Das Lob der Narrheit. Erasmus von Rotterdam

Das Lob der Narrheit - Erasmus von Rotterdam


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mit der Weisheit entschlagen, und ihr Leben einzig bey mir zubringen wollten, so würde das, was man das Veralten nennt, ihnen immer unbekannt bleiben, und in steter Jugend würden sie beglückt seyn.

      Sehen Sie mir doch einmal jene Murrköpfe! Philosophisches Grübeln, oder das Betreiben ernsthafter und schwerfälliger Geschäfte, hat sie, ehe sie noch recht Jünglinge waren, zu Greisen verhudelt; Besorgnisse, stete und scharfe Gedankenanstrengung, haben ihre Geisteskräfte, ihre Lebenssäfte, nach und nach erschöpft. Sehen Sie dort meine tollen Lieblingssöhne: o wie wohl ausgefüttert sind sie nicht! ihre Haut, wie glänzend, wie gespannt! nein, die besten Eichwälder Akarnaniens hätten keine so drolichten Ferkelsgeschöpfe aufzuweisen gehabt. Gewiß sie würden vor allen und jeden Altersbeschwerden ein für allemal gesichert bleiben, wenn sie sich nur stets vor jedem Angriffe der Weisheitsseuche geflissentlich bewahren wollten. O daß sich doch in des Menschen Leben Dinge einschleichen müssen, die ihm eine durchgehende Glückseligkeit neidisch abzustehlen trachten!

      Zum Ueberflusse kann ich mich auf eine alte Sache berufen, wer zufolge die Narrheit das sicherste Mittel ist, die Jugend in ihrem schnellen Laufe aufzuhalten, und das unbeliebige Alter weit wegzutreiben. Den Brabantern sagt man nicht ohne Grund nach, da das Alter andere Leute klug mache, so gerathen diese, je mehr sie an Jahren zunehmen, in desto größere Narrheiten: und wirklich ist dieses unter allen Völkern dasjenige, welches im gemeinen Umgange das fröhlichste ist, und an dem sich von dem närrischen Wesen alter Leute am wenigsten finden läßt. Man kann ihnen disorts ihre Nachbaren, meine Holländer, an die Seite setzen, die sich so eifrig für meine Anhänger dargeben, daß sie sich ein Recht auf den Ehrentitel der Narren erworben haben; nicht nur schämen sie sich nicht, dieses von sich zu gestehen, sondern sie sind sogar stolz darauf.

      So gehet denn nun, schwindlichte Sterbliche, um eine Medea, Circe, Venus, Aurora, und ich weiß nicht was für einen Zauberbrunnen aufzusuchen, da man sich wieder jung machen könne: ich, ich allein, bin im Stande dieses zu bewirken, und ich thue es auch. Ich besitze den Wundersaft, vermittelst welchem Memnos Tochter die Jugend Tithons, ihres Ahnen, verlängert hat. Ich bin jene Venus, die den alten Phaon wieder so jung machte, daß Sapho sterblich in ihn verliebt wurde. Ich (wenn irgend jemand) bin im Besitze der Kräuter, der Zaubermittel, des Brunnens, der nicht nur die verflogene Zeit der Jugend wieder zurück bringt, sondern sie auch (welches unvergleichlich besser ist) für das ganze Leben dauerhaft befestigt. Nun denn ja, meine Herrn, Sie werden alle meinen Ausspruch unterschreiben: es giebt nichts liebenswürdiges, als die Jugend, nichts abscheulichers als das Alter. Gut! Sie sehen also, in welcher Schuld sie bey mir stehen; bey mir, die ich ein so grosses Gut gewähre, ein so grosses Uebel verbanne.

      Was halt ich mich so lange bey Sterblichen auf? Lasset den ganzen Himmel durch die Musterung gehen; und man sage mir den Namen, den ich führe, mit einem Hohngelächter ins Angesicht hinein, wenn sich nicht jede Gottheit als etwas widerliches und verächtliches darstellen würde, sobald ich sie meines Einflusses berauben sollte. Warum zeigt sich Bacchus als ein blondhaarichter Jüngling? Weil er bey der Nectarfeuchte, Gastereyen, Tänzen, Spielen, sein ganzes Leben zubringt, und mit der Pallas nicht den geringsten Umgang hat; er, dem kein Gedanke kömmt, sich für einen Weisen auszugeben; der sich freut, wenn man ihn mit Aeffereyen und drollichten Scherzen verehrt; der sich nicht ärgert, wenn man ihn einen Stocknarren nennt; wenn er an der Thür seines Tempels sitzt, und ein muthwilliger Bauernlümmel ihm das Antlitz mit Most und reifen Feigen beschmiert. Mit welchen Spottnamen hat nicht die alte Komödie ihn belegt! O des abgeschmackten Gottes (hieß es) man kann ihm den Ort anriechen, aus dem er gebohren worden! Aber bey allem dem, wer wollte nicht lieber dieser abgeschmackte Thor seyn, der immer lustig ist, immer jugendlich-munter, immer Spiel und Wollust mit sich bringend, als Jupiter mit den schiefen Zornblicken, die jedermann Furcht einjagen; oder Pan, bey dessen sauerm Grunzen man bald selbst zum närrischen Schreckbilde werden könnte; oder Vulkan, der mit Aschen und Schmutz verziert aus seiner rauchigen Werkstätte hervorhinkt; oder auch die schielende Pallas selbst, die zu nichts taugt, als mit ihrem Medusenkopf und ihrer Lanze den Leuten einen Schrecken einzujagen.

      Warum bleibt Amor immer ein Junge? warum? blos weil er ein Possenreisser ist, und nichts thut und denkt, das man auch nur einem Scheine von Ueberlegung zuschreiben könnte. Wie kömmts, daß man die goldschöne Venus stets mit ihrer Frühlingsmine sieht? Sie steht mit mir in Verwandtschaft; die Farbe meines Vaters glüht auf ihrem Antlitze: daher Homer sie die goldene Göttinn nennt; auch lacht sie beständig, wenn Dichter und die ihnen nacheifernden Bildhauer Glauben verdienen. Welche Gottheit ward von den Römern andächtiger verehrt, als Flora, die Mutter aller Wollüste?

      Wie steht es um das Thun und Lassen der sauern Götter? Wenn man sich darüber bey dem Homer und den übrigen Dichtern, Raths erholt, so zeigt sichs, daß es selbst ihnen an nichts weniger fehle, als an Narrheit. Was würd es helfen, die Thaten der Andern weitläufig zu erzehlen, da alle Welt von der Verliebtheit und den Narrentheidungen Jupiters, des Donnergottes, nur zu vieles zu sagen hat? Die strenge Diana, die auf ihren beständigen Jagdschwärmereyen ihres Geschlechts vergießt, wie jämmerlich hat sie sich nicht in ihren Endymion verliebt? Doch mir wär es lieber, wenn die Götter sich ihre Geschichte von dem Momus wollten erzehlen lassen, der sie ihnen ehedem oft vorgepredigt hat: aber neulich stürzten sie ihn im Zorne, samt der keifenden Ate, auf die Erde hinab, weil er, der Verdrüßliche, neidisch auf das Glück der Götter, ihnen mit seiner Weisheit stets in den Ohren lag; kein Sterblicher würdigt ihn, ihn unter Dach zu nehmen; und noch weniger findet er einen Eingang an den Höfen der Fürsten, wo mein Folgemädchen, die schmeichelnde Kolakia, in der grösten Achtung steht; und mit ihr stimmt Momus so wenig überein, als der Wolf mit dem Lamme.

Silen und Polyphem

      Also haben die Götter sich von dem Momus los gemacht; und jetzt können sie, von jedem Sittenrichter befreyt, frey und lustig den Narren spielen. Priapus, ehedem ein Feigenklotz, was bringt er jetzt nicht für Scherze hervor! Merkur, mit seinen Diebereyen und Taschenspielerstreichen setzt alles ins Lachen. Selbst Vulkan spielt im Gelache der Götter den Stocknarren, und läßts am Herumhinken, an Spöttereyen, an lächerlichen Sprüchen nicht fehlen, die Trinkgesellschaft bey guter Laune zu erhalten. Sogar Silen, der alte Verliebte, hüpft im ländlichen Tanze mit dem Polyphem und den barfüssigen Nymphen, wacker umher. Satyren ertanzen sich mit ihren Bocksspringen. Pan, mit einem ungesalzenen Liedchen, bringt alles ins Lautlachen: lieber hört man ihn, als die Musen; besonders wenn der Nektar anfängt in den Kopf hinaufzudünsten. O was könnte ich hier für herrliche Dinge von der Wirthschaft der sich sattgenektarisirten Götter sagen! Da, da gehts (beym Herkules schwör ich!) so närrisch her, daß ich, ich selbst, mich zuweilen des Lachens nicht erwehren kann. Doch besser ists, ich lege, gleich dem Harpokrates, den Finger auf den Mund; leicht könnte sonst ein corycäisch-auflaurender Gott zuhorchen, wenn ich Dinge erzehlte, die selbst dem Momus nicht unbestraft entwischet sind.

      Es ist Zeit, daß ich, nach homerischer Weise von den Himmelsbewohnern, zu den Kindern der Erde herabschländre. Ach da, werden wir sehen, daß sich nichts freudiges und glückliches befinde, das nicht mein Geschenk ist.

      Sie sehen meine Herren, wie vorsichtig die Natur, die Mutter und Schöpferinn des Menschengeschlechts, alles mit Narrheit durchwürzt hat! Die Stoiker, die es in der Kunst des Beschreibens weit gebracht haben, sagen: sich durch die Vernunft führen lassen, sey Weisheit; Narrheit sey es, wenn man sich nach der Willkühr der Leidenschaften richte. Nun, damit das Leben der Menschen nicht etwas ganz trauriges und finsteres seyn müsse, hat Jupiter in ein Pfund von Leidenschaften kaum eine Unze von Vernunft gemengt; die Vernunft hat er in einen kleinen Winkel des Kopfes gebannt, und den ganzen Leib den regen Leidenschaften zum Taumelplatz angewiesen. Der Vernunft hat er zween der heftigen Tyrannen entgegen gesetzt; den Zorn, der seine Herrschaft in der Burg und der Quelle des Lebens hat, in dem Herzen; und die Lüsternheit, die in der Gegend des Unterleibes alles zum Gehorsam nöthigt. Was die Vernunft wider diese zween Feinde vermöge, zeigt sich zureichend aus dem gemeinen Betragen der Menschen; sie schreyt sich heischer, um ihnen ihre Tugendsprüchgen einzupredigen; aber um den Zügel ihrer Königinn bekümmern sie sich wenig, und treiben die Widerspenstigkeit so weit, daß endlich die müde Fürstin sich zum Nachgeben gezwungen sieht, und sich alles gefallen läßt.

      Weil der Mann zur Betreibung der Geschäfte gebohren ist, so mußte


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