Mein Weg: Der Weg der weißen Wolke. Osho
Punkt. Dieser stille Punkt muss nicht hergestellt werden. Er ist da. Ihr braucht überhaupt nichts dafür zu tun. Er war immer da.
Er ist euer urinnerstes Wesen, der tiefste Wesensgrund. Das ist es, was die Hindus Atma, die Seele, nennen. Dieses Zentrum ist immer da, aber ihr bemerkt es nicht, wenn eure Körper, eure materielle Existenz nicht völlig aktiv geworden ist. In totaler Aktivität wird das total Inaktive sichtbar. Die Aktivität schafft den Kontrast. Sie ist wie eine schwarze Wandtafel, auf der sich ein weißer Punkt befindet. Gegen den Hintergrund der schwarzen Tafel tritt der weiße Punkt hervor. Wenn eure Körper aktiv geworden sind, in dynamischer Bewegung, bemerkt ihr plötzlich den stillen Punkt, das unbewegte Zentrum des ganzen Universums. Das geschieht mühelos. Man muss sich nicht darum bemühen, es wird einfach offenbart. Mühe an der Peripherie, Mühelosigkeit im Zentrum.
Bewegung am Rande, Stille in der Mitte, Aktivität im Außen und Inaktivität im Zentrum. Die einzige Schwierigkeit dabei ist, dass man sich mit dem Zentrum, das die Hindus Atma, die Seele, nennen, identifizieren kann. Wenn man sich mit der stillen Mitte identifiziert, hat man wiederum zwischen den beiden Polaritäten gewählt. Dann hat man sich wieder für etwas entschieden und das andere abgelehnt.
Das ist eine der subtilsten östlichen Beobachtungen: Wenn man sich mit dem stillen Punkt identifiziert, kann man Gott niemals erfahren. Und da gibt es viele Traditionen, ganz besonders die Jainas, die sich zu sehr mit dem Selbst identifizieren. Sie sagen, dass es keinen Gott gibt, dass das Selbst der einzige Gott ist. Hindus, die wirklich tiefe Einblicke haben, sagen über diesen stillen Punkt und die Bewegung an der Peripherie, dass man entweder beides ist oder keines von beiden. Entweder man ist beides oder gar nichts. Das kommt auf das Gleiche heraus. Das sind die beiden Pole, die beiden dialektischen Pole, die These und die Antithese. Das sind die beiden Ufer, und ihr seid dazwischen – weder in Bewegung noch in Stille.
Das ist die höchste Transzendenz; das ist es, was die Hindus Brahma nennen. Mühe und Mühelosigkeit, Bewegung und Stille, Aktivität und Inaktivität, Materie und Seele – das sind die beiden Ufer, und zwischen ihnen fließt das Unsichtbare. Die beiden Ufer sind sichtbar, und dazwischen fließt das Unsichtbare – das bist du.
Die Upanishaden sagen: „Tatvam asi swetketu – das, was zwischen beiden Ufern fließt, das, was man nicht sehen kann, das, was in Wirklichkeit nichts anderes ist, als ein feines Gleichgewicht zwischen beiden – das seid ihr. Das nennt man Brahma, das höchste Selbst.“
Ihr müsst das Gleichgewicht finden, und das ist nur möglich, wenn ihr beide Pole benutzt. Wenn ihr nur einen benutzt, sterbt ihr ab. Viele haben es versucht, und ganze Kulturen sind verwelkt. Es ist mit Indien passiert. Wenn man nur eines wählt, schafft man ein Übergewicht. In Indien hat man den stillen Punkt, die ruhige Mitte gewählt und die aktive Seite vernachlässigt. So ist der ganze Osten dem Stumpfsinn verfallen. Die Schärfe ging verloren. Die Schärfe der Intelligenz und der Körperkraft, alles ging verloren. Der Osten wurde immer stumpfer und hässlicher; als sei das Leben eine Bürde, die man schleppen muss und irgendwann fallen lässt; als sei es eine Pflicht, ein Karma, das man erleiden muss – kein Vergnügen, kein ausgelassener Tanz, nur eine dumpfe Lethargie.
Es hat seine Folgen … Der Osten verfiel, denn mit einem stillen Punkt kann man nicht lange stark bleiben. Stärke braucht Aktivität und Bewegung. Wenn ihr die Bewegung vernachlässigt, verliert ihr eure Kraft. Die Leute im Osten haben ihre Muskeln verloren, der Körper ist weichlich geworden.
Jeder, der Lust dazu hatte, konnte den Osten erobern. Sklaverei ist alles, was der Osten kennt – seit Tausenden von Jahren. Jeder, der irgend jemanden zum Sklaven machen wollte, hat sich nach Osten gewandt. Der Osten war immer bereit, erobert zu werden, weil er den stillen Punkt wählte und das Gegenteil vergaß. Der Osten wurde nicht nur still, sondern auch stumpf und tot. Diese Art von Stille ist nichts wert.
Das Gegenteil geschieht im Westen und in verschiedenen anderen Gesellschaftssystemen. Sie haben sich für die aktive Seite, die Peripherie entschieden und denken, dass es keine Seele gibt. Sie glauben, dass Aktivität alles ist. Sie glauben, dass das Leben nur aus Ambitionen, Eroberungen, Aktivitäten, Errungenschaften und Genüssen besteht. Das Endresultat ist ein immer größer werdender Irrsinn im Westen.
Ohne den stillen Punkt kann man nicht gesund bleiben, man muss verrückt werden. Mit dem stillen Punkt allein kann man auch nicht leben, man tötet sich ab; und mit der Aktivität allein, wird man verrückt. Was geht in den Verrückten vor sich? Sie haben jeden Kontakt mit ihrer stillen Mitte verloren. Das ist ihre Verrücktheit.
Der Westen ist dabei, sich in ein einziges, riesiges Irrenhaus zu verwandeln. Immer mehr Leute befinden sich in psychiatrischer Behandlung; immer mehr Menschen werden in Irrenhäuser gebracht. Und die anderen sind nicht draußen, weil sie normal sind, sondern weil man so viele Menschen nicht in Irrenhäusern unterbringen kann. Sonst müsste man die ganze Gesellschaft einsperren. Diese Leute sind bis zu einem gewissen Grade normal, aber die westliche Psychologie sagt, dass es schwierig ist, überhaupt festzustellen, wann ein Mensch normal ist. Daran ist etwas Wahres. Im Westen ist heutzutage überhaupt kein Mensch mehr normal.
Aktivität allein macht verrückt, dann ist ein Gleichgewicht unmöglich. Aktive Zivilisationen werden am Ende verrückt. Inaktive Zivilisationen sind am Ende stumpf und tot. So ist es mit Gesellschaftssystemen, und so ist es mit einzelnen Menschen. Für mich ist das Gleichgewicht alles. Wählt nichts aus. Lehnt nichts ab. Akzeptiert beide Seiten und schafft ein inneres Gleichgewicht.
Die Dynamische Meditation ist ein Weg zu diesem Gleichgewicht. Seid aktiv, genießt es, seid ekstatisch und gebt euch voll hinein. Und dann seid ganz still und genießt auch das, und seid ekstatisch in eurer Stille. Bewegt euch so frei wie möglich zwischen beiden Polen und wählt nichts aus. Sagt nicht, ich bin dies oder jenes, identifiziert euch nicht. Sagt: „Ich bin beides.“
Habt keine Angst, euch selbst zu widersprechen. Widersprecht euch ruhig, seid beides und bewegt euch frei. Wenn ich sage: Widersprecht euch, dann meine ich das bedingungslos nicht nur in der Aktivität, sondern auch in der Inaktivität. Alles, was man gut und schlecht nennt, ist darin eingeschlossen. Alles, was man Teufel oder Gott nennt, ist darin enthalten.
Vergesst nie, dass immer und überall zwei Ufer sind, und wenn ihr zu einem Fluss werden wollt, dann müsst ihr unbedingt beide Ufer nützen. Sagt nicht, dass ihr nicht faul sein könnt, wenn ihr fleißig gewesen seid. Sagt nicht, dass ihr nicht aktiv sein könnt, wenn ihr faul veranlagt seid. Sagt nicht, ich bin so, wie kann ich anders sein? Ihr seid beides, und es gibt keinen Grund, etwas auszuwählen. Das einzige, was man nicht vergessen darf, ist das Gleichgewicht zwischen beiden. Dann transzendiert ihr beides. Dann werden der Teufel und das Göttliche transzendiert.
Das ist Brahma. Brahma hat keinen Gegenpol, er ist das Gleichgewicht zwischen beiden Polen und kennt keinen Antipol. Lebt das Leben so frei wie möglich. Bewegt euch zwischen beiden Ufern so viel wie möglich. Schafft euch keine Widersprüche. Es sind nämlich keine – es scheint nur so. Tief innen sind sie eins.
Sie sind wie euer linkes und rechtes Bein. Ihr braucht das rechte und das linke. Wenn ihr das rechte Bein hebt, steht das linke auf der Erde und hilft euch. Werdet nicht süchtig. Werdet keine Rechten oder Linken – beide Beine gehören zu euch. In beiden Beinen fließt die gleiche Energie – ungetrennt. Oder habt ihr jemals das Gefühl gehabt, dass das rechte Bein eine bestimmte Energie hat und das linke eine andere?
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