Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz


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       Allenthalben ließ sich hier Wohlstand, ja Reichtum erkennen. Die Scheiben der Stubenfenster bestanden aus Horn, welches so dünn und so glatt geschnitten war, daß es an Durchsichtigkeit fast dem Glase gleichkam. In der Mitte der Stuben befanden sich keine Herde, sondern es erhoben sich hohe Kamine, an deren Vorsprüngen Geweihe angebracht waren. Der reinlich gescheuerte Fußboden bestand aus Lärchenholz, an den Wänden hingen Waffen und eine Menge Schüsseln, glänzend wie die Sonne, abgesehen von dem schöngeschnitzten Löffelbrett mit einer Reihe von Löffeln, unter denen zwei silberne waren. Da und dort hingen auch Teppiche, teils im Krieg erbeutet, teils von wandernden Händlern gekauft. Unter den Tischen lagen ungeheure fahlgelbe Felle von Bisam, Auerochsen und Ebern. Voll freudigen Stolzes zeigte Zych seinen Reichtum und betonte dabei jeden Augenblick aufs neue, daß dies alles Jagienka bewirtschafte. Er führte Zbyszko auch in eine Seitenkammer, duftend nach Harz und Kräutern, in welcher an der Decke ganze Bündel Felle von Wölfen, Füchsen, Mardern und Bibern hingen. Dann zeigte er ihm das Käsehäuschen, den Aufbewahrungsort von Wachs und Honig, die Tonnen mit Mehl, den Aufbewahrungsort von gut gebackenem Brot, Flachs und getrockneten Pilzen. Auch in die Speicher führte er ihn, in die Viehställe, in die Pferde- und Schweineställe, in die Schuppen für die Wagen, für die Geschirre, für die Jagdgeräte, für die Fischnetze, und so sehr wußte er seinen Wohlstand Zbyszko vor Augen zu führen, daß dieser seinem Staunen unumwundenen Ausdruck verlieh. »Leben, nicht sterben möchte man in Eurem Zgorzelic!« rief er.

       »In Moczydoly herrscht beinahe der gleiche Wohlstand,« bemerkte Zych. »Du kennst doch Moczydoly! Es liegt ganz nahe bei Bogdaniec. Früher stritten sich sogar unsere Väter wegen der Grenzen und schickten sich Forderungen zum Kampfe. Aber ich werde nicht streiten.«

       Dann hielt er Zbyszko sein Glas mit Met entgegen und fragte: »Willst Du vielleicht etwas singen?«

       »Nein,« sagte Zbyszko, »ich bin gespannt darauf, Euch zu hören.«

       »Siehst Du, Zgorzelic werden die kleinen Bären bekommen, vorausgesetzt, daß sie deshalb nicht einander zerreißen.«

       »Was für kleine Bären?«

       »Na, die Bürschlein, Jagienkas Brüder.«

       »Nun, die werden nicht nötig haben, an ihren Pfoten im Winter zu saugen.«

       »Aber weshalb trinkst Du nicht? Jagienka schenke ihm und mir ein.«

       »Ich esse und trinke soviel ich kann.«

       »Wenn Du nicht mehr kannst, schnallst Du den Gurt ab. Ein schöner Gurt! Ihr müßt aus Litauen reiche Beute mitgebracht haben?«

       »Wir können nicht klagen,« entgegnete Zbyszko, die Gelegenheit benützend, um zu zeigen, daß die Besitzer Bogdaniecs auch nicht zu unterschätzende Edelleute seien. »Einen Teil der Beute verkauften wir in Krakau und erhielten vierzig Mark Silber dafür.«

       »Bei Gott dem Herrn, dafür kann man sich ja ein Dorf kaufen.«

       »Es war eine mailändische Rüstung, welche der Ohm verkaufte, weil er sich selbst für verloren hielt, und daher ...«

       »Ich weiß! Nun, da lohnt es sich, nach Litauen zu gehen. Ich wollte seiner Zeit auch gehen, aber ich fürchtete mich.«

       »Weshalb? Vor den Kreuzrittern?«

       »Ach, wer fürchtet sich vor den Deutschen! So lange sie Dich nicht totschlagen, ist kein Grund vorhanden, sich zu fürchten, und wenn sie Dich totschlagen, hast Du keine Zeit mehr dazu.«

       »Ich fürchtete mich vor den Heidengöttern, das heißt vor den Teufeln. In den Wäldern hausen wahrscheinlich so viele wie Ameisen.«

       »Wo sollen sie denn sonst hausen, da die Heidentempel niedergebrannt worden sind? Früher schwelgten sie in Reichtum und jetzt leben sie von Pilzen und Ameisen.«

       »Hast Du sie auch schon gesehen?«

       »Ich selbst sah noch keine, aber ich hörte, daß sie von andern gesehen wurden. Mancher von ihnen streckt zuweilen hinter einem Baume eine zottige Tatze hervor und hält sie hin, damit man ihm etwas geben soll.«

       »Macko sagte uns das Gleiche,« warf hier Jagienka ein.

       »Freilich! Dir und mir hat er davon unterwegs erzählt,« fügte Zych hinzu. »Nun, das ist nicht zu verwundern. Bei uns ertönt doch zuweilen ein Lachen aus den Sümpfen, trotzdem das Land längst zum Christentum übergegangen ist, und wenngleich die Priester daher auch darüber schelten, ist es doch angebracht, für die Hausgeister des Nachts in irgend einen Winkel eine Schüssel mit Essen zu stellen, denn sonst kratzen sie an den Wänden, daß man kein Auge schließen kann ... Jagienka, mein Töchterchen, gehe und stelle eine Schüssel auf die Schwelle!«

       Jagienka brachte eine Schüssel voll Klößchen mit Käse und stellte sie auf die Schwelle, Zych aber fuhr fort: »Die Geistlichen schreien, strafen! Der Ruhm des Herrn Jesus wird aber durch ein paar Klöße nicht geschmälert, und wenn der Hausgott satt und zufrieden ist, dann schützt er vor Feuer und vor Diebstahl. – Willst Du jedoch nicht Deinen Gurt ablegen und ein wenig singen?« wandte er sich hierauf fragend an Zbyszko.

       »Nein, Ihr müßt singen, denn ich sehe wohl, daß Ihr längst Lust dazu verspürt, oder vielleicht auch die Jungfrau Jagienka.«

       »Wir werden der Reihe nach fingen,« rief Zych fröhlich. »Wir haben einen Knecht im Hause, der ganz nett zum Gesange auf einer hölzernen Pfeife zu quitschen versteht. Ruft mir ihn!«

       Der Weisung ward Folge geleistet, der Knecht kam, setzte sich auf einen dreibeinigen hölzernen Schemel, steckte die Pfeife in den Mund und schaute, die Finger auf dem Instrumente ausbreitend, prüfend auf die Anwesenden, wie um sich zu vergewissern, wen er begleiten solle. Da jedoch keines den Anfang machen wollte, erhob sich zuerst ein lebhafter Streit. Endlich gebot Zych dem Töchterlein, mit gutem Beispiel voran zu gehen, und trotzdem sich Jagienka scheute, vor Zbyszko zu singen, stand sie doch von der Bank auf, steckte die Hände unter die Schürze und sang:

      »Flügel hätt' ich so gerne

       Wie ein Gänslein klein,

       Nach Schlesien in die Ferne

       Flög' ich zu Jasio mein.« ...

       Zbyszko machte anfänglich große Augen, dann sprang er mit gleichen Füßen empor und rief mit lauter Stimme: »Wer hat Euch dies Lied gelehrt?«

       Jagienka sah ihn staunend an: »Das singen doch alle. Was ist mit Euch?«

       Zych indessen, der glaubte, Zbyszko habe zu viel getrunken, wendete sich zu diesem und meinte: »Schnalle Deinen Gürtel auf, dann wird Dir gleich leichter werden.«

       Doch auf Zbyszkos Antlitz spiegelten sich die widersprechendsten Empfindungen. Endlich jedoch ward er seiner Erregung Herr und sagte zu Jagienka: »Verzeiht! Mir kam plötzlich etwas in den Sinn. Singt weiter.«

       »Vielleicht stimmt Euch aber mein Gesang traurig?«

       »Ei, kein Gedanke!« erwiderte Zbyszko mit etwas bebender Stimme. »Ich könnte Euch die ganze Nacht zuhören.«

       So sprechend, setzte er sich wieder nieder und die Augen mit der Hand beschattend, verfiel er in tiefes Sinnen.

       Jagienka sang nun auch die zweite Strophe, doch kaum damit zu Ende gekommen, gewahrte sie eine große Thräne, die sich zwischen den Fingern Zbyszkos hervorstahl.

       Rasch eilte sie nun auf ihn zu, nahm neben ihm Platz und stieß ihn mit dem Ellenbogen an.

       »Nun?« flüsterte sie, »was ist Euch? Ich will nicht, daß Ihr weint. Sprecht, was ist Euch?«

       »Nichts, nichts!« entgegnete Zbyszko seufzend, »es lohnt


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