Krieg und Frieden. Лев Толстой

Krieg und Frieden - Лев Толстой


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er, hatte aber, gleich nachdem er diese Worte gesprochen hatte, ebenso wie die Hörer, die Empfindung, daß dieser Satz unter den vorliegenden Umständen zu schwärmerisch und zu schwülstig und darum nicht recht angebracht war.

      »Ganz vortrefflich! Was Sie soeben gesagt haben, ist ganz vortrefflich!« sagte die neben ihm sitzende Julja mit einem Seufzer der Bewunderung. Sonja hatte, während Nikolai sprach, zu zittern angefangen und war bis an die Ohren, hinter den Ohren und bis zum Hals und den Schultern rot geworden. Pierre hatte die Reden des Obersten aufmerksam mitangehört und beifällig mit dem Kopf genickt.

      »Vorzüglich gesprochen«, bemerkte er.

      »Nun, Sie sind ein echter Husar, junger Mann!« rief der Oberst und schlug wieder auf den Tisch.

      »Worüber redet ihr denn da, daß ihr solchen Lärm macht?« erscholl plötzlich vom andern Ende des Tisches her Marja Dmitrijewnas tiefe Stimme. »Warum haust du so auf den Tisch?« wandte sie sich an den Husaren. »Auf wen bist du denn so grimmig? Du meinst wohl, du hättest hier schon die Franzosen vor dir?«

      »Ich rede die Wahrheit«, erwiderte der Husar lächelnd.

      »Wir reden hier immer nur vom Krieg!« rief der Graf über die ganze Länge des Tisches hin. »Mein Sohn geht ja auch in den Krieg, Marja Dmitrijewna, mein Sohn geht auch hin.«

      »Ich habe vier Söhne bei der Armee; aber aufregen tue ich mich darüber dennoch nicht. Es geschieht alles nach Gottes Willen: man kann sterben, wenn man auf dem Ofen liegt, und umgekehrt kann Gott in der Schlacht Erbarmen mit einem haben«, so tönte Marja Dmitrijewnas kräftige Stimme ohne jede Anstrengung vom andern Ende des Tisches herüber.

      »So ist es!«

      Und dann bildeten sich in der Unterhaltung wieder zwei geschlossene Kreise; die Damen redeten unter sich an dem einen Ende des Tisches, die Herren unter sich am andern.

      »Du wirst doch nicht fragen«, sagte der kleine Bruder zu Natascha, »du wirst doch nicht fragen.«

      »Ich werde doch fragen«, antwortete Natascha.

      Ihr Gesicht erglühte plötzlich, und es prägte sich auf ihm eine kühne, heitere Entschlossenheit aus. Sie erhob sich ein wenig, forderte durch einen Blick den ihr gegenübersitzenden Pierre auf, zuzuhören, und wandte sich an ihre Mutter.

      »Mama!« tönte ihre kindliche Bruststimme über den ganzen Tisch.

      »Was hast du?« fragte die Gräfin erschrocken; aber da sie dann an dem Gesicht der Tochter merkte, daß diese nur einen ausgelassenen Streich vorhatte, so winkte sie ihr streng mit der Hand und machte eine drohende, verbietende Bewegung mit dem Kopf.

      Das Gespräch verstummte überall.

      »Mama, was gibt es heute als süße Speise?« rief Nataschas helles Stimmchen in noch entschlossenerem, festerem Ton.

      Die Gräfin wollte ein finsteres Gesicht machen, aber es gelang ihr nicht. Marja Dmitrijewna drohte der Kleinen mit ihrem dicken Finger.

      »Ei, ei, Kosak!« rief sie tadelnd.

      Die meisten Gäste wußten nicht recht, wie sie diese Keckheit aufnehmen sollten, und blickten nach den älteren und vornehmeren hin.

      »Na, warte du nur!« sagte die Gräfin.

      »Mama! Was gibt es als süße Speise?« rief Natascha nun schon ganz kühn und mit lustigem Eigensinn, da sie vorhersah, daß ihre Keckheit gut aufgenommen werden würde.

      Sonja und der kleine dicke Peter versteckten ihre Gesichter, weil sie das Lachen nicht unterdrücken konnten.

      »Siehst du wohl, ich habe doch gefragt!« flüsterte Natascha ihrem kleinen Bruder und ihrem Gegenüber Pierre zu, auf den sie wieder ihren Blick richtete.

      »Es wird wohl Eis geben; aber du wirst nichts davon bekommen«, sagte Marja Dmitrijewna. Natascha sah, daß sie keine Angst zu haben brauchte, und fürchtete sich darum auch vor Marja Dmitrijewna nicht.

      »Marja Dmitrijewna! Was für Eis? Sahneeis mag ich nicht!«

      »Mohrrübeneis!«

      »Nein, was für welches? Marja Dmitrijewna, was für welches?« wiederholte Natascha fast schreiend. »Ich will es wissen!«

      Marja Dmitrijewna und die Gräfin fingen an zu lachen, und ihrem Beispiel folgten alle Gäste. Alle lachten nicht über Marja Dmitrijewnas Antwort, sondern über die unbegreifliche Keckheit und Gewandtheit dieses kleinen Mädchens, das so mit Marja Dmitrijewna umzugehen verstand und umzugehen wagte.

      Natascha hörte erst dann mit ihren hartnäckigen Fragen auf, als man ihr sagte, es werde Ananaseis geben.

      Vor dem Eis wurde Champagner gereicht. Die Musik setzte wieder ein; der Graf und die Gräfin küßten sich, und die Gäste standen auf, gratulierten der Gräfin und stießen über den Tisch weg mit dem Grafen, mit den Kindern und miteinander an. Wieder kamen die Diener herbeigelaufen, die Stühle wurden gerückt, und in derselben Reihenfolge, aber mit röteren Gesichtern, kehrten die Gäste in den Salon und in das Herrenzimmer zurück.

      XX

      Die Bostontische wurden ausgezogen, die einzelnen Partien fanden sich zusammen, und die Gäste des Grafen verteilten sich in die beiden Salons, das Sofazimmer und die Bibliothek.

      Der Graf, dem es recht schwerfiel, sich das gewohnte Schläfchen nach Tisch versagen zu müssen, breitete auf den Spieltischen die Karten fächerartig aus und lachte über alles mögliche. Das junge Volk versammelte sich auf Anregung der Gräfin um das Klavier und die Harfe. Zuerst trug auf allgemeines Bitten Julja auf der Harfe ein Musikstück mit Variationen vor und richtete dann ihrerseits im Verein mit den andern jungen Mädchen an Natascha und Nikolai, die als sehr musikalisch bekannt waren, die Bitte, etwas zu singen. Natascha, an die sie sich mit dieser Aufforderung wie an eine Erwachsene wandten, war offenbar darauf sehr stolz, zugleich aber doch auch ein wenig ängstlich.

      »Was wollen wir singen?« fragte sie.

      »Den ›Quell‹«, antwortete Nikolai.

      »Nun, dann wollen wir gleich anfangen. Boris, kommen Sie hierher, an diesen Platz«, sagte Natascha. »Aber wo ist denn Sonja?« Sie blickte sich nach allen Seiten um, und als sie sah, daß ihre Freundin nicht im Zimmer war, lief sie weg, um sie zu suchen.

      Natascha lief zuerst in Sonjas Zimmer und, als sie ihre Freundin dort nicht fand, in das Kinderzimmer; aber auch dort war Sonja nicht. Da sagte sie sich, Sonja würde wohl im Korridor sein, auf dem Schlafkasten. Dieser Schlafkasten auf dem Korridor war der Ort, wo die jüngere weibliche Generation des Rostowschen Hauses immer ihr Leid hintrug. Und wirklich lag Sonja in ihrem leichten rosa Kleid, das dabei arg verdrückt wurde, mit dem Gesicht nach unten auf dem schmutzigen gestreiften Federbett der Kinderfrau auf dem Schlafkasten; die Hände vor das Gesicht haltend, weinte sie unter lautem Schluchzen, und ihre kleinen entblößten Schultern zuckten krampfhaft. Nataschas Gesicht, das heute im ganzen Verlauf ihres Namenstages so lebhaft und heiter gewesen war, veränderte sich plötzlich: ihre Augen wurden starr; dann ging ein Zucken über ihren breiten Hals, und ihre Mundwinkel zogen sich nach unten.

      »Sonja! Was hast du denn ...? Was fehlt dir? Hu-hu-hu!« Und Natascha machte ihren großen Mund weit auf, wodurch sie ganz häßlich wurde, und heulte los wie ein kleines Kind, ohne selbst einen Grund dazu zu wissen, lediglich weil Sonja weinte. Sonja wollte den Kopf aufheben und ihr antworten; aber sie war dazu nicht imstande und versteckte ihr Gesicht nur noch mehr. Natascha kauerte sich weinend auf dem blauüberzogenen Bett nieder und umarmte ihre Freundin. Sonja nahm nun alle Kraft zusammen, richtete sich ein wenig auf und begann ihre Tränen abzuwischen und zu erzählen.

      »Nikolai reist in acht Tagen ab, seine ... Order ... ist gekommen ... er hat es mir selbst gesagt. Trotzdem würde ich nicht weinen; aber du kannst dir gar nicht vorstellen« (sie zeigte der Freundin ein Blatt Papier, das sie in der Hand hielt: es waren die Verse, die Nikolai ihr aufgeschrieben hatte) »... und niemand kann sich vorstellen ... was er für eine herrliche Seele hat ...«

      Und nun fing sie von neuem an darüber zu weinen,


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