Krimis & Erotische Erzählungen. Walter Serner

Krimis & Erotische Erzählungen - Walter Serner


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fein, neu und manchmal auch ein bißchen gemein [locker].

      III.

      Dies wird er mit Vorliebe, wenn man ihn daran erinnert, daß er einmal das war, was er jetzt mit einer unnachahmlichen Krümmung der Unterlippe – seriös heißt. Dann beginnt seine Stimme, die man schwerlich vergißt, sich zitternd zu füllen, seine schlanken Finger verknüpfen sich fast und aus dem Gehege seiner Zähne bricht, wohl kontrolliert, eine wahre Flut vorzüglich stilisierter und noch weitaus vorzüglicher pointierter schwerer Anwürfe gegen alles, was da seriös sich gehabt, Seriöses startet und schwindelt und trickt und pathetet und dichtet und beischläft [küßt] und … kurz, er wird ein bißchen gemein [locker]. Aber er hat ein bißchen recht. Und er hat sehr recht, wenn man diesen meisterhaften Ausbruch auf das ergiebige Gebiet der jüngsten deutschen Dichtung lockt und nicht zuletzt auf das der Malerei. Dann hat er dermaßen recht, daß man daheim seine Bilder noch einmal besichtigt und nach langen Minuten inneren Kampfes … zwar fest bleibt, aber dem böhmischen Doktor dankbar ist und sich bekümmert fragt: »Was wird er nun wieder in Syrakus machen?«

      IV.

      Er ist nämlich konstant unterwegs. So wie seine Geschichten, in denen konstant jemand ankommt und wieder abreist und zwischendurch die hahnebüchensten Dinge sagt und tut. Es ist billig, zwanzig Mark zu bezahlen, um sie zu erfahren und die Erfahrung zu machen, daß es mehr Dinge zwischen Bett und Kaffeehaus gibt, als manch eines Schulweisheit sich träumen läßt. Und daß ein Schriftsteller, der die virtuose Beherrschung seiner Sprache hinter gewagten Saloppheiten verbirgt und die bewundernswerte des Lebens an dessen Gelichter erprobt, kein Dichter sein muß, um es zu sein.

      Unklarer Scherz

       Inhaltsverzeichnis

      Mazalon wechselte mit einer dicken roten Kokotte ein qualliges Lächeln, als Rochat sich an den Tisch schob. Dann senkte er den Kopf in den Nacken, so daß sein steifer Hut nachglitt.

      »Jetzt hab ich’s mal erlebt, wie dir die Stirne ins Genick gerutscht ist. So hab ich mir’s immer vorgestellt.« Lisa ließ mißvergnügt die sehr vollen Brauen spielen, da Mazalon höhnisch die Mundwinkel bewegte.

      »Er markiert sein Niveau, der Esel!« Dann senkte sie sich Rochat zu, sah aber geschickt an ihm vorbei. »Ich verstehe das nicht: es gibt doch Ansichtskarten mit Fliedergeruch und Klappkulisse und ein Bijou wie dieses Bouiboui kann man nicht einmal an die Mama schicken.«

      Mazalon federte nach vorn. »Lisaken, du hast nen neuen Stalljungen! Kunstdünger, was? Bring doch den Hering mal mit! Oder mußt du dir erst ne Hose für ihn schenken lassen? … Na, äußern Sie sich, meine Gnädigste!« Er kniff, von seinen Späßen erheitert, Lisas Schenkel.

      »Zut alors!« Lisa riß die Hand Mazalons empor, warf sie platschend auf die Tischplatte und packte, ärgerlich darüber, einen Ring an ihr. »Monsieur Rochat, betrachten Sie diesen apfelgrünen Chrysopras. Er hat nur im Dunkeln Kraft. Dürfte deshalb schuld daran sein, daß sein Besitzer das Tageslicht meidet.« Sie hatte recht flott sprechen wollen; unversehens aber war es schleppend geworden und matt.

      »Du schiebst mich so in den Vordergrund. Was hast du hinter mir vor?« Mazalons Zungenspitze wurde, zwischen den geöffneten Zähnen einherschnellend, sichtbar. »Hör mal …« Er ergriff Lisas Arm.

      »Laß das doch!« Sie stieß seine Hand heftiger fort, als sie beabsichtigt hatte, und errötete deshalb.

      »Na, na, na, na … Seit wann denn?«

      »Ihr Aperitif wird kalt.«

      »Hm, du wirst warm und – rot.«

      »Monsieur Jakob Mazalon, beschäftigen Sie sich bitte vorwiegend mit sich selber.«

      »Piii!« Mazalons Lippen machten ein obszönes Geräusch.

      »O was für ein Süßer!« Lisas schön umschattete Augen rollten wie hilfesuchend.

       Rochat, der die sonderbare Eindringlichkeit der Stimme derer, die lange geschwiegen haben, seit langem verwertete, äußerte wohlüberlegt: »Sie sind nur – unglücklich, liebe Lisa.«

      Lisa sah erregt und eitel an sich nieder.

      Mazalon soff grinsend. Zwischen die einzelnen Schlucke schwappte ein undeutliches Lachen. »Hör mal, mein Freund …« Er gluckste dumpf. »Diese Manier, Plötzlichkeiten mit Perspektive zu verzapfen, finde ich weder originell noch amüsant. Nicht mal praktisch.« Er bewegte den Kopf spiralenähnlich, als hätte er eine lange tiefsinnige Unterredung zu seinen Gunsten erledigt.

      Rochat, den Mazalons unzähmbarer Machttrieb stets amüsierte, lächelte nachsichtig.

      Mazalon übersah gewohnheitsmäßig Rochats Augen: »Also glatte Note, was? Aber im übrigen mach das an, wo du gerade willst. Bei mir nicht. Ich laß mich nicht mit Bindfaden anknoten.« Er tat, als wäre Rochat ihm nun gänzlich unwichtig geworden.

      Miteins verursachte Mazalons Kopf Lisa solchen Widerwillen, daß sie bereits wild drauflosschimpfen wollte.

      »Zigarette gefällig?« Mazalon hob nachlässig das Päckchen.

      Unsicher lächelnd nahm sie eine. Und zuckte, wütend über sich, zusammen.

      »Tiens, tu as un bouton de chemise au doigt,« sagte eine fette Frauenstimme am Nebentisch.

      »Hein? Bouton de chemise? O la la, ça c’est un kacholong,« schrillte ein überhelles Stimmchen.

      »Quoi? Kacholong? Mais kacholong, c’est une pomade!«

      Die andere lachte knallerbsenhaft.

      »Unklarer Scherz!« brummte Mazalon.

      »Wieso?« Rochat fragte, um ihm Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu ändern; allerdings ohne zu wissen, daß er das Gespräch am Nebentisch gar nicht gehört hatte.

      »Wieso?« wiederholte Mazalon in beabsichtigtem Falsett und versuchte, ein hämisch abweisendes Gesicht zu machen.

      »Sei nicht so blöd frech!« Lisa gelang das Drohende jedoch nur teilweise und schwankend.

      »Wieso?« Diese abermalige eigensinnige Wiederholung hetzte Mazalon in seine ganze Bosheit hinein. »Da hocken zwei ausgewachsene Menschen beiderlei Geschlechts neben einander und nehmen sich weißgott wie wichtig, dieweil … dieweil sie …«

      »Na, Joe, kauf mir nen Schwarzen, ja?« Die dicke rote Kokotte war herangerudert und setzte sich mit imponierender Langsamkeit neben Mazalon, die vollberingte Schwartenfaust auf seinem Nacken. Dabei sah sie Rochat heftig in die Augen.

      »Drahtlos, Frau Herzogin!« Mazalon ärgerte sich, unterbrochen worden zu sein, und über Rochats Anziehungskraft.

      »Ach, Mensch, du hast gar keinen Ehrgeiz! … Schon gut, ich glaubs ja doch nicht! … Ich mit deinem Kopf wär schon Minister!«

      »Nicht poetisch werden, Mary. Doch, laßt uns von ernsten Dingen reden. Keine Blitzungen vorgefallen?«

      »Tröste dich. Dich brauch ich mir noch nicht anzuschaffen.«

      »Also Mary, du bist direkt begabt. Gott strafe deinen Fal, dieses Ferkel!«

      »Sssst, mon cher …« Marys Äuglein flizten, nach Fal forschend, durch das Lokal und blieben schließlich besorgt auf Rochat haften.

      »Na, sende mir mal per Handgriff hundert Sous,« probierte Mazalon, scheinbar scherzhaft.

      »Du hast wohl in Bienenhonig gebadet, Joe, was? Zieht nicht, alter Gauner!« Mary schaukelte ihre komplizierte Coiffure und lachte meckernd.

      Mit einem polternden Ruck riß Mazalon den Stuhl neben sie und packte ihren fleischigen nackten Arm. »Ecoute …« Er flüsterte ihr ins Ohr, während sie hochmütig die Äuglein zur Decke schnellen ließ, wobei sie sich vergewisserte, ob Rochat es auch bemerke.

      Lisa, die so aufmerksam zugehört hatte, daß sie zornig


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