Die Verborgene Harmonie. Osho
der Wirklichkeit näher kommt, muss sie Heraklit und Laotse recht geben. Heute sagen die Physiker, dass alles in Bewegung ist. Eddington hat gesagt, Ruhe sei das einzige falsche Wort der Sprache. Nichts ist im Zustand der Ruhe, nichts kann ruhen. Ruhe ist ein irreführendes Wort, ihm entspricht keine Realität.
Ist gibt es nur in der Sprache. Im Leben, in der Schöpfung gibt es kein ist – alles wird. Wenn Heraklit vom Fluss sagt – und das Symbol des Flusses ist bei ihm ein Leitmotiv –, dass du nicht zweimal hineinsteigen kannst, sagt er damit zugleich, dass selbst du dann nicht mehr derselbe bist. Nur oberflächlich betrachtet siehst du unverändert aus. Nicht nur der Fluss hat sich also verändert, sondern auch du.
Es geschah, dass ein Mann zu Buddha kam, um ihn zu beleidigen, er spuckte ihm ins Gesicht. Buddha wischte sich das Gesicht ab und fragte den Mann: „Hast du sonst noch etwas zu sagen?“– als ob dieser Mann etwas gesagt hätte. Der Mann war verblüfft; so eine Antwort hatte er nicht erwartet. Er ging davon. Am nächsten Tag kam er wieder. Die ganze Nacht hatte er nicht schlafen können. Er spürte immer stärker, dass er einen großen Fehler gemacht hatte; er hatte ein schlechtes Gewissen.
Am Morgen kam er wieder, fiel Buddha zu Füßen und sagte: „Vergib mir!“ Und Buddha sagte: „Wer soll dir jetzt vergeben? Den Mann, auf den du gespuckt hast, gibt es nicht mehr, wer soll also wem vergeben? Vergiss das Ganze, jetzt ist daran nichts mehr zu ändern. Man kann es nicht ungeschehen machen, Schluss damit! Es gibt keine Betroffenen mehr, beide Parteien sind tot. Was können wir tun? Du bist ein neuer Mensch und ich bin ein neuer Mensch.“
Genau das ist auch die tiefste Botschaft Heraklits: Alles fließt und ändert sich; alles bewegt sich, nichts bleibt stehen. Und im Augenblick, wo du dich an etwas klammerst, gehst du an der Wirklichkeit vorbei. Und dieses Klammern wird zum Problem, denn die Wirklichkeit verändert sich, du aber klammerst dich an etwas. Zum Beispiel: Gestern hast du mich geliebt. Jetzt hasst du mich. Ich klammere mich ans Gestern und sage: „Du musst mich lieben, denn gestern warst du voller Liebe und gestern hast du gesagt, dass du mich immer lieben wirst – was ist denn inzwischen passiert?“ Aber was kannst du daran ändern? Und gestern, als du sagtest, dass du mich immer lieben würdest, war das nicht gelogen, aber ein Versprechen war es auch nicht, es war einfach aus der Stimmung heraus gesagt und ich habe dir diese Stimmung sehr geglaubt. In dem Augenblick hast du es wirklich gefühlt, dass du mich immer und ewig lieben wirst, und es war nicht die Unwahrheit. Bedenke das! Du warst dem Augenblick treu, das war eben die Stimmung, aber jetzt ist die Stimmung vorbei. Derjenige, der es sagte, ist nicht mehr. Und wenn es vorbei ist, ist es vorbei, man kann daran nichts ändern. Man kann die Liebe nicht erzwingen. Aber genau das versuchen wir alle und schaffen uns dadurch viel Elend.
Der Ehemann sagt: „Liebe mich!“ Die Ehefrau sagt: „Liebe mich, denn du hast es versprochen – hast du die Zeit vergessen, wo du mir den Hof gemacht hast?“ Aber diese Zeit ist dahin. Diese beiden Menschen gibt es nicht mehr. Ein junger Mann von zwanzig, erinnere dich – bist du noch der Gleiche von damals? Viel ist seitdem geschehen; der Ganges ist längst weitergeflossen, du bist nicht mehr da, wo du warst.
Ich habe folgende Geschichte gehört: Eines Abends sagte Mulla Nasrudins Frau: „Du liebst mich nicht mehr, du küsst mich nicht mehr, du umarmst mich nicht mehr. Weißt du noch, unsere erste Zeit – du hast mich manchmal gebissen und das hat mir immer so gefallen! Kannst du mich nicht noch einmal beißen?“
Nasrudin stieg aus dem Bett und seine Frau fragte: „Wo gehst du hin?“
Er sagte: „Ins Badezimmer, mein Gebiss holen.“
Nein, du kannst nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen. Es ist unmöglich. Klammere dich nicht fest; wenn du dich festklammerst, schaffst du dir die Hölle. Festklammern ist die Hölle und ein Bewusstsein, das sich an nichts klammert, ist immer schon im Paradies, man geht mit jeder Stimmung mit, man akzeptiert die Stimmung und man akzeptiert die Veränderung; ohne jeden Groll, ohne jede Klage; denn so ist das Leben, so sind die Dinge nun einmal. Du kannst dich wehren, aber daran ändern kannst du nichts.
Wenn man jung ist, hat man natürlich andere Stimmungen, denn die Jugend hat ihre eigenen Gesetze und Jahreszeiten. Wie sollte ein alter Mann die gleichen Stimmungen haben? Ein alter Mann macht sich lächerlich, wenn er die gleichen Anwandlungen hat. Wie kann ein alter Mann noch verliebte Sachen sagen? Alles hat sich verändert. Wenn man jung ist, ist man romantisch, unerfahren, verträumt. Wenn man alt ist, sind alle Träume fort. Daran ist nichts verkehrt, denn wenn die Träume verschwunden sind, ist man der Wirklichkeit näher, jetzt versteht man alles besser. Man ist weniger romantisch, denn man träumt nicht mehr, aber das ist gut so. Träumerei war eine Stimmung, eine Jahreszeit, so etwas verändert sich. Und man muss immer dem Zustand treu sein, in dem man sich gerade befindet. Sei deinem wandelbaren Selbst treu, denn das ist die einzige Wirklichkeit. Buddha sagt daher: „Es gibt kein Selbst. Du bist ein Fluss. Es gibt kein Selbst, denn es gibt nichts in dir, das sich nicht ändert.“ Buddha wurde aus Indien verbannt, weil es nach der indischen Vorstellung der Hindus, vor allem der der Brahmanen, ein ewiges Selbst gibt, das Atma. Sie hatten immer behauptet, dass es etwas Ewiges gibt, und Buddha behauptete nun: „Nur die Veränderung ist ewig – nichts ist ewig.“
Warum wollt ihr etwas Ewiges sein? Denn nur eine tote Sache kann von Dauer sein. Wellen kommen und gehen, darum ist das Meer lebendig. Wenn die Wellen zum Stillstand kommen, steht alles im Meer still. Das Meer wird ein totes Ding. Alles lebt durch Wechsel – und Wechsel bedeutet Wechsel zum Gegenpol. Man bewegt sich von einem Pol zum anderen und damit wird man immer wieder lebendig und frisch. Tagsüber arbeitet ihr hart und nachts schlaft ihr und entspannt euch. Morgens seid ihr wieder lebendig und frisch für die Arbeit. Ist euch diese Polarität je aufgefallen?
Arbeit ist der Gegenpol der Entspannung. Wenn du hart arbeitest, bist du hinterher abgespannt, müde, erschöpft, aber dann fällst du in das tiefe Tal der Ruhe, der tiefen Entspannung. Die Außenwelt rückt in weite Ferne, du bewegst dich der Mitte zu. Du bist nicht mehr mit dem identifiziert, der du in der Außenwelt bist, du bist nicht mehr der Name, das Ich; du nimmst nichts aus der Außenwelt mit. Du vergisst einfach, wer du bist, und am Morgen bist du frisch. Dieses Vergessen tut gut, es macht dich frisch. Versuch nur einmal drei Wochen nicht zu schlafen; du wirst verrückt, denn du hast vergessen, zum Gegenpol zurückzukehren.
Wenn Aristoteles recht hat, dann wirst du, wenn du nicht schläfst, wenn du nie zum Gegenpol überwechselst, am Ende erleuchtet. In Wirklichkeit wirst du wahnsinnig. Und Aristoteles ist schuld, wenn es im Westen so viele Wahnsinnige gibt. Wenn der Westen nicht auf den Osten hört oder auf Heraklit, dann wird früher oder später der ganze Westen wahnsinnig. Er muss es werden, denn ihr habt die Polarität aus den Augen verloren. Die Logik redet eine geradlinige Sprache. Die Logik sagt: Ruhe dich am Tag aus, übe dich tagsüber im Ausruhen, damit du nachts in tiefen Schlaf gehen kannst – das ist logisch! Übe das Ausruhen! Das ist es, was die Reichen tun; sie ruhen sich den ganzen Tag aus und dann leiden sie an Schlaflosigkeit und beklagen sich: „Wir können nicht schlafen.“ Dabei üben sie den ganzen Tag lang – und liegen auf ihren Betten, liegen in ihren Lehnstühlen, ruhend und immer nur ruhend. Und nachts dann stellen sie plötzlich fest, dass sie nicht schlafen können. Sie haben sich nach Aristoteles gerichtet, sie sind logisch.
Eines Tages suchte Mulla Nasrudin seinen Arzt auf. Hustend ging er hinein. Der Doktor meinte: „Hört sich schon besser an.“ Nasrudin sagte: „Natürlich hört es sich schon ein bisschen besser an – ich hab schließlich die ganze Nacht geübt.“
Wenn du das Ausruhen den ganzen Tag übst, wirst du in der Nacht ruhelos. Du wälzt dich hin und her: Der Körper macht Gymnastik, damit er sich anschließend ausruhen kann. Nein, es gibt niemanden, der weniger mit dem Leben übereinstimmt als Aristoteles. Gehe zum Gegenpol: Arbeite hart am Tage und du schläfst nachts umso tiefer. Je tiefer du in den Schlaf gehst, umso mehr findest du am Morgen, dass du ungeheure Arbeitskraft hast – deine Energie ist unerschöpflich. Durch Ruhe gewinnt man Energie, durch Arbeit gewinnt man Ruhe, das ist das genaue Gegenteil.
Es kommen Leute zu mir, die sagen: „Wir leiden an Schlaflosigkeit, wir können nicht schlafen. Was sollen wir tun, um uns zu entspannen?“
Es sind Anhänger des Aristoteles.
Ich sage ihnen: „Ihr braucht