Finnische Träume - Teil 6 | Roman. Joona Lund
haben würde und er wollte endlich loswerden, was zu sagen war. »Ich muss mit dir ...«
Mit der gleichen ungeduldigen Handbewegung hieß sie ihn schweigen. »Hast du das Säckchen mit den Haaren noch?«
»Sicher, mein kostbarster Besitz.« Grinsend fragte er: »Willst du es sehen?« Er legte das Heft beiseite, kramte in einer Schublade, reichte ihr eine winzige Nylontüte. »Willst du riechen? Der Geruch hält sich eine Weile.«
Energisch schüttelte sie den Kopf. Zögerlich kam die Frage: »Alle von mir?«
Ernst richtete er den Blick auf sie. »Du weißt, dass mich andere nie interessiert haben.«
Nun nahm sie das Säckchen und roch daran. »Tatsächlich!« Nachdenklich sah sie ihn an. »Das habe ich noch nie gehört. So etwas ist aber nicht normal, oder?«
Er zuckte die Achseln, erinnerte an ihr Geschenk beim Abschied damals. Gerade üblich wäre das auch nicht gewesen.
Ihr spitzbübisches Lächeln betonte die Grübchen in den Wangen. Das wäre später gewesen, entgegnete sie und er hätte sie auf den Gedanken gebracht. Sie machte ein Geständnis, das ihn aus der Fassung brachte. »Eigentlich wollte ich dir das nie sagen, dass ich einmal, als ich etwas aus dem Badezimmer holen wollte, gesehen habe, wie du im Wäschekorb gekramt hast. Neugierig schaute ich nach und sah, es fehlte, was ich gerade hineingeworfen hatte.«
Nun war es an ihm, rot anzulaufen. »Du wusstest es?«
Sie nickte. »Ich habe es in deinem Zimmer unter dem Kopfpolster gefunden.«
»Du wusstest es ...«, murmelte er. »Deshalb das überraschende Geschenk.«
Stockend erzählte sie, dass sie es nicht nur gewusst hatte, sondern ihn bei seiner abartigen Gewohnheit sogar unterstützt hätte, ohne dass er es merkte.
Verdattert guckte er sie an. »Wieso, was ...?«
Sie wäre mit seinen Gewohnheiten und Gedankengängen vertraut gewesen, unterbrach sie ihn, wäre mehr und mehr in sein Fahrwasser geraten, das Spiel mit dem Feuer hätte Spaß gemacht und schließlich hätte sie ja sein Tagebuch gelesen. Anfangs hatte es sie verstört, aber bald Gefallen daran gefunden, im Mittelpunkt seiner Träume zu stehen. Vor dem Ausziehen hätte sie den Stoff hineingedrückt, er wüsste, was sie meinte, damit mehr haften blieb. Am nächsten Morgen hatte sie nachgeschaut, meist war ihr Höschen ganz sauber gewesen, sie hätte es noch einmal anziehen können. Der Gedanke an das, was er getan hatte, sei unheimlich erregend gewesen, manchmal war sie erschrocken, wie ähnlich sie ihm geworden sei. »Weißt du noch«, fragte sie, »wie ich einmal vor dem Schlafengehen zu dir gehuscht bin, deine Hand genommen und etwas Weiches hineingelegt habe?«
Er lächelte. »Natürlich, du hast meine Finger draufgedrückt und warst draußen. Ich öffnete die Faust und roch daran, sog den köstlichen Duft ein.«
Als er wieder davon anfing, dringend etwas mit ihr besprechen zu müssen, drückte sie ihm das Tagebuch in die Hand und forderte ihn auf, weiterzulesen, die Stelle handelte davon, alles andere habe Zeit.
Jan neigte sich über das Heft. »›Als ich einmal Abschied nahm, drückte sie mir etwas in die Hand und flüsterte, ich dürfe es niemandem zeigen und müsse es gut verstauen, der Brief bringe die Erläuterung. Es fühlte sich leicht und flockig an wie Seide. Ich ließ das Päckchen in der Anoraktasche verschwinden, wollte im Bus den Brief lesen, aber ständig stiegen Leute zu, ich habe die Lektüre auf die Zugfahrt verschoben. Nach dem Umsteigen bin ich eingeschlafen und erst am Ziel aufgewacht. Sonst brauchte ich ein bis zwei Tage, mich an die Großstadt und meine Bude zu gewöhnen, diesmal war es leichter, ich hatte das Geschenk und den Brief, also reale Dinge, nicht nur Träume. Dort stand, wenn ich es auspacke, solle ich mich an das unlängst Vorgelesene erinnern und es in Gedanken daran, dass sie es länger als sonst getragen habe, tun. Ich habe das zarte schwarze Gebilde aus dem Umschlag gezogen, der Moschusduft betäubte mich schier. Selbstverständlich habe ich die Anweisung befolgt und war glücklich. Doch das Glück war von kurzer Dauer.‹«
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