Der maskierte Lord und die unbefriedigte Witwe | Erotische Kurzgeschichte. Lucy Palmer
Sie sah sogar hinter den Paravent, ob sich Wasser in der Waschschüssel befand, doch sie hatte alles schon längst vorbereitet. Dann entzündete sie zahlreiche Kerzen und stellte sie in Gläser, die sie überall auf dem Boden verteilte, aber der Lord war immer noch nicht da.
Würde sie ihm gefallen? Und würde er ihr gefallen? Wenn sie sich schon ohne Liebe einem Mann hingab, dann sollte er wenigstens ein ansprechendes Erscheinungsbild besitzen. Alexandra vertraute ganz auf Elizabeths Geschmack, die den Maskierten einfach umwerfend fand.
Seit fünf Jahren war Alexandra nun Witwe, doch sie besaß keine großartigen Erfahrungen mit Männern. Ihr Gatte hatte nur zwei Mal mit ihr die Ehe vollzogen, was keine berauschende Erfahrung gewesen war. Sie konnte nur auf das zurückgreifen, was ihr die Freundinnen erzählten. Elizabeth hatte ihr für die heutige Nacht noch zahlreiche Tipps mit auf den Weg gegeben, was Alexandras Nervosität nicht minderte. Schweiß sammelte sich unter ihrer Halbmaske aus Leder. Sie bevorzugte es, selbst unerkannt zu bleiben, und hatte in dem Brief mit Lady X unterschrieben.
Der Maskierte war bereits zehn Minuten zu spät. Was war, wenn er ihre Nachricht nicht erhalten hatte oder nicht herfand? Die Hütte lag sehr abgelegen und es brach bereits die Nacht herein.
Plötzlich wurde ihr bewusst, wie töricht sie handelte. Sie kannte diesen Fremden doch überhaupt nicht, was war, wenn er keine guten Absichten hegte? Niemand würde ihr hier draußen helfen können!
Nein, wenn Elizabeth dem Mann vertraute, dann tat sie das auch.
Auf einmal hörte Alexandra Hufgetrappel vor der Hütte. Sie lief zum Fenster, um hinauszusehen. Ein groß gewachsener Mann mit schwarzem Haar ritt auf die Hütte zu, der, genau wie sie, eine Halbmaske trug. Sein Hengst war ein prächtiges Tier und, der Haltung von Pferd und Reiter nach zu urteilen, ebenso stolz wie sein Herr. Konnte sich ein verarmter Lord derartigen Luxus leisten oder hatte er sich mit seinen Damenbesuchen bereits eine goldene Nase verdient?
Alexandra wusste nicht, wie viel der Mann für seine Dienste verlangen würde, daher hatte sie vorsorglich ein kleines Vermögen mitgenommen, das sie allerdings gut versteckt hatte, sollte der Fremde versuchen, sie auszurauben.
Schwach drang das Wiehern des Pferdes durch das Rauschen des Blutes an ihre Ohren, als der Besucher das Tier vor der Hütte zügelte, elegant abstieg und den Hengst im Unterstand festband. Neugierig öffnete Alexandra die Tür einen Spaltbreit, um sich den Mann genauer anzuschauen. Sie sah ihn nur von hinten, während er sein Pferd versorgte, aber auch durch den langen Umhang erkannte Alexandra seine breiten Schultern und die große Gestalt. Darunter trug er eng anliegende Breeches und Reitstiefel, die ihm bis zu den Knien reichten.
Sie beschloss, dem Fremden selbstbewusst entgegenzutreten, und öffnete die Tür ganz. Sofort drehte er sich um. Im schwachen Licht der Dämmerung starrten sie sich einen Augenblick lang an, und sein Zögern war zum Greifen nahe. Gefiel ihm nicht, was er sah? Sie konnte den Ausdruck seiner Augen hinter der Maske nicht erkennen.
Alexandra fand sich nicht außerordentlich hübsch, aber sie war sehr stolz auf ihre schlanke Figur und vor allem auf ihre zierlichen Hände. Daher hatte sie heute Abend auf Handschuhe verzichtet.
Sie atmete auf, als er sich in Bewegung setzte und mit großen Schritten auf sie zukam. Sein aufrechter Gang drückte Selbstsicherheit, Stärke und vielleicht auch ein wenig Arroganz aus. Ja, er war durch und durch ein Lord.
Alexandra klopfte das Herz bis zum Hals. Jetzt war es wohl zu spät, sich noch anders zu entscheiden. Sollte sie wirklich mit einem Fremden das Bett teilen?
»Lady X«, sagte er leise und verbeugte sich galant, bevor er einfach ihre Hand ergriff, um einen Kuss darauf zu hauchen. Alexandra starrte auf seine sehr edlen Handschuhe. Teuer. Wie alles an ihm.
Als seine Lippen ihren Handrücken berührten und kurz über ihre Haut glitten, erschauderte Alexandra, aber nicht aus Furcht. Wärme strömte bis in ihren Unterleib und brachte ihren Schoß zum Pochen. Der Maskierte würde bei ihr leichtes Spiel haben, wenn sie auf einen Handkuss bereits mit Erregung reagierte. Der Fremde besaß schmale Lippen, aber mit einem eleganten Schwung. Welche Sinnesfreuden er ihr wohl damit schenken konnte? Würde er sie auch auf den Mund küssen?
»Mylord«, erwiderte sie flüsternd, denn wenn sie beide leise sprachen, würden sie sich später nicht anhand ihrer Stimmen erkennen können. Ihr maskierter Besucher entstammte ohne Frage einer höheren Gesellschaftsschicht. Aber wieso vergnügte er sich dann mit Witwen? War ihm derart langweilig, hielt er das Ganze für ein Spiel? Na ja, sie würde mitspielen und testen, ob er wirklich so gut war, wie Elizabeth meinte.
Sie ging voran in die Hütte und hörte, wie er hinter ihr die Tür schloss. Das Häuschen gehörte dem Jagdaufseher ihrer Freundin Lady Jane Prescott, mit dem diese ein heimliches Verhältnis pflegte. Das Häuschen war zwar nicht gerade wie ein Liebesnest eingerichtet, aber ein breites, komfortables Bett in einer Jagdhütte sah man dennoch nicht alle Tage, und die Windlichter auf dem Boden verbreiteten ein behagliches Licht.
Wie erstarrt blieb Alexandra vor dem Bett stehen, dem Maskierten den Rücken zugewandt. Hoffentlich musste sie nicht den ersten Schritt machen. Oder wollte er erst bezahlt werden?
Alexandra faltete die Hände vor ihren Röcken, um ihr Zittern zu verbergen. Hinter ihr legte der Fremde seinen Umhang ab und warf ihn über einen Stuhl. Und nachdem er auch seine Handschuhe ausgezogen hatte, kam er auf sie zu.
Warm legten sich seine Hände auf ihre Schultern, und seine große Gestalt in ihrem Rücken strahlte eine Hitze aus, die sie schon jetzt zu verbrennen schien.
»Hast du Angst?«, fragte er sanft, wobei er ihre Schultern massierte.
»Ein wenig«, gab sie zu, genoss jedoch seine wohltuenden Berührungen. Ihr Zittern wollte trotzdem nicht aufhören.
»Wenn du möchtest, gehe ich wieder.« Der Maskierte war ganz selbstverständlich zur persönlichen Anrede übergegangen, was es für Alexandra weniger befremdlich machte.
Abrupt drehte sie sich um. »Bitte bleib!« Sie biss sich auf die Unterlippe, weil sie laut gesprochen hatte, aber der Mann gab keine Anzeichen von sich, dass er sie erkannt hätte. Darüber machte sich Alexandra jedoch kaum Sorgen, denn in letzter Zeit hatte sie sich selten in anderer Gesellschaft aufgehalten, als der ihrer Freundinnen.
Seine Arme ruhten nun nicht mehr auf ihren Schultern, sondern an ihren Hüften. Mit leichtem Druck zog er sie näher, und ihr Herz schien sich zu überschlagen.
Er war recht groß, größer als Elizabeth ihn beschrieben hatte, daher lagen seine Lippen genau vor ihren Augen. Sie waren leicht geöffnet und die Zunge des Fremden huschte darüber. Würde er sie küssen? Alexandras Herz pochte schneller, ihr Blick glitt weiter über sein Gesicht oder das Wenige, was sie davon sehen konnte. Sie erspähte die klaren Linien seines Kiefers. Der Maskierte war frisch rasiert und duftete nach Sandelholz. Es war ein vertrauter Geruch. Ein edler Duft.
Kannte sie diesen Mann vielleicht?
Aus einem Reflex heraus wollte sie ihn auf Abstand halten und drückte ihre Handfläche gegen seine Brust. Sein Herz ratterte an ihre Finger, er atmete schneller als gewöhnlich. Das machte sie stutzig. War er etwa ebenso aufgeregt wie sie? Er, der Maskierte, der schon unzählige Frauen beglückt hatte?
Alexandra schaute nach oben. Auch wenn sie im schummrigen Licht nicht viel erkennen konnte, sah sie doch, dass er die Augen geschlossen hatte. Lange, dunkle Wimpern ruhten auf den Sehschlitzen der Maske.
Mutig ließ sie ihre Hand auf seiner Brust kreisen, wobei sie durch das edle Hemd die Hitze seiner Haut und die sanften Wölbungen der Muskeln spürte.
Der Fremde schien nicht nur aufgeregt, sondern erregt, denn er keuchte leise.
Alexandra legte den Kopf an seine Schulter und genoss es, einen Mann aus der Ruhe zu bringen. Diese Erfahrung war neu für sie. Zudem duftete er unwahrscheinlich gut – nicht nur nach frischer Seife, sondern nach einem ganz eigenen, männlichen, vertrauten Geruch –, und hieß es nicht, wenn man jemanden gut riechen konnte, passte man zusammen? Es konnte doch nicht so schwer sein, den ersten Schritt zu machen.
Geschickt öffnete