Der Wunderheiler der Kaiserin. Hademar Bankhofer
Hademar Bankhofer
Der Wunderheiler der Kaiserin Maria Theresia
Hademar
Bankhofer
Der Wunderheiler
der Kaiserin
Maria Theresia
Roman
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eISBN 978-3-902862-51-8
A l s N a t u r h e i l k u n d e u n d S c h u l m e d i z i n n o c h F e i n d e w a r e n …
Vorwort von Prof. Hademar Bankhofer
Wer sich mit der Gesundheit des Menschen befaßt sowie mit den verschiedensten Heilmethoden, der wird sich in erster Linie der Phytotherapie, der Wissenschaft von den Heilpflanzen zuwenden. Er kommt aber auch an Themen wie Magnetismus, Hypnose und Suggestion nicht vorbei. Nützlich ist es auch zu analysieren, welchen Stellenwert all diese Behandlungsmethoden in früheren Zeiten hatten und welche Bedeutung ihnen in der Gegenwart zukommt.
Ich habe mich vor einigen Jahren intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. Ganz logisch, daß man dafür vorübergehend die moderne Naturmedizin verläßt und in die Geschichte zurückgeht, in alten Quellen forscht, in längst vergangenen Zeitungen stöbert und sich mit Personen befaßt, die in der Vergangenheit für die Medizin von Bedeutung waren.
Besonders wenn man sich dann etwas gewagten und umstrittenen Therapien jenseits der von der Schulmedizin gezogenen Grenzen zuwendet, stößt man irgendwann beim Eintauchen in die Vergangenheit auf Quellen, die von Magnetismus und Hypnose berichten. Und da findet man im Lexikon den Begriff »animalischer Magnetismus« als Bezeichnung für ein universelles Fluidum. Und in diesem Zusammenhang stößt man zwangsläufig auf den Namen des Arztes und Gelehrten Dr. Franz Anton Mesmer, der diese Lehre entwickelt hat. Man spricht daher heute von Mesmerismus. Dr. Franz Anton Mesmer lebte von 1734 bis 1815 und fand in Frankreich große Anerkennung. Nur wenige wissen, daß er zuvor in Wien gelebt und gearbeitet hat, dort aber sehr umstritten war. Er galt als Modearzt vieler reicher Frauen. Seine Behandlungsmethoden waren umstritten und wurden zum Teil als äußerst fragwürdig angesehen. Aber viele seiner Patienten schwärmten für ihn, waren zum Teil auch in ihn verliebt. Ja, sogar Kaiserin Maria Theresia hatte eine Schwäche für ihn – zumindest eine Zeitlang.
Auch ich stieß bei meinen Recherchen über die Geschichte der Naturmedizin auf Dr. Franz Anton Mesmer. Ich stöberte in verschiedenen Bibliotheken und wollte wissen, wer dieser Mann wirklich war: ein begnadeter Naturarzt mit neuartigen, gewagten Methoden, ein Scharlatan, ein Angeber, ein Opfer von Intrigen? Ich versuchte, wie bei einem Puzzle Teile aus seinem Leben zusammenzusetzen. Es überkam mich wie eine Art Leidenschaft. Denn ursprünglich sollten diese Forschungen ja nur mein medizingeschichtliches Grundwissen erweitern, das ich für meine Arbeit an Büchern zum Thema Gesundheit benötige. Nicht mehr. Ich hatte mir längst ein Bild gemacht und war zu der Erkenntnis gelangt, daß dieser Dr. Mesmer für meine Bücher über natürliche Methoden fürs Gesundbleiben und Gesundwerden eigentlich ziemlich unwichtig war.
Doch ich war da auf eine Geschichte gestoßen, die mich faszinierte und einfach nicht mehr losließ. Das hatte mit meiner Kindheit zu tun. Meine Großmutter und meine Mutter hatten mit mir hin und wieder eine Tante in Wien besucht. Und da waren wir durch eine Gasse im 19. Bezirk Döbling mit dem Namen Paradisgasse gegangen, eine Seitengasse der Grinzinger Straße. Als Kind war mir gar nicht aufgefallen, daß manche diesen Namen als »Paradiesgasse« – mit »ie« – aussprachen, weil sie offenbar der Meinung waren, es handle sich um eine Gasse, die nach dem himmlischen Paradies benannt worden war.
Bei meinen Nachforschungen über die Wiener Jahre des Franz Anton Mesmer aber wurde mir erst bewußt, daß es mit dieser Gasse eine besondere Bewandtnis hatte. Sie trägt ihren Namen nach Maria Theresia von Paradis, der Tochter eines Beamten am Hof der Kaiserin Maria Theresia. Sie war ein Patenkind der Kaiserin, das im Alter von drei Jahren infolge eines Schocks erblindete. Die Kaiserin ließ das blinde Mädchen zu einer Pianistin ausbilden, die in vielen Städten Europas erfolgreich Klavierkonzerte gab.
Kein Geringerer als Wolfgang Amadeus Mozart war mit der blinden Pianistin gut bekannt, Und eines Tages kam der geniale Musiker auf eine Idee: Er überredete seinen Freund Franz Anton Mesmer, all seine medizinischen Künste einzusetzen, um dem blinden Mädchen das Augenlicht wiederzugeben.
Dies war der Auftakt zu einer Folge verhängnisvoller und schicksalhafter Ereignisse. Ich trug aus Interesse zur Historie viele Details dieser Geschehnisse rund um Maria Theresia von Paradis und Franz Anton Mesmer zusammen, und dann stand eines Tages mein Entschluß fest: Ich wollte diese Episode aus dem alten Wien mit ihrer ganzen dramatischen Entwicklung als Roman zu Papier bringen. Ich dachte vorerst nicht im geringsten daran, daß dieser Roman eventuell als Buch erscheinen könnte. Im Gegenteil: Ich überlegte, ob es nicht sinnvoller wäre, in dieser Zeit ein neues Ratgeber-Buch zum Thema Gesundheit zu schreiben. Aber Sie kennen das sicher: Mitunter läßt einen eine ganz bestimmte Idee nicht los. Darum habe ich auch dieses für einen Roman ungewöhnliche Vorwort geschrieben. Es soll für all jene eine Erklärung sein, die vielleicht im ersten Augenblick gedacht haben: »Was soll das? Warum schreibt der Bankhofer auf einmal einen Roman …? Er ist doch ein Sachbuchautor.«
Dieser Roman ist auch ein Stück Sittengeschichte und ein Beitrag zur Geschichte der Medizin mit all den Facetten der damaligen Zeit. Er soll uns zeigen, in welch einer wunderbar aufgeschlossenen Zeit wir heute leben – in einer Zeit, in der die Naturmedizin mit ihren zahllosen Alternativmethoden und die Schulmedizin mit ihren großartigen wissenschaftlichen Leistungen zu einer großen Medizin zusammenwachsen. Genau so, wie es sich Hippokrates, der griechische »Vater der Medizin«, auf der Insel Kos immer erträumt hat: die besten Behandlungsmethoden für den kranken Menschen. Für die Alltagsbeschwerden zuerst immer die schonenden, sanften Therapien aus der Natur. Und dort, wo die Naturanwendungen ihre Grenzen haben, die klassischen Anwendungen der modernen Schulmedizin. Wobei man ehrlich genug sein muß zuzugeben, daß beide Methoden unerwünschte Nebenwirkungen haben können.
Die Geschichte der Maria Theresia von Paradis und des Dr. Franz Anton Mesmer zeigt, daß noch in der frühen Neuzeit, in der Epoche der Aufklärung, in ganz Europa eine unüberbrückbare Kluft bestand zwischen der Naturmedizin mit ihren zugegebenermaßen oft sehr gewagten Methoden und der Schulmedizin mit bisweilen brutalen Therapien. Der Philosoph, Arzt und Naturheiler Paracelsus, mit richtigem Namen Aureolus Theophrast Bombast von Hohenheim, der 1541 in Salzburg starb, war einer der letzten in der europäischen Kulturgeschichte, der beides vereinte: Naturheilkunde und Schulmedizin. Danach herrschte Krieg zwischen den beiden Lehrsystemen, ein Krieg, der von Widersprüchen und Mißverständnissen beherrscht war, und der mit Intrigen und sogar mit Gewalt ausgetragen wurde. Und vor der Kulisse dieses Krieges spielte sich die Geschichte der Maria Theresia von Paradis und des Franz Anton Mesmer ab. Die vollständige Wahrheit, wie sich alles wirklich zugetragen hat, wird man wohl nie erfahren. Ich habe deshalb versucht, den Lauf des Schicksals dieser beiden Menschen in einen Roman zu fassen, der zugleich ein Sittenbild des alten Wien darstellt.
Lassen Sie sich von mir an der Hand nehmen und zurückführen in die »gute alte Zeit«, die in Wahrheit gar nicht so gut war, wie immer wieder behauptet wird. Kommen Sie mit mir in die Epoche zwischen den Jahren 1777 und 1824. In diesem Zeitabschnitt ist viel passiert. Damit Sie sich ein wenig orientieren können: 1777 wird Zar Alexander