Farben der Lust | Erotische Geschichten. Aimée Rossignol
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»Was es gibt? Was es gibt?« Seine Stimme überschlägt sich. »Hör mal, erst rufst du mich weinend an, dann hängst du mich sofort auf. Was ist eigentlich da los, unten in Süd-Frankreich?«
Empört antworte ich: »Ich hab nicht geweint! So ein Blödsinn! Und hier ist nichts los! Ich arbeite – was denn sonst?« ... und ich schlafe mit Henri und wir tun Dinge, die ich dir nie erzählen würde ... Bei dem Gedanken strecke ich mich wohlig im Bett aus.
Ich weiß nicht genau, was mich verraten hat. Vielleicht hat Tony auch nur einen siebten Sinn für solche Sachen. Nach einer kleinen Pause klingt seine Stimme plötzlich anders. Weich und unerträglich süß: »Helena! Helena! Ist da was zwischen dir und Henri? Oder dir und dem Gärtner, Chauffeur, Butler, Sekretär oder wen immer sie sonst noch da beschäftigen?«
Ich räuspere mich und schweige.
»Ha!«, ruft Tony aus. »Ha, ich hab es gewusst! Wer ist es? Erzähl mir alles!«
Tony ist auch mein Freund und plötzlich ist das Bedürfnis, jemandem von Henri und mir zu erzählen, übermächtig. »Henri!«
Ich höre Tony kurz durch die Zähne pfeifen. »Oh là là! Henri Marchand! Oh Helena, tut ihr unanständige Sachen?« Dabei kichert er wie ein kleiner Junge.
»Das geht dich gar nichts an«, lasse ich ihn wissen und ertappe mich bei einem seligen Lächeln.
»Oh, ich will alles hören!«
Ich lache über seine Verbissenheit.
»Keine Details, aber es ist schön«, räume ich schließlich ein.
»Genieß es, so lange es dauert!« Und schon hat er es geschafft, mich wieder auf den Boden der Tatsache zu holen. Henri und ich. Das, was wir miteinander tun, hat ein Verfallsdatum. Ich richte mich auf.
»Helena? Bist du noch da?«
Plötzlich fällt mir die blonde Frau wieder ein. Mein Hochgefühl weicht der nüchternen Erkenntnis, nicht die Einzige zu sein.
»Hab ich etwas Falsches gesagt?«
»Nein«, antworte ich leise, »im Gegenteil. Etwas sehr Richtiges.«
»Ich ...«, er bricht ab und ich kann ihn tief Luft holen hören. »Schau, ich wollte nicht ... Was weiß ich schon? Ich wollte es dir nicht verderben.«
»Hast du nicht. Wie immer hast du mich nur an das Wesentliche erinnert. Ich will es genießen, so lange es eben dauert.« Ich mache eine kurze Pause. »Henri nimmt mich für ein paar Tage mit auf seine Yacht.«
Tony bemüht sich, das muss man ihm lassen. »Ach, Helena, das wird bestimmt toll! Hab viel Spaß!«
»Ich melde mich, wenn wir wieder zurück sind.«
Als ich auflege, muss ich schlucken. Ich will mich nicht verlieben. Auf eine sehr andere Weise ist es trotzdem fast wie mit Marc: Es passt einfach nicht. Henri, für den ich Zeitvertreib bin. Ein Spielzeug.
Trotzdem hat sich hartnäckig, und das vielleicht schon nach der ersten Berührung von Henri, dem erste Kuss, ganz tief irgendwo in mir der Gedanke festgesetzt, dass es so wie mit Henri mit keinem anderen Mann mehr wird.
Ich schüttele den Kopf, als würden dann alle dummen Gedanken und Empfindungen hinausfallen, stehe auf und drehe im Bad die Dusche auf. Kühl lasse ich das Wasser über meinen Kopf und Körper laufen.
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