukunft zu ungewiss, war nicht klar, ob die Therapie wirklich anschlagen und keine gravierenden Nebenwirkungen zeigen würde. Sagen konnte er Leon das indes nicht.
»Das kann nicht alles umsonst gewesen sein!«, sagte der junge Sportler leidenschaftlich. »Sie können sich gar nicht vorstellen, auf was ich alles verzichtet habe. Schon immer war ich anders als andere Kinder. Wenn sie nachmittags mit Freunden gespielt haben, stand ich auf dem Tennisplatz. Wenn sie heute feiern und einen trinken gehen, liege ich längst im Bett und bereite mich auf den nächsten Tag, das nächste Training, das nächste Spiel vor. Mein Trainer hat immer darauf geachtet, dass ich meine Zeit so sinnvoll wie möglich nutze.«
Mit wachsendem Unmut hatte Dr. Norden den Ausführungen des jungen Mannes gelauscht. In den Augen einer besorgten Mutter mochten diese Worte wie ein Wunder wirken. Doch als Arzt und Vater wusste Daniel, dass so eine Entwicklung alles andere als gesund für ein Kind war.
»Das klingt nicht danach, als hättest du sehr viel Spaß gehabt«, äußerte er offen seine Bedenken. »Ganz im Gegenteil hast du ja auf ziemlich viel verzichtet.«
Doch davon wollte Leon nichts hören. Sein Wangen glühten vor Eifer, als er erklärte:
»Das sehen Sie völlig falsch. Ich war sechs Jahre alt, als mich Toni, ich meine Herr Kroith, entdeckt hat. Seitdem gibt es für ihn nichts anderes als meine Karriere«, berichtete er euphorisch. »Er hat sich für mich aufgeopfert und sogar auf eine eigene Familie verzichtet.« Leon hielt inne und holte tief Luft. »Wissen Sie, Toni stand selbst mal kurz davor, Tennisprofi zu werden. Aber dann hatte er einen schlimmen Unfall. Er hat es nie wieder geschafft, an seine Leistungen anzuknüpfen.«
Während der Tennisspieler das bestätigte, was Fee und Daniel tags zuvor schon vermutet hatten, war eine steile Falte zwischen Dr. Nordens Augen aufgetaucht.
»Soso, und jetzt hofft er also, dass du seinen alten Traum vom Ruhm erfüllst.«
Leon war in Gedanken so sehr mit seinem Trainer beschäftigt, dass er den Missmut in Daniels Stimme gar nicht bemerkte.
»Ja! Das tut er«, bestätigte der Tennisstar inständig und strich sich ein dunkelblonde Locke aus der erhitzten Stirn. »Wenn Sie zugelassen hätten, dass ich operiert werde, dann wäre alles umsonst gewesen. Nicht nur meine Mühen. Auch seine.« Leon seufzte glücklich. »Aber jetzt wird alles gut.«
Es kostete Dr. Norden alle Beherrschung, keinen ausfallenden Kommentar abzugeben. Er maß Leon Matthes mit einem kritischen Blick, ehe er sich über die Patientenakte beugte und sich noch einmal die Notizen durchlas, die er sich zu der erforderlichen Behandlung gemacht hatte. Er erläuterte Leon, wie die Schmerztherapie vonstattengehen würde, und bat ihn, früh am nächsten Morgen in die Behnisch-Klinik zu kommen.
Der junge Mann versprach es und verabschiedete sich fast fröhlich.
»Sie hatten übrigens recht.« Als sie schon an der Tür standen, drehte er sich noch einmal zu Daniel Norden um. »Es war wirklich ein schöner Zufall, dass ich Anneka ausgerechnet hier wiedergesehen habe. Da bekommt doch selbst diese dumme Bandscheibengeschichte einen Sinn.« Leon lächelte sehnsüchtig. »Bitte sagen Sie ihr schöne Grüße von mir.« Damit wandte er sich endgültig ab und verließ das Sprechzimmer, und Daniel sah ihm nach, wie er nicht direkt beschwingt, aber doch lockerer als zuvor den Flur hinunterging.
Als Tatjanas großer Metallwecker am nächsten Morgen schrill klingelte, fuhr Danny Norden aus tiefem Schlaf entsetzt im Bett hoch. Nur einen Augenblick später schrie er auf vor Schmerz.
»Aaaahhhh! Warum hängt dieses dumme Regal eigentlich immer noch direkt über dem Bett?«, fragte er und rieb sich die schmerzende Beule, die in Sekundenschnelle auf seinem Hinterkopf wuchs.
Tatjana, die von dem Lärm neben sich schneller, als ihr lieb war, wach geworden war, blinzelte ihren Freund aus verschlafenen Augen an.
»Oh je, mein armer, schwarzer Kater.« Sie schob die Hand unter der Bettdecke hervor und streichelte sanft seinen Arm. Dabei lächelte sie, erinnerte sie dieses Szenario doch an die Zeit, als ihre Liebe noch jung gewesen war. »Du weißt doch, dass in meiner kleinen Studentenbude viel zu wenig Platz ist. Deshalb hatte ich keine Wahl, als das Regal dort aufzuhängen. Das hattest du inzwischen selbst eingesehen«, erinnerte sie ihn zärtlich an die unabänderlichen Tatsachen.
»Aber seit wann hast du diesen Monsterwecker? Der ist imstande und weckt Tote auf.« Unwillig deutete Danny auf das imposante Gerät.
»Den hab ich mir extra gekauft, damit ich nicht immer verschlafe. Du weißt doch, dass Aufstehen ein Problem für mich ist«, gab Tatjana zerknirscht zurück. »Geht’s wieder?«
Danny sank in die Kissen zurück und seufzte theatralisch.
»Ein Kuss könnte meine Schmerzen durchaus lindern. Und ein leckeres Frühstück.«
Bei diesem Vorschlag wurde Tatjana hellhörig. Obwohl sie sich genau an ihr Vorhaben erinnerte, Danny durch ein kleines Verwöhnprogramm von etwaigen Gedanken an andere Frauen abzulenken, wurde er für ihren Geschmack langsam zu anspruchsvoll.
»Moment mal!«, reklamierte sie energisch. »Ich hab dir doch neulich erst Frühstück gemacht. Und außerdem hab ich gestern Abend dafür gesorgt, dass du keinen qualvollen Hungertod erleiden musst.«
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du noch für ganz andere Sachen gesorgt«, lächelte Danny in Erinnerung an die nächtlichen Freuden und zog Tatjana an sich. »Das alles ist so schön, dass ich mich glatt daran gewöhnen könnte. Mal abgesehen davon, dass ich schwerverletzt bin und mich unter gar keinen Umständen anstrengen darf«, erinnerte er seine Freundin an die Schulterverletzung, die eigentlich kaum mehr schmerzte.
»Davon hab ich heute Nacht aber gar nichts mitbekommen«, antwortete Tatjana schlagfertig und stützte sich auf Dannys nackte Brust. »Die hübsche Physiotherapeutin scheint ja gute Arbeit geleistet zu haben.« Obwohl sie sich vorgenommen hatte, ihre Eifersucht nicht zu zeigen, konnte sie sich diesen anzüglichen Kommentar nicht verkneifen.
Danny, der zu dieser frühen Stunde keinen Zusammenhang zwischen Tatjanas Bemühungen und ihrer Eifersucht auf Lilly herstellen konnte, stöhnte genervt auf.
»Fachlich ist diese Frau ja wirklich nicht schlecht. Aber das, was sie sich gestern in der Praxis geleistet hat, war reichlich überflüssig.«
»Was war denn los?«, fragte Tatjana so unbedarft wie möglich und bettete das Kinn auf Dannys Brust.
»Frau Seifert kam ohne Termin und unter einem fadenscheinigen Vorwand in die Praxis geschneit. Angeblich leidet sie an einem Tennisarm. Aber im Ultraschall war rein gar nichts zu sehen.«
»Du glaubst, sie markiert?« Tatjana ließ es sich nicht anmerken, doch das war genau das, was sie diesem Typ Frau zutraute. Und sie freute sich, dass Danny das offenbar genauso sah.
»Ich möchte ihr nichts unterstellen. Aber wir werden ja sehen, ob sie tatsächlich in die Radiologie geht und Aufnahmen machen lässt. Ich für meinen Teil glaube es nicht.« Danny warf einen Blick auf den riesigen Metallwecker mit den goldenen Schellen und stellte bedauernd fest, dass es Zeit wurde aufzustehen. Er hätte noch Stunden dort liegen und mit seiner Freundin plaudern können. Doch die Pflicht rief, und er schob Tatjana sanft von seiner Brust, nachdem er sie geküsst hatte.
»Und