Dr. Norden Staffel 7 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 7 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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wollten nicht recht zu dieser paradiesischen Landschaft passen.

      »Es ist einfach grauenhaft zur Zeit.«

      »Ach, komm schon!« Tröstend legte Fee den Arm um die ­Schultern der Freundin. »So was kommt in den besten Familien vor. Wie heißt es so schön: Pubertät ist, wenn die Eltern anfangen, komisch zu werden«, wagte sie einen Scherz.

      Er verpuffte ungehört, denn inzwischen hatte Nele eine Entscheidung getroffen.

      »Lilli ist gar nicht unsere Tochter.«

      Möwen zogen kreischend ihre Kreise über dem Strand. Kleine Wellen brandeten ans Ufer. In der Nähe kreischten Kinder vor Lebensfreude, während Fee versuchte, die Bedeutung dieser Worte zu verstehen. Der Versuch misslang.

      »Wie meinst du das? Sie ist nicht eure Tochter?«

      Schon bereute Nele den Moment der Schwäche. Wenn Lars davon erfuhr, würde er wieder böse werden mit ihr. Und er hatte ja recht. Sie war wirklich schwach. An Fees Blick bemerkte sie aber, dass es kein Zurück mehr gab. Jetzt musste sie Farbe bekennen. Doch zumindest konnte sie versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben.

      »Lars hatte als Kind Mumps und ist deswegen unfruchtbar«, gestand sie und verlor sich im Anblick des weiten, glitzernden Ozeans. »Trotzdem haben wir uns Kinder gewünscht und Lilli als Baby adoptiert.«

      »Aber das ist doch kein Grund, traurig zu sein. Ganz im Gegenteil!«, wandte Fee ein. »Dan und ich wollten auch mal ein Kind adoptieren, haben dann aber beschlossen, doch erstmal eigenen Nachwuchs zu produzieren.« Wie immer, wenn sie an ihre fünfköpfige Kinderschar dachte, leuchtete ihr Gesicht auf. »Das hat so gut geklappt, dass wir diese Idee schließlich verworfen haben. Aber ich ziehe den Hut vor allen Paaren, die diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen.« Ihre Stimme war so leidenschaftlich, dass Nele unwillkürlich lächeln musste.

      »Zwischendurch ist es ziemlich schwierig. Bereut habe ich es trotzdem nie«, gestand sie. »Lilli ist das Glück meines Lebens. Auch wenn sie jetzt nichts mehr von mir wissen will.« Das Lächeln erstarb. Um nicht wieder zu weinen, biss sich Nele auf die Unterlippe.

      »Warum sollte sie nichts mehr von dir wissen wollen?«, hakte Felicitas nach.

      Ihre Freundin putzte sich die Nase.

      »Lars ist ein sehr stolzer Mensch. Er wollte nicht, dass irgendein Mensch erfährt, dass er unfruchtbar ist. Deshalb wusste Lilli auch nicht, dass sie adoptiert wurde.«

      In diesem Moment ahnte Felicitas, was geschehen war.

      »Sie hat es rausgefunden?«

      Nele nickte. Mehr musste sie im Grunde nicht erzählen. Doch jetzt, da sie einmal angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören. Viel zu lange quälte sie sich nun schon allein mit ihrem schweren Geheimnis herum.

      »Das Unglück nahm schon vor vielen Jahren seinen Lauf. Wenn ich das damals schon geahnt hätte, wäre alles anders gekommen«, sinnierte die geplagte Mutter. »Aber ich hatte ja keine Ahnung.«

      »Was ist passiert?«

      »Angefangen hat alles mit diesen dubiosen Schmerzen. Zuerst waren es Empfindungsstörungen in Lillis Armen und Beinen. Später kamen seltsame blaurote Punkte am Körper dazu. Wir sind von Pontius zu Pilatus gelaufen, doch kein Arzt fand heraus, was ihr eigentlich fehlte.« Ein Windstoß wehte ihr das Haar ins Gesicht. Mit einer ärgerlichen Handbewegung wischte sie es fort.

      »Wisst ihr inzwischen, was ihr fehlt?«, nutzte Fee diese Gelegenheit zu einer Frage.

      Nele nickte düster.

      »Allerdings kam die Wahrheit erst vor ein paar Monaten ans Licht. Ich hab mir so lange gewünscht, dass die Ärzte endlich herausfinden, was ihr fehlt … Kennst du diesen Spruch ›Hüte dich vor deinen Träumen, denn sie könnten in Erfüllung gehen‹?« Sie sah Fee fragend an. »Den verstehe ich erst jetzt.« Die Ärztin erschrak. Sofort dachte sie an eine schlimme, vielleicht tödliche Erkrankung.

      »Was fehlt Lilli denn?«, wagte sie kaum zu fragen.

      Die Antwort war überraschend.

      »Sie leidet an der Erbkrankheit Morbus Fabry, die sich mit einer Infusionstherapie gut in Schach halten lässt.«

      »Und wo ist das Problem?« Felicitas hatte diese Fragen noch nicht ganz ausgesprochen, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. »Eine Erbkrankheit, sagtest du?«

      Am Tonfall erkannte Nele, dass ihre Freundin verstanden hatte.

      »Diesen Tag werde ich nie mehr vergessen. Noch heute sehe ich Lilli durch die Tür kommen. Ihre Miene, als sie sich vor mir aufgebaut hat …«

      »Sie hat dich gefragt, warum sie eine Erbkrankheit hat und ihr beide nicht.«

      Nele nickte. Wieder kämpfte sie mit den Tränen.

      »Was hätte ich ihr anderes sagen sollen als die Wahrheit?«, fragte sie schluchzend und zog ein neues Taschentuch aus der Packung.

      Fee legte ihre Hand auf ihren Arm. »Natürlich musstest du ihr alles sagen«, versuchte sie, sie zu trösten. »Das war die einzige Möglichkeit.«

      Nele lachte unter Tränen. Der Wind zerrte an dem langen Kleid und entblößte für einen kurzen Moment ihre Beine. Fee meinte, einen großen blauen Flecken zu sehen, und erschrak. Doch bevor sie Nele darauf ansprechen konnte, ob auch diese Verletzung eine Folge der Sturmnacht war, fuhr die Freundin fort: »Das ist deine Meinung. Lars sieht das vollkommen anders. Er macht mir Vorwürfe, dass ich zu schwach gewesen sei. Ich hätte ihr eine Lüge auftischen sollen. Aber das wollte ich nicht.« Sie drehte den Kopf und sah Felicitas aus rotgeweinten Augen an. »Nicht noch eine Lüge.«

      »Du hast das einzig Richtige getan«, wiederholte die Ärztin ihre Worte. »Natürlich ist dieser Vertrauensbruch ein herber Schlag für Lilli. Aber dadurch, dass du ihr die Wahrheit gesagt hast, wird sie dir eines Tages wieder glauben können. Auch wenn das ein langer Weg sein wird …«

      »Wenn das alles wäre, hätte ich ja auch Hoffnung«, gestand Nele. Es war ihr gelungen, die Tränen zu trocknen, und sie lächelte Fee schüchtern an. »Eine Zeitlang war es sehr schwierig. Ich fasste sie mit Samthandschuhen an, hab mich kaum mehr getraut, ihr irgendwas zu sagen, geschweige denn, ihr Vorschriften zu machen. Doch dann wurde es besser, und sie hat sich sogar den gemein­samen Urlaub gewünscht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe. Ich dachte, endlich wird wieder alles wie früher.«

      »Diese Hoffnung scheint sich nicht erfüllt zu haben«, ahnte Fee aus der Erfahrung vom Vormittag.

      »Lilli wollte diese Reise nur, um von Lars und mir zu verlangen, ihr bei der Suche nach ihren leiblichen Eltern zu helfen.« Nele seufzte. »Natürlich habe ich ihr das sofort versprochen. Aber Lars ist vollkommen ausgeflippt. So sauer hab ich ihn schon lange nicht mehr erlebt.« Unwillkürlich tastete sie mit der Hand nach der Kruste auf der Lippe.

      Fee bemerkte es, sagte aber nichts dazu. Sie konzentrierte sich vielmehr auf die verfahrene Geschichte.

      »Deshalb ist sie jetzt so sauer auf euch?«, zog sie den richtigen Schluss.

      Die Freundin nickte.

      »In ihren Augen bin ich eine Verräterin, weil ich mich nicht gegen ihren Vater durchsetzen kann. Und Lars ist sowieso unten durch.«

      Fee wusste gar nicht, mit wem sie mehr fühlen sollte: Mit den geplagten Adoptiveltern oder der enttäuschten Tochter.

      »Und das alles mitten in der Pubertät.« Wenn sich ein Mensch mit pubertierenden Kindern auskannte, dann war das die fünffache Mutter. »Das macht das alles nicht unbedingt leichter.«

      »Sie hat schon damit gedroht auszuziehen, sobald sie achtzehn ist …« Neles Blick schweifte wieder hinaus aufs Wasser und verlor sich irgendwo in der Ferne.

      Ihr hoffnungsloser Gesichtsausdruck schnitt tief in Fees empfindsame Seele, und sie nahm sich vor, gleich bei ihrer Rückkehr aufs Schiff mit ihrem Mann zu sprechen. Vielleicht gab es ja irgendetwas, was sie tun konnten.

      Die


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