Baupläne der Schöpfung. Johannes Huber

Baupläne der Schöpfung - Johannes Huber


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Mensch die Empfindungen seines Gegenübers im eigenen Kopf ablaufen lassen. So entwickelt er seine Gefühlswelt. So entsteht seine Ethik.

      Diese Spiegelung wird auch dann registriert und akzeptiert, wenn man momentan und pro futuro, also zeitlos, agiert und weder für sich noch für die Gruppe einen egozentrischen Vorteil erwirbt. Das ist dann Mut zur Mitmenschlichkeit.

      In dieser Ethik ist eine evolutionäre Zweckorientiertheit veraltet, ja längst überholt. Die neue Begründung sieht nicht mehr den Nutzen allein, sondern die Brüderlichkeit unter der Schirmherrschaft eines Schöpfers.

      Der Naturforscher Charles Darwin begriff schon im 19. Jahrhundert: In jedem Erdzeitalter haben sich die Arten immer zum Höheren entwickelt. Warum sollte das nur für körperliche Merkmale gelten? Warum kann der Mensch nicht das Konrad-Lorenz-Steinzeitkorsett seiner Ethik ablegen und seine Art ebenfalls zu Besserem führen? Vom Egoismus zum Altruismus. Man kann es Schicksal nennen oder Karma. Der Mensch, der Gutes tut, sieht: Es lohnt sich. Gutes kommt auf anderen Wegen zurück.

      Spiegelneuronen, auch wenn sie im Detail noch kontrovers beurteilt werden, sind weitere Hinweise dafür, dass unsere Vorstellungen ein Gegenüber haben. Die Zellen, der Körper, die Neuronen, unsere Gedanken spiegeln eine Wirklichkeit wider. Nicht wir schaffen uns die Wirklichkeit oder die Vorstellung eines Weltenbaumeisters, sondern die Wirklichkeit – die primär uns umgibt – schafft uns, unser Genom, unser Bewusstsein und auch unsere Vorstellungen. Das Denken ist nicht die Präsentation von realen oder irrealen Möglichkeiten.

      Denken ist Teilhaben am Wirklichen.

      Wir denken in Kausalitätskategorien, weil die Physik unseres Alltags kausalitätsbezogen ist. Alle unsere biologischen Reaktionen spiegeln die Schwerkraft wider, weil sie bei der Entstehung des Lebens a priori vorhanden war.

      Für den Weltenbaumeister gilt Gleiches: Gäbe es ihn nicht, wir hätten von ihm keine Ahnung.

      Dem Begründer des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola, war dieser Einblick schon ersichtlich, als er seinen Missionaren den Rat mitgab: »Wo immer ihr auch hinkommt, vergesst nicht, dass Gott schon vor euch da war.«

      Die Evolution, eine Spiegelung unserer ­Umgebung

      Der Zufall sollte dem Glauben ins Gesicht spucken. Biologische Systeme, hieß es trotzig, seien durch reinen Zufall entstanden. Mutation per random auf Wissenschaftsdeutsch. Gott existiert nicht, es regiert der Zufall. Allerdings war das keine naturwissenschaftliche Erkenntnis, sondern eine Propagandathese. Sie sollte Gedanken an ein »Design« hinter der Evolution im Keim ersticken.

      Ausgerechnet im Charles-Darwin-Jubiläumsjahr 2009 mehrten sich die Hinweise, dass es neben der genetischen Evolution auch eine schneller wirksame Adaptionsstrategie gäbe: die gerichtete Verpackung der Gene, die deren Aktivität beeinflusst und den akuten Bedürfnissen der Umwelt rascher Rechnung trägt als zufällige Mutationen. Und dass es natürlich eine Höherentwicklung der Arten und damit eine Evolution gibt, die bestimmten Gesetzen unterliegt und sich keineswegs nur per random ereignet – wenn das Schicksal Schnackerl hat.

      Anstelle der zufälligen Evolution thematisiert die Naturwissenschaft immer öfter die gerichtete Entwicklung, genannt directed evolution. Wobei die Blaupause für die Entfaltung der Arten die Außenwelt ist. Somit wird die Evolution selbst zu einem Spiegel. Viele Argumente sprechen für diese directed evolution, in der erworbene Eigenschaften weitervererbt werden. Es handelt sich um das Resultat eines wundersamen Gesprächs zwischen Genom, Epigenom und Umwelt. Wobei gezielt auf verborgene Genprogramme zurückgegriffen wird, wenn die Umwelt das fordert.

      Begonnen hatte es mit der Beobachtung eines ungewöhnlichen Typs von Genmutation bei E.coli-Bakterien. Es wird jetzt ein bisschen kompliziert: Bei der Mutation mit der unverständlichen Bezeichnung lac – fehlt den Bakterien die Fähigkeit, Laktose abzubauen. Würde ein E.coli-Stamm des Typs lac-, dem das für die Ernährung mit Laktose notwendige Enzym fehlt, nur mit Laktose versorgt werden, müssten die meisten Zellen absterben. Ein paar wenige dürften sich zufällig in den Typ lac+ verwandeln, der von Laktose leben, daher wachsen und sich vermehren kann. Die Realität verblüffte die Forscher im Labor: Deutlich mehr E.coli-Zellen des Types lac – mutierten zu lac+, wenn Laktose vorhanden war, als im anderen Fall, obwohl sie vordergründig keine Informationen darüber hatten, dass Laktose auch nach der Mutation zur Verfügung stehen würde.

      Das sah, wie eine breite Diskussion damals vermeinte, nach »Magie« aus. Ähnlich wie manche physikalische Phänomene, die schwer erklärbar sind, als »Spuk« bezeichnet wurden; übrigens auch von Einstein (seine These von der »spukhaften Fernwirkung« wurde 2015 bei einem Quantenexperiment überprüft, das nur nebenbei).

      In Wirklichkeit greift die Evolution auf ein, sagen wir, »schlafendes«, noch nicht aktiviertes, aber vorhandenes Genprogramm zurück, das den Laktoseabbau ermöglicht. Reaktionen in der Genverpackung, also epigenetische Mechanismen, könnten den Effekt auslösen.

      Ein anderes Erklärungsmodell für dieses Phänomen bedient sich des Superposition-Prinzips. Superposition bedeutet: Im Quantenkosmos können sich einander ausschließende Zustände überlagern. Sinngemäß: Plus und Minus existieren gleichzeitig. Tot und lebendig zur selben Zeit.

      Das Paradoxon demonstrierte der österreichische Physiknobelpreisträger Erwin Schrödinger, einer der Urväter der Quantenmechanik, in seinem berühmten Gedankenexperiment mit der Katze. Man sperre, schlug Schrödinger 1935 vor, eine Katze zusammen mit einem radioaktiven Atom in eine geschlossene Kiste. Das Atom zerfällt mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, worauf ein Hammer eine Giftampulle zerschlägt und die Katze umbringt. Solange man den Deckel dieser Höllenmaschine nicht öffnet, befindet sich das Tier in einem Überlagerungszustand von tot und lebendig. Erst wenn jemand nachschaut, löst sich der duale Zustand der Katze auf. Miau. Oder aus die Maus.

      Im konkreten Fall, bei unseren E.coli-Zellen, hieße das: In jeder Zelle könnte bei der Mutation von lac – nach lac+ ein einzelnes Proton von einem Ort in einen benachbarten hineintunneln. Der Tunneleffekt beschreibt das Phänomen, wenn ein atomares Teilchen eine Barriere überwinden kann, obwohl seine Energie geringer ist als die Höhe der Stufe. In der klassischen Physik wäre das undenkbar, in der Quantenmechanik ist es möglich.

      Die Wellenfunktion des Protons beinhaltet quantenmechanisch eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für beide Orte: eine Superposition von getunnelt und nicht-getunnelt. Es tanzt auf zwei Bällen gleichzeitig.

      Sofern sich diese Quantenkohärenz – eine Art wellenartiger Tanzschritt, ein Teilchensamba – in der Zelle lange genug aufrechterhalten lässt, sollte sich die gesamte DNA als Superposition von mutiert zu nicht-mutiert entwickeln. Die Laktose würde es sozusagen übernehmen, den Kasten mit Schrödingers Katze zu öffnen und den Zustand der Zelle in der einen oder der anderen Richtung kollabieren zu lassen.

      Der Grund ist, dass beim richtigen E.coli-Stamm chemische Reaktionen stattfinden, die auch die Laktose betreffen und Dekohärenz bewirken. Geschieht das bei vorhandener Laktose schneller als bei fehlender, dann wäre das eine Erklärung für die überraschenden Ergebnisse der Mutation, die sich anpasst.

      Obwohl das noch Spekulation ist, unterstreicht es eines: Mutationen und Evolution könnten nicht nur zufällig stattfinden, sondern auch »gerichtet« verlaufen, directed. Und damit nicht mehr vom Zufall allein abhängig sein, sondern von einem epigenetischen Dialog, möglicherweise mit quantenmechanischem Design.

      Auch Pflanzen registrieren die Umwelt. Sie können genauso in ihrer Genanordnung directed sein und geben diese Information dann an ihre Nachkommen weiter. Seit langem weiß man, dass Stresssituationen, pathogene Infektionen oder ultraviolettes Licht die Mutationsgeschwindigkeiten in Pflanzen beschleunigen. Sie passen sich epigenetisch der Umwelt an. Dass diese erworbene Eigenschaft weitervererbt wird und nach Generationen, wenn der Korrekturbedarf sinkt, wieder verschwindet, definiert genau das Modell der adaptiven Mutation.

      Diese Weitervererbung erworbener Eigenschaften wurde von Neodarwinisten scharf bekämpft. Aus dem einfachen Grund, weil es einen »Dialog«


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