Tom Jones. Генри Филдинг

Tom Jones - Генри Филдинг


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nach Belieben,« und so gut, als Teilnehmer an einem Gute herbeizurufen, welches sie zu ihrem alleinigen Gebrauche aufbewahren wollen. Wenn dieser Grund dem Leser kein Genüge leistet, so weiß ich mir wenigstens die geringe Achtung auf keine andre Weise zu erklären, welche ich gewöhnlicherweise einem Charakter erzeigen gesehen habe, welcher der menschlichen Natur wirklich große Ehre macht und der bürgerlichen Gesellschaft so unendlichen Nutzen bringt. Mit Sophien war es indessen ganz anders. Sie hatte viel Hochachtung für Tom Jones und eine herzliche Verachtung für Blifil, sobald als sie nur mit diesen beiden Worten einen Begriff zu verbinden gelernt hatte.

      Sophie war beinahe drei Jahre mit ihrer Tante abwesend gewesen, während welcher Zeit sie keinen von beiden Jünglingen anders, als nur sehr selten, gesehen hatte. Unterdessen aß sie eines Tages mit ihrer Tante in Herrn Alwerths Hause zu Mittage. Dies war einige Tage nach der bereits erwähnten Geschichte mit dem geschossenen Feldhuhn. Sophie hörte die ganze Geschichte bei Tische, wo sie kein Wort sagte; auch konnte sogar ihre Tante nur wenige Worte aus ihr herausbringen, als sie wieder nach Hause fuhren. Als aber ihr Kammermädchen beim Auskleiden von ungefähr zu ihr sagte: »Nun, Fräulein! heute hab'n Sie doch Junker Blifil gesehen?« antwortete sie ganz ärgerlich: »Ich hasse den Namen Blifil so wie alles, was niederträchtig und verräterisch ist; und ich wundre mich, wie Herr Alwerth leiden kann, daß ein alter barbarischer Schulmeister einen jungen Menschen dergestalt um etwas züchtigen darf, was doch bloß die Wirkung seines guten Herzens war.« Sie erzählte hierauf ihrer Jungfer die ganze Geschichte und schloß mit den Worten: »Was meint Sie, ist es nicht ein Junge von recht edlem Gemüte?«

      Dies junge Frauenzimmer war nunmehr bei ihrem Vater wieder einheimisch geworden, welcher ihr die Führung seines Hauses anvertraute und ihr die oberste Stelle an seinem Tische anwies, an welchem Tom Jones (der durch seine große Liebe zum Jagen ein großer Liebling des Junkers geworden war) manche Mahlzeit einnahm. Junge Leute von einem offnen freien Gemüte sind von Natur zur Galanterie geneigt, die sich, wenn sie einen richtigen Verstand besitzen, wie bei Tom Jones wirklich der Fall war, durch ein gefälliges, verbindliches Betragen gegen das ganze weibliche Geschlecht überhaupt äußert. Hierdurch unterschied sich Tom Jones sehr vorteilhaft, auf einer Seite von der lärmenden Ungezogenheit und Grobheit der bloßen Strohjunker, und auf der andern Seite von dem feierlichen und etwas finstern Betragen des jungen Herrn Blifil. Und in seinem zwanzigsten Jahre nunmehr fing er an, bei allen Frauenzimmern in der Nachbarschaft ein artiger junger Mensch zu heißen.

      Tom spielte bei Sophien keineswegs den Verliebten, ausgenommen vielleicht, daß er ihr mit mehr Ehrerbietung begegnete, als irgend einem andern Frauenzimmer. Diesen Vorzug schien ihre Schönheit, ihr Vermögen, ihr Verstand und ihr liebenswürdiges Betragen ganz natürlicherweise zu verdienen. Absichten auf ihre Person aber hatte er keine. Für jetzt müssen wir's dulden, daß ihm das der Leser zur Unempfindlichkeit anrechnet; vielleicht aber sind wir in der Folge im stande, es auf eine ganz andere Art zu erklären.

      Sophie war beim höchsten Grade von Unschuld und Bescheidenheit von sehr aufgewecktem Gemüt. Diese Munterkeit ward, wenn sie mit Tom in Gesellschaft war, so sichtbarlich erhöht, daß er's hätte merken müssen, wär' er nicht zu jung und zu gedankenlos gewesen; oder daß auch beim Junker Western hätte Verdacht darüber entstehen können, wären nicht seine Gedanken fast immer im Felde, im Pferde- und Hundestalle beschäftigt gewesen. Aber dieser gute Junker war so weit entfernt, auf einen solchen Verdacht zu geraten, daß er dem jungen Menschen vielmehr alle Gelegenheit gab, mit seiner Tochter allein zu sein, die ein Verliebter sich nur immer hätte wünschen können; und diese Gelegenheit machte sich Tom in aller Unschuld weit besser zu nutze, indem er bloß den Eingebungen einer natürlichen Galanterie und eines guten Herzens folgte, als vielleicht geschehen sein möchte, wenn er die tiefsten Pläne auf das Herz des Mädchens angelegt gehabt hätte. In der That aber kann es eben keine Verwunderung verursachen, daß diese Sache der Bemerkung aller Uebrigen entwischte, weil die arme Sophie selbst kein Wort davon wußte und ihr Herz unwiederbringlich verloren war, ehe sie nur noch die geringste Gefahr ahnte. So standen die Sachen, wie Tom, als er Sophien eines Nachmittags allein fand, nach einer kurzen, mit sehr ernsthaftem Gesicht vorgebrachten Entschuldigung sein Begehren vorzubringen anfing, daß er sie um eine Gunst zu bitten hätte, welche ihre Gütigkeit, wie er hoffte, ihm nicht versagen würde.

      Ob nun gleich so wenig des jungen Menschen bisheriges Betragen, als auch die Art und Weise, wie er sein Gesuch einleitete, von der Beschaffenheit waren, daß sie ihr hätten eine billige Ursache zum Verdacht geben können, er wolle ihr einen Liebesantrag thun, so mußten doch (sei's nun, daß ihr die Natur etwas ins Ohr raunte, oder aus was Ursache sonst, die ich nicht entscheiden will, genug so viel ist gewiß) einige Ideen von der Art bei ihr entstanden sein, denn ihre Wangen verloren ihre Farbe, sie zitterte an allen Gliedern und ihre Zunge würde gestottert haben, hätte Tom auf eine Antwort gewartet; aber er erlöste sie bald aus dieser Verwirrung, indem er fortfuhr, ihr den Inhalt seines Gesuchs zu erklären, welcher darin bestand, daß er sie um ihre Fürsprache für den Wildmeister bäte, dessen eigenes sowohl als seiner Frau und Kinder Verderben die unausbleibliche Folge davon sein müßte, wenn Herr Western ihn weiter gerichtlich verfolgte.

      Sophie erholte sich augenblicklich von ihrer Verwirrung und sagte mit einem höchst holdseligen Lächeln: »Ist das die wichtige Gunstbezeigung, um die Sie so feierlich baten? das will ich vom Grunde des Herzens gern thun. Ich habe wirklich Mitleiden mit dem armen Schlucker und erst gestern noch habe ich seiner Frau eine geringe Kleinigkeit hingeschickt.« Diese geringe Kleinigkeit war: eins von ihren Kleidern, etwas Wäsche und einige Gulden an Gelde; wovon Tom Jones gehört und welches ihm wirklich den Vorsatz in den Kopf gesetzt hatte, sich um diese Fürbitte zu bewerben. Unser Jüngling, der dadurch, daß es ihm so weit gelungen, kühner geworden war, wollte nun die Sache weiter treiben, und wagte es sogar, sie zu bitten, sie möchte ihn zu ihres Vaters Diensten empfehlen. Er beteuerte dabei, er hielte ihn für einen der ehrlichsten Kerle in der ganzen Gegend umher, und für die Stelle eines Wildmeisters, die eben glücklicherweise bei ihrem Herrn Vater erledigt wäre, auf alle Fälle sehr tüchtig.

      Sophie antwortete: »Gut! Auch das will ich versuchen! Aber ich kann nicht versprechen, daß ich's eben so gut zustandebringen werde als das erste, denn so viel versichre ich Sie, ich lasse meinen Vater nicht eher, bis er mir das zugesagt hat. – Doch will ich alles für den armen Kerl thun, was ich nur kann; denn ich betrachte sowohl ihn, als die Seinigen, aufrichtiglich für einen Gegenstand des Mitleidens. – Und nun, lieber Herr Tom Jones, muß ich auch Sie um eine Gefälligkeit bitten.«

      »Um eine Gefälligkeit, Fräulein! Mich!« rief Tom Jones. »Kennten Sie das Vergnügen, das Sie mir durch die Hoffnung erwecken, einen Ihrer Befehle zu erhalten, Sie würden überzeugt sein, daß Sie mir durch die bloße Erwähnung dieses Befehls die größeste Gewogenheit erweisen; denn bei dieser lieben Hand schwöre ich's, mein Leben gäbe ich gerne hin, um Ihnen einen Gefallen zu erzeigen.«

      Hierbei haschte er ihre Hand und küßte solche mit Inbrunst; welches das erste Mal war, daß seine Lippen sie berührten. Das Blut, welches vorher ihre Wangen verleugnet hatte, büßte seine Sünde dadurch völlig, daß es ihre Wangen und ihren Busen mit solcher Heftigkeit durchströmte, daß sie beide die höchste Scharlachfarbe bekamen. Sie fühlte hier zum erstenmal eine Empfindung, die ihr bis dahin fremd gewesen war, und welche sie, als sie Muße gewann darüber nachzudenken, mit einem Geheimnis bekannt machte, welches der Leser, wofern er's noch nicht so ganz völlig erraten haben sollte, in gehöriger Zeit erfahren wird.

      Sophie, sobald sie zu reden vermochte (und das war nicht so augenblicklich), belehrte ihn, die Gewogenheit, die sie sich von ihm ausbäte, wäre, ihren Vater nicht in so viele Gefahren beim Jagen zu leiten; denn nach dem, was sie gehört, wäre sie täglich in großer Angst, wenn sie zusammen ausritten, und müßte erwarten, daß er eines Tages mit gebrochenen Gliedmaßen nach Hause gebracht würde. Sie bäte ihn deswegen, er möchte, aus Freundschaft für sie, doch vorsichtig sein: und da, wie er wohl wüßte, ihr Vater bei keinem gefährlichen Ritte ihn allein lassen oder zurückbleiben würde: so möchte er doch nicht gar zu tollkühn reiten, oder künftig so waghalsig über Graben und Hecken setzen.

      Tom versprach, ihren Befehlen getreulich nachzuleben; und nachdem er ihr für die gütigste Gewährung seiner Bitte bestens Dank gesagt hatte, nahm er seinen Abschied und ging höchst entzückt über seine Verrichtung nach Hause.


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