Ein planloses Leben – Teil 1. Heinz Suessenbach

Ein planloses Leben – Teil 1 - Heinz Suessenbach


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Inhaltsverzeichnis

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      © 2020 novum Verlag

      ISBN Printausgabe: 978-3-99064-572-7

      ISBN e-book: 978-3-99064-573-4

      Lektorat: Heinz G. Herbst

      Umschlagfotos: Javarman, Ttpp555,

      Jing Tang | Dreamstime.com

      Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

      Innenabbildungen: Heinz Suessenbach

       www.novumverlag.com

Widmung 1 Vorwort 2 Einleitung

      3 Reichenbach

      Und da bin ich am 9. Dezember 1939 und probiere meinen ersten Atemzug. Jemand hat mal geäußert, daß man bei Geburt nackig, nass und hungrig ankommt und obendrein noch auf den Arsch gehauen wird, und danach geht das Leben bergab. Ich bin das dritte Kind von Gertrud und Wilhelm Süssenbach. Meine Schwestern Renate und Annelies sind mir mit 3 bzw. 9 Jahren vorausgeeilt; Mädels sind eben immer schneller. Unsere Adresse lautet Reichenbach, Eulengebirge, Schlesien. Vater ist Schmied und meine Mutter ist Hausfrau. Daß meine Mutter nicht lesen und schreiben kann, wird mir erst im dritten Schuljahr klar. Als sie selber im dritten Schuljahr war, fing der Erste Weltkrieg an, und ihre Mutter starb. Sie hat noch drei Geschwister, von denen sie die Älteste ist. Ihr Vater heiratet schnell ein junges Mädel von 22 Jahren und marschiert in den Krieg für Kaiser und Vaterland. Die Welt hat seitdem nichts dazugelernt, und mit den gleichen hohlen Parolen ziehen junge Soldaten heute noch zu Schlachten für ähnliche Lügen. Der Dank des Vaterlandes ist euch gewiss; Gloria, Victoria, Juchheirassa, und wenn ihr das glaubt, seid ihr nicht schlau. Amen. Wie gesagt: Mutter ist die Älteste und bleibt die Hausmagd. An Schule ist nicht zu denken, denn die war 5 km entfernt; monatelang liegt hoher Schnee, und feste Schuhe sind zu teuer. Die Kriegswinter waren immer eisig und lang. Mein Großvater kommt zurück vom Krieg und produziert noch 4 Kinder, also besteht für unsere Muttl keine Hoffnung, in die Schule zu gehen. Ich hab das meinem Opa nie verziehen. Wie gesagt, als ich dahinterkomme, daß meine Muttl kaum lesen und schreiben kann, nutze ich das schamlos aus. Wenn ich Drohbriefe und Mahnungen von der Schule bringen muß, zeige ich die Muttl nur in der letzten Minute, bevor ich zur Schule muß, und sie unterschrieb hastig. Vatl ist Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, der NSDAP, und lernt Muttl bei einer Parteikundgebung im Lande kennen. Er ist als Organisator behilflich bei solchen Versammlungen. Sie treffen sich, und Vatl verknallt sich in das liebe, ruhige, warmherzige Mädel. Wir haben denselben Geschmack, Vatl und ich. Als ich endlich auftauchte, liegt meterhoher Schnee in Reichenbach. Vatl ist sehr erleichtert, denn jetzt hat er einen Namensträger und ist nun bereit, dem Führer zu helfen. Bis dahin ist es seine Angst, daß der Krieg ohne ihn zu Ende geht. So hat’s uns Muttel später immer erzählt. Deutschland mußte ja der Welt beweisen, was die nordische Rasse alles machen kann – und mußte sich außerdem rächen für die Schmach von Versailles. Die Franzosen waren da echt wahnsinnig gewesen, und gelehrte Leute wußten damals schon, daß darin die Wurzeln für den nächsten Krieg wuchsen. Das Malheur war natürlich die Einladung für Hitler – seine Zeit! Wenn die enorme Rüstung beginnt, fragt kaum einer, wo die Finanzen herkommen. Billionen von Reichsmark. Aber das kannst du, lieber Leser, selber erkunden, denn heute ist das ja einfach herauszufinden im Netz. Die Leute, die von Kriegen Geld machen, sind heute noch da, und es sind oft noch dieselben Firmen oder Banken, und deswegen wird’s immer Krieg auf Erden geben. Wir, das Volk, sind ja so blöde, daß wir immer wieder auf Lügen reinfallen. Aber nicht, daß der Leser denkt, daß ich damals davon was geahnt hatte; nein, ich war der Dümmste von allen, aber eins ist mir klar geworden: Leute wollen ja veralbert werden, das sieht man bei jeder Wahl in den sogenannten westlichen, demokratischen Ländern. Ich bin 10 Monate alt, als Vatl in den Krieg zieht. Er will zu den Panzern, und da mußte er erst in Breslau zu Pferd gedrillt werden, darüber muß ich heute noch lachen. Ich habe noch Bilder, wo er als Husar oder Ulan reitet. Was Pferdereiten mit Panzern zu tun hat, hat uns gewundert. Alle diese Informationen haben mir die Mädels oft geschildert. Als Vater dann endlich zu den Panzern kommt, wird er erst mal irgendwie nach Afrika geschickt für ’ne Weile. Dann geht’s nach Russland. Ja, wir Deutschen müssen ja den armen Russen zeigen, wie man Land bearbeitet, denn von modernem Ackerbau und Viehzucht hatten die Russen nicht viel Ahnung. Die armen Kerle waren sehr primitiv und hatten unter den Kommunisten schwer gelitten, und wir Deutschen müssen das alles in Ordnung bringen. Ja, wie weise waren doch meine Mädels! Als Vatl von Afrika kommt auf dem Weg nach Russland, verbringt er zwei Wochen mit uns, und die Mädels haben mir diese wunderbare Zeit oft in allen Farben geschildert, wie herrlich das war. Mir hat er ein Dreirad gebaut – er konnte ja alles fabrizieren mit seinen Händen –, ein schönes Dreirad mit Gummireifen von ’nem kleinen Flugzeug. Und er hat sich auch riesig gefreut, wie groß wir geworden sind. Aber das Dreirad kann ich erst meistern, wenn ich beinahe 3 Jahre bin. Dann der große Abschied – und zu Weihnachten bin ich wieder da. Dieses traurige Versprechen wurde ja millionenfach wiederholt an allen Seiten der Front. Es kam aber anders. Ich habe aber das Dreirad und seine Tabakpfeife ohne Tabak und sein Käppi. Meine Mädels haben mir das alles immer wieder erzählt. Wir hatten alle ein Bankbuch, und Muttl hat’s mir oft gezeigt. Wir hatten jeder 10.000 Reichsmark auf dem Konto. Vatl und Muttl waren eiserne Sparer.

      Mein treues Dreirad

      Meine geliebte Pfeife

Na, das kann doch nicht wahr sein, denn ich heulte doch nieee

      4 Unser Heim

      Unser Haus stand in der Schweidnitzer Strasse 34 in einem grossen Hof. Auf einer Seite stand die prächtige Villa vom Herr Major; ein zweistöckiger Bau mit einer großen, breiten Treppe, und dahinter war ein wunderbarer Park mit einem trockenen Springbrunnen, worin aber trotzdem manchmal Frösche waren. Die Frau Major sah ich meistens nur von Weitem. Sie schwebte immer mit schönen, langen Kleidern herum. Auf unserer Seite waren fünf Häuser, also unseres und dann noch vier hintereinander. Im Letzten wohnte der Schweinebauer gleich neben dem Tor zum Schweinefeld. Die anderen Familien waren die Kornetzkis, Zeunerts, Kilians und Hofs und deren Kinder; die Männer waren ja im Krieg. Unter den ganzen Kindern waren nur zwei Jungs, ein älterer und ich, und neun Mädels im Alter von 6 bis 13 Jahren. Der ältere Junge ist aber tödlich verunglückt. Am Ende des Hofs stand immer ein Jauchentank mit großen Stahlrädern, und wie der Junge da reingefallen ist, weiß keiner. Ob er reingeguckt hat in den Jauchentank und ist ohnmächtig geworden von dem Gestank? Da gab’s Zeter und Mordio von den Frauen. Dann kam die Feuerwehr. Mann, die sahen klasse aus. Sie hatten solche dunklen Anzüge und glänzende Messinghelme und ein riesengroßes, rotes Auto, und die holten den Knaben raus. Dann wurde uns aber feste eingehämmert, niemals zu dem Jauchenwagen zu gehen. Und so war ich nun der einzige Mann im Hof. Meine etwas klareren Erinnerungen beginnen, als Annelies schon ins Gymnasium geht. Renate ist in der Grundschule. Annelies gehörte zum BDM, dem Bund Deutscher Mädel. Mann, sie sah so hübsch aus: lange schwarze Haare, die sie oft in Zöpfe geflochten hat, weiße Bluse, schwarzer Rock und einen Schlips aus geflochtenen Leder. Ich habe immer meinen Kopf gegen den Eisenzaun gedrückt, wenn die beiden zur Schule gingen und fühlte mich dann


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