Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren
Hilfe brauchen – für wen, für Sie selbst?«
»Mein Begleiter – er ist krank, er hat hohes Fieber«, erwiderte das Mädchen, das Jericho dennoch aus Höflichkeit mit Señora anredete. »Mein Begleiter braucht unbedingt Hilfe – er …, er kann nicht aufstehen, er redet wirr – Sie müssen helfen, Señor!«
»Ja«, sagte Jericho und stieg vorsichtig den Hang empor, um ja nicht zu straucheln. »Wenn ich kann, werde ich ihm helfen, Señora. Keine Angst, ich komme Ihnen nicht zu nahe.«
Sie wich jetzt zurück, nutzte geschickt den freien Raum, als sie hinter den Büschen heraustrat.
Angst, dachte Jericho, sie hat Angst und scheint sehr erschöpft zu sein. Dies ist für sie ein fremdes Land.
Vielleicht hat sie über die Gringos und die andere Moral hier einige Dinge gehört. Wahrscheinlich befürchtet sie, ich könnte über sie herfallen. David Jericho stieg über die Kante und blieb stehen, sah in das Gewehr, das auf seine Brust zeigte.
»Rechts«, sagte das Mädchen scharf. »Gehen Sie nach rechts zu dem Baum zwischen den hohen Büschen drüben. Mein Begleiter liegt dort im Schatten. Sie müssen helfen, Mistär.«
»Si«, versprach Jericho. »Wenn ich kann – si, si!«
Er ging los, sah ihren Schatten, den die Sonne über den Boden warf, sich bewegen. Sie blieb hinter ihm, das Gewehr jetzt wieder im Hüftanschlag. Und dann schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass der Mann, der dort zwischen den Büschen unter der schattenspendenden Baumkrone war, vielleicht gar nicht lag, dass er vielleicht stand oder kniete und vielleicht kein Pferd besaß, dass dieses Mädchen ihn dem Mann zutrieb.
Du großer Gott, wenn der wirklich Fieber hat und ein Pferd braucht, erschießt er mich, dachte Jericho beklommen. Mexikaner sind geborene Pferdediebe, die bringen jemand kaltblütig um, wenn sie sein Pferd haben wollen. Der Bursche dort wird nicht gehen können, aber schießen kann er bestimmt noch. Warum bin ich Narr nicht auf dem Fahrweg geblieben, warum musste ich abkürzen und quer durch die Gegend fahren?
Jericho schielte buchstäblich nach hinten. Das Mädchen war gut fünf Schritt hinter ihm und hatte todsicher den Finger am Abzug. Sie hatte das Gewehr ihres Begleiters, also hatte der Mann nur seinen Revolver.
Das ist es, überlegte Jericho blitzschnell, er hat den Revolver, also wird er kaum gehen können. Bis zu den Büschen und dem Baum sind es gut sechzig Schritt. Ist der Bursche zu sehen?
Jericho äugte scharf nach vorn, aber er sah nichts zwischen den Büschen. Sand, dachte Jericho – Kakteen und Sand. Dort liegt die Chance für mich – an den Kakteen. Ich lasse mich doch nicht wie ein Stück Vieh vor den Revolver irgendeines fiebernden und ein Pferd brauchenden Mexikaners treiben. Nicht mit mir, Señorita!
*
Er hielt die Arme hoch, ging scharf links an den Kakteen vorbei und sah die Sandwächte rechts neben sich, die der Wind zusammengeblasen hatte.
David Jerichos Blick flog nach unten, huschte über den Boden zu dem Schatten, der nur noch knappe vier Schritt hinter ihm war. Anscheinend hatte die Señorita nicht bemerkt, dass Jericho den Schritt unmerklich verlangsamt hatte. Sie hielt die Winchester zwar im Anschlag, jedoch schien der Lauf mehr zu Boden zu zeigen als vorher.
Jetzt, dachte Jericho, jetzt!
Er sprang jäh los, stieß sich mit dem linken Fuß blitzschnell ab und warf sich auch schon herum, indem er sich über die Sandwächte hinweg hinter die Kakteen hechtete.
Hinter ihm gellten die beiden Worte: »Ich schieße!«
Und dann war das Brüllen auch schon da, raste der Knall durch das Buschgelände. Die Kugel fetzte mit einem seltsam schmatzenden und klatschenden Geräusch durch die dicke Saguaro-Kaktee, doch sie fuhr viel zu hoch durch den Stamm und jagte dann in den Sand. Der flog hoch, als Jericho schon die Hände in den Sand gekrallt hatte, mit einem wilden Satz links der Kaktee erschien und dann den Sand nach dem Girl schleuderte.
Der Sand schien eine Wolke zu bilden, weil er so fein wie Staubzucker war. Das Mädchen hebelte bereits durch. Es stand zusammengekrümmt vor Jericho, die großen Augen vor Schreck geweitet, den Mund geöffnet und jetzt einen schrillen Angstschrei ausstoßend.
»Miguel – Miguel!«
Dann brach der Schrei jäh ab. Die Sandwolke fuhr der Señorita jäh ins Gesicht. Jetzt schrie sie nicht mehr nach Miguel, sie schrie vor Schmerz, sah nichts mehr, aber sie hebelte wieder zurück, sodass Jericho das Einrastklicken des Unterhebels laut hörte.
In diesem Moment war er schon heran und trat zu. Sein linker Stiefel schnellte blitzschnell in die Höhe. Der Tritt fegte das Gewehr zur Seite, brachte den Lauf aus der Richtung und riss auch die Señorita herum.
Rumms!
Der brüllende Knall fuhr aus der Gewehrmündung, die Kugel jagte irgendwohin gegen Geröll und irrte heulend ab, aber da hatte Jericho schon die Rechte herausgestoßen. Seine Hand traf die Hüfte des Mädchens, wirbelte das Girl noch weiter herum, sodass es taumelnd zu Boden ging und nicht mehr durchhebeln konnte.
David Jericho bückte sich rasend schnell, packte das Gewehr, drehte es mit einem harten Ruck und hatte dann die Waffe, während die Señorita beide Hände zu den Augen riss und wieder gellend schrie: »Miguel – Mikel – Mikel, schnell, Mikel – socorro, Mikel – Hilfe, Mike! Hilfe!«
Mikel, dachte Jericho verstört, als er sich duckte, den Saguro als Deckung gegen die Büsche nutzte, das Mädchen liegen ließ und an ihm vorbeistob, um hinter sie zu kommen Mikel, nicht mehr Miguel? Was ist das denn – warum schreit sie nach Mikel?
Er war schon hinter ihr, hatte sie jetzt zwischen sich und die Büsche gebracht und stieß das Gewehr ziemlich grob in ihre Hüfte.
»Ruhig«, fauchte Jericho messerscharf. »Halten Sie den Mund, Señorita schweigen Sie doch endlich, ich tue Ihnen nichts!«
»Mikel – Mikel!«
David Jericho hatte viel erlebt. Nur das, was nun passierte, hätte er nie erwartet. Statt liegen zu bleiben, weil das Gewehr sie bedrohte, sprang das Mädchen, dem die Tränen aus den Augen liefen und das wahrscheinlich kaum etwas sehen konnte, plötzlich auf. Das Girl heulte richtig, das merkte Jericho erst, als es schluchzend vor ihm herlief.
»Bleiben Sie stehen, zum Teufel!«, brüllte Jericho los und rannte nun auch.
Das Mädchen erreichte die Büsche, zwischen denen sich nichts rührte. Es blieb still hier, Mikel antwortete nicht, während Jericho keine zwei Schritt hinter dem Mädchen herrannte und die Winchester schussbereit hielt.
»Miguelito – mi amor!«
Zwei Schatten tauchten auf – ein brauner und ein schwarzer Schatten – Pferdeleiber nahe des Baumstammes, der seine riesige Krone über die Büsche breitete. Dann war die Lichtung auch schon erreicht. Das Mädchen stürzte an den links stehenden drei Pferden vorbei und auf den Mann zu, der unter dem Baum auf einer Decke im Schatten lag und sich nicht rührte.
Der Mann lag dort wie tot, die Hände auf der Brust, ein Halstuch zusammengefaltet und klatschnass, wie es schien, auf der Stirn.
Das Mädchen rief: »Mikel, Mikel – oh, mein Gott, hilf mir doch!«
Jerichos Blick flog zu Mikel, der sich nicht rührte.
Du großer Gott, dachte Jericho, kein Irrtum, er ist es.
Mike Shannon – Mike … hier?
Jericho knurrte finster: »Mein Gott, ich will nichts von Ihnen, wie oft soll ich das noch sagen müssen? Señorita, was hat er – was ist passiert, was fehlt ihm?«
»Er«, wimmerte das Girl. »Oh, dios – dios, er ist verwundet. Er …, er heißt Mikel Miller, ein Americano, mein Beschützer, mi amor, Señor. Er hat eine Kugel in der Seite – Bravados haben auf ihn geschossen – ein Bravado. Señor, kennen Sie Mikel, Señor?«
David Jericho blinzelte nur einmal, schwieg eine Sekunde und verdaute es, dass Mikel Shannon also Miller heißen sollte. Nur