Geheime Begierde | Erotischer Roman. Amy Walker
»Herrgott, Annabell, ich hatte einen verdammt anstrengenden Tag und dieses Kundengespräch wollte einfach nicht enden. Denkst du, dass ich immer mein Handy checke, bevor ich aus dem Büro stürze, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, damit ich dir die Kleine ein wenig abnehmen kann?«
Betroffen senke ich den Blick, damit Sven nicht sieht, wie sehr mich seine Worte verletzen. Irgendwie bin immer ich schuld.
»Dann musst du Leonie jetzt allein ins Bett bringen, ich fahre noch mal los …« Als ob ich das nicht immer tun würde. Er kommt zu uns herüber und begrüßt und verabschiedet sich gleichzeitig mit einem zärtlichen Kuss von unserer Tochter. Ich gehe leer aus.
Gekränkt stehe ich vom Sofa auf, als die Haustür ins Schloss fällt. Es ist wirklich schon spät, ich wollte nur, dass Sven unsere Maus wenigstens noch kurz zu Gesicht bekommt. Sie reibt sich die Augen und kuschelt ihr Köpfchen an meine Schulter. Mein Herz geht auf vor Liebe für dieses kleine Wesen auf meinem Arm. Auch wenn ich das Gefühl habe, manchmal aus meiner Haut fahren zu wollen und dass alles um mich herum gerade den Bach hinuntergeht – Leonie ist das Beste, was mir je widerfahren ist.
***
Eine halbe Stunde und ein leer getrunkenes Fläschchen später muss ich mich dazu zwingen, den wohlwollenden Gedanken von vorhin nicht zu vergessen. Leonie biegt sich schreiend auf meinem Arm durch und findet einfach nicht in den Schlaf. Müde laufe ich im Schlafzimmer auf und ab und wiege sie, um sie zu beruhigen. Es zermürbt mich, wenn ich sie nicht einmal mehr damit besänftigen kann. Meine Schultern sind vom ständigen Tragen bereits unangenehm verspannt und mein Nacken schmerzt, doch wenigstens kommt sie langsam runter.
Wie immer in diesen schwierigen Phasen will es mir aber kaum gelingen, sie ins Bettchen zu legen. Jedes Mal, wenn ich es versuche, schreckt sie auf und beginnt erneut zu weinen. Dieses Spiel spiele ich bis kurz nach halb neun, und als ich endlich zu Sven ins Wohnzimmer komme, sitzt er schon längst vor dem Fernseher.
»Hab dir auch einen Döner mitgebracht«, bemerkt er knapp und nickt in Richtung Sofatisch, ohne seinen Blick vom Bildschirm zu nehmen. Ich verkneife mir ein spitzes Dankeschön, das ist aber nett, dass du an mich gedacht hast, und setze mich zu ihm auf die Couch. Irgendein Actionfilm kracht und wummert über die Mattscheibe, mein Schädel dröhnt noch von Leonies Geschrei.
»Kannst du das bitte ein wenig leiser machen? Nicht, dass die Kleine gleich wieder aufwacht …«
Sven schnaubt, greift aber gehorsam nach der Fernbedienung. Mir wäre es am liebsten, wenn er das Ding ganz abstellen und sich stattdessen mit mir unterhalten würde. Doch er hat sich seinen Feierabend verdient, wie ich eigentlich auch. Ich hasse es inzwischen regelrecht, mich dabei vom Fernseher berieseln zu lassen.
Ich bin staatlich anerkannte Krankenschwester, mein Beruf ist seit dem ersten Tag meiner Ausbildung Passion. Jetzt bin ich aber in Elternzeit. Drei Jahre habe ich eingereicht, weil Sven und ich dachten, es wäre am unkompliziertesten, und wir es uns finanziell ohne Probleme leisten können. Jetzt kommt mir diese Zeit wie eine kleine Ewigkeit vor. Ich habe es immer geliebt, mit den Patienten in Kontakt zu sein, habe jedoch nicht geahnt, dass mir die kurzweiligen Gespräche so sehr fehlen würden. Den ganzen Tag über habe ich – abgesehen von dem unbefriedigenden Telefonat mit Chrissi – nur mit Leonie geredet, und ich muss sagen, dass diese Unterhaltung recht einsilbig war. Dass nicht mal mein Mann es jetzt nötig hat, ein paar Worte mit mir zu wechseln, frustriert mich.
Mürrisch mampfe ich den kalten Döner in mich hinein und starre auf den Bildschirm. Irgendein aufgepumpter Kerl befindet sich mitten in einer Schießerei mit unzähligen Gegnern. Während er im Kugelhagel nicht mal einen Streifschuss abbekommt, fallen seine Feinde einer nach dem anderen. Ich schüttle sarkastisch den Kopf und deute auf das Filmgeschehen auf der Bildfläche. »Ist doch total unrealistisch … Aber der Held ist natürlich unverwundbar …«
Sven drückt die Pausetaste und schaut mich übertrieben aufmerksam an. Ich komme ins Rudern, denn ich merke, dass er langsam richtig sauer wird. »Ich meine ja nur – dieser Schwarzenegger-Verschnitt schießt blind um sich und nietet einen Gegner nach dem anderen um, doch der Scharfschütze, der genau auf seinen Kopf gezielt hat, verfehlt ihn«, versuche ich grinsend zu deeskalieren, doch anstatt Sven damit zu beschwichtigen, braust er auf. Unsere Gemüter sind vom Streit am Morgen noch erhitzt und eine flapsige Bemerkung reicht, um die Bombe zu zünden.
»Motze ich ständig an deinen überzogenen Schmonzetten herum? Nein, tu ich nicht! Kannst du mich nicht auch einfach in Ruhe schauen lassen?«
Ich presse eingeschnappt die Lippen aufeinander, doch diesmal schaffe ich es nicht, meine Klappe zu halten. »Ich hätte es einfach schön gefunden, mich mit dir über den Tag auszutauschen, aber der Fernseher ist natürlich wichtiger.«
»Weißt du was? Ich habe keine Lust, mich schon wieder zu streiten.« Sven schaltet das verhasste Gerät ab und schleudert die Fernbedienung wütend auf den Couchtisch. »Ich hatte einen richtig miesen Tag und gehe jetzt ins Bett.« Er steht auf und stapft, ohne mir weiter Beachtung zu schenken, in Richtung Tür davon. Unglücklich schaue ich ihm hinterher. »Den hatte ich auch!«
Sven bleibt abrupt stehen und dreht sich mit einer müden Bewegung zu mir herum. »Das weiß ich doch …« Hilflos hebt er die Hände. »Mir ist klar, dass Leonie zurzeit nicht einfach ist. Aber ich kann nicht mehr tun, als dir wieder und wieder meine Hilfe anzubieten. Und ich weiß genau, dass du es ablehnst, wenn ich dich jetzt frage, ob ich heute Nacht bei ihr bleiben soll, damit du wenigstens einmal durchschlafen kannst.«
Ganz automatisch verschränke ich die Arme abweisend vor der Brust. »Das hat doch gar nichts damit zu tun, das schaffe ich schon.« In Wahrheit kann ich Sven einfach nicht eingestehen, dass ich es eben nicht schaffe, ohne mich wie eine Versagerin zu fühlen. Er zuckt resigniert mit den Schultern und schüttelt den Kopf. »Siehst du? Genau das meinte ich: Ich komme gar nicht mehr an dich ran. Das Einzige, was ich von dir abbekomme, ist miese Laune. Mal ganz abgesehen davon, dass wir uns ansonsten auch nicht gerade wie ein normales Paar verhalten.«
Meine Haltung versteift sich noch mehr. Natürlich spielt Sven wieder auf unser Liebesleben an. Seit Leonie da ist, haben wir kaum noch Sex, und wenn wir es tun, dann möglichst schnell und ziemlich lieblos – ohne eine Spur von Leidenschaft und tiefgehendem Begehren. Inzwischen ist es beinahe zur Pflicht geworden, alle paar Wochen miteinander zu schlafen.
»War doch klar, dass ein Kind alles verändert. Ich bin einfach keine perfekte Ehefrau, die das alles so locker hinbekommt …«, murmle ich gekränkt. Eigentlich war mir nicht bewusst, dass ich mich nach der Schwangerschaft als Frau so schlecht fühlen würde. Über Babypfunde, Dehnungsstreifen und eine schmerzende Dammnarbe von der Geburt habe ich mir vorher einfach keine Gedanken gemacht. Auch wenn Sven mir beteuert, dass er mich immer noch sexy findet, fühle ich mich einfach nicht so.
Er fährt sich müde übers Gesicht und schüttelt wieder den Kopf. »Worum geht es hier eigentlich?«
Ich igle mich regelrecht ein, so eng umschlinge ich inzwischen meinen Oberkörper, ein leises Schluchzen löst sich aus meiner Brust. »Es ist doch offensichtlich, dass es nicht gut läuft. Und ich habe keine Ahnung, was wir verändern können, damit es wieder besser wird.« Tränen quellen aus meinen Augen und laufen mir über die Wangen. Es tut erstaunlich gut, das mal loszuwerden, anstatt Sven nur Vorwürfe zu machen.
Sein Gesichtsausdruck wird weich. Er kommt zu mir zurück und setzt sich dicht neben mich aufs Sofa. »Hey, das ist doch kein Grund zu weinen. Wir brauchen eben etwas Zeit, um uns an die Situation zu gewöhnen. Anderen ergeht es bestimmt auch so«, versucht er mich zu trösten. Dass er mich nicht einmal dabei berühren kann, ist wie ein Schlag ins Gesicht. »Leonie ist schon neun Monate alt. Wie lange soll diese Gewöhnungsphase denn noch dauern?« Ich schüttle verzagt den Kopf und starre auf die Fernbedienung, die Sven vorhin achtlos hingeworfen hat. Mir ist, als wäre sie das Symbol unseres Scheiterns. »Wir können inzwischen doch nicht einmal mehr so tun, als führten wir eine normale Ehe.«
Sven zieht scharf den Atem ein. »Was willst du damit sagen?«
Ich hebe den Blick, verunsichert schaut er mich an. Es ist seltsam beruhigend, dass er wie ich Angst